Leitsatz (amtlich)
Deutsche Eichenfurnierrundhölzer sind vertretbare Sachen i.S. von § 74 Abs.1 EStDV i.V.m. § 91 BGB.
Orientierungssatz
Der Begriff "vertretbares Wirtschaftsgut" in § 74 Abs. 1 EStDV ist entsprechend dem Begriff der "vertretbaren Sache" in § 91 BGB auszulegen (BFH-Urteil vom 23.6.1977 IV R 17/73; Literatur). Vertretbar ist hiernach eine Sache, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegt. Dies ist der Fall, wenn sie sich von anderen Sachen der gleichen Art nicht durch ausgeprägte Individualisierungsmerkmale abhebt und daher ohne weiteres austauschbar ist (BGH). Dabei kommt es auf die objektive Auffassung im Handelsverkehr und nicht auf die individuelle Parteivereinbarung an.
Normenkette
EStG 1975 § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b; EStDV § 74 Abs. 1; BGB § 91
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine OHG in X, die ein Säge- und ein Furnierwerk betreibt.
Sie hatte in der Handels- und Steuerbilanz zum 30.Juni 1973 eine Preissteigerungsrücklage gebildet, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--), dem Betriebsprüfungsbericht vom 15.Dezember 1975 folgend, zum größten Teil anerkannt hatte. Die Preissteigerungsrücklage wurde in den Streitjahren 1976 und 1977 aufgestockt. Bei der im Jahre 1979 durchgeführten Anschlußbetriebsprüfung wurde sie für inländisches Eichenfurnierrundholz und für Eichenfurniere als unzulässig angesehen, weil es sich nicht um vertretbare Sachen i.S. von § 91 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gehandelt habe. Sie wurde in den Jahren 1974 - 1977 gewinnerhöhend aufgelöst. Das FA folgte der Auffassung des Prüfers und erließ entsprechende Änderungsbescheide. Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, die Auflösung der Preissteigerungsrücklagen rückgängig zu machen, weiter. Das Finanzgericht (FG) hat das Klageverfahren betreffend das Streitjahr 1974 abgetrennt. Über die hinsichtlich der Preissteigerungsrücklage für Furnierrundhölzer und Furniere in Tz.3.14 des Betriebsprüfungsberichts vom 21.Dezember 1979 getroffenen Feststellungen wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Betriebsprüfers als Zeugen.
Das FG wies die Klage für das Streitjahr 1976 (betreffend die Furnierrundhölzer) ab und gab ihr für das Streitjahr 1977 (betreffend die Furniere) statt: Die Bildung einer Preissteigerungsrücklage setze nach § 74 Abs.1 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) voraus, daß es sich um vertretbare Wirtschaftsgüter und damit um Sachen handle, die im Verkehr nach Zahl, Maß und Gewicht bestimmt zu werden pflegten (§ 91 BGB). Daran fehle es bei den Furnierrundhölzern, weil die Furniereichen als Einzelstücke angeboten und ohne vorherige Besichtigung durch den Käufer und seine subjektive Bewertung nicht erworben würden. Dagegen würden die Furniere im Verkehr in erster Linie nach Zahl und Maß (qm) gehandelt und als Mengen, nicht als Einzelsachen, angeschafft. Sie seien daher als vertretbare Sachen anzusehen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie die Gewinnfeststellung 1976 vom 31.März 1980 dahingehend zu ändern, daß der Gewinn um 325 100 DM ermäßigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG angenommen, daß es sich bei den inländischen Eichenfurnierrundhölzern nicht um vertretbare Wirtschaftsgüter i.S. des § 74 Abs.1 EStDV handelt.
1. Gemäß § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.b des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 74 Abs.1 EStDV kann eine Preissteigerungsrücklage für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, halbfertige Erzeugnisse, fertige Erzeugnisse und Waren gebildet werden, sofern es sich bei ihnen um Gegenstände des Umlaufvermögens und um "vertretbare Wirtschaftsgüter" handelt. Inländisches Eichenfurnierrundholz ist ein vertretbares Wirtschaftsgut i.S. dieser Vorschrift.
a) Nach der Rechtsprechung (s. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Juni 1977 IV R 17/73, BFHE 123, 140, 141, BStBl II 1977, 825, 826) und der einhelligen Meinung im Schrifttum (s. z.B. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 6 Rdnr.1276; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 5 EStG Anm.677; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 Anm.309; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 3.Aufl., § 6 Anm.47 b; Vogel, Betriebs-Berater --BB-- 1956, 32, 34; ebenso Abschn.228 Abs.1 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1975) ist der Begriff "vertretbares Wirtschaftsgut" in § 74 Abs.1 EStDV entsprechend dem Begriff der "vertretbaren Sache" in § 91 BGB auszulegen.
Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von diesem Auslegungsgrundsatz abzuweichen. Denn weder Wortlaut noch Zweck des § 74 EStDV gebieten, dem "vertretbaren Wirtschaftsgut" einen anderen Inhalt beizumessen als der "vertretbaren Sache" in § 91 BGB. Der Unterschied in der Formulierung --"Wirtschaftsgut" statt "bewegliche Sache"-- ist rein redaktionell, denn die im ersten Halbsatz des § 74 Abs.1 EStDV aufgeführten begünstigten Gegenstände des Umlaufvermögens gehören allesamt zu den beweglichen "körperlichen Gegenständen" (§ 91 i.V.m. § 90 BGB). Wirtschaftspolitischer Zweck des § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.b EStG und des zu seiner Ausführung ergangenen § 74 EStDV ist es, in Abweichung von dem das Einkommensteuerrecht beherrschenden Nominalwertprinzip (hierzu BFH-Urteil vom 14.Mai 1974 VIII R 95/72, BFHE 112, 546, BStBl II 1974, 572, m.w.N.) steuerliche Erleichterungen bei wesentlichen Preissteigerungen bestimmter Wirtschaftsgüter einzuräumen und dadurch eine Milderung der Besteuerung von "Scheingewinnen" zu erreichen (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 5 EStG Anm.677; Vogel, BB 1956, 32, 34). Die Begrenzung auf "vertretbare Sachen", bei denen in aller Regel auch nur die Bildung eines Börsen- und Marktpreises möglich ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Ermächtigung. Diese trat ab 1955 an die Stelle des von der Finanzverwaltung im Anschluß an ein Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs (OFH) vom 3.Juni 1949 I D 2/49 S (RFHE 54, 338, Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen --MinBlFin-- 1949/50, 333) zugelassenen Sammelpostens "Eiserner Bestand" für bestimmte Gegenstände des Vorratsvermögens (s. Abschn.30 Abs.3 EStR 1953 und die Regelungen zu dessen Auflösung im Wirtschaftsjahr 1955 in Abschn.36 Abs.3 bis 6 EStR 1955; diese Regelungen bezogen sich unmittelbar auf die BFH-Urteile vom 1.März 1955 I 140/52 U, BFHE 60, 376, BStBl III 1955, 144, und vom 3.März 1955 IV 203/53 U, BFHE 61, 63, BStBl III 1955, 222, welche die Bildung "Eiserner Bestände" nur noch bis zum 31.Dezember 1954 zugelassen hatten; vgl. Vogel, BB 1955, 63, und BB 1956, 32, 33, 34). In diesen Sammelposten "Eiserner Bestand" konnten nach dem Gutachten des OFH (RFHE 54, 338, 345, 346, MinBlFin 1949/50, 333, 336) nur solche Wirtschaftsgüter eingestellt werden, die als vertretbare Sachen i.S. des § 91 BGB anzusehen waren. Eine Ausdehnung der Steuervergünstigung des § 74 EStDV über den Kreis der Wirtschaftsgüter hinaus, die vertretbare Sachen sind, würde somit den erkennbaren Zweck und das Ausmaß der gesetzlichen Ermächtigung überschreiten und außerdem zu Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung führen, da auch die von der Klägerin geforderte "wirtschaftliche Betrachtungsweise" keine Beurteilungskriterien zu liefern vermag, nach denen entschieden werden kann, wann ein "vertretbares Wirtschaftsgut" i.S. des § 74 Abs.1 EStDV gegeben ist, ohne zugleich eine vertretbare Sache i.S. des § 91 BGB zu sein.
b) Die inländischen Eichenfurnierrundhölzer, für die die streitige Preissteigerungsrücklage gebildet wurde, sind vertretbare Sachen i.S. des § 91 BGB.
Vertretbar ist hiernach eine Sache, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegt. Dies ist der Fall, wenn sie sich von anderen Sachen der gleichen Art nicht durch ausgeprägte Individualisierungsmerkmale abhebt und daher ohne weiteres austauschbar ist (s. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 29.September 1966 VII ZR 160/64, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1966, 2307; vom 30.Juni 1971 VIII ZR 39/70, NJW 1971, 1793, und vom 24.April 1985 VIII ZR 88/84, NJW 1985, 2403). Dabei kommt es auf die objektive Auffassung im Handelsverkehr und nicht auf die individuelle Parteivereinbarung an.
Eichenfurnierrundholz erfüllt diese Begriffsmerkmale. Es wird im Holzhandel, wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten "Losverzeichnis" ergibt, in erster Linie nach Maß --Länge der Stämme, Durchmesser und Rauminhalt-- und Zahl --Anzahl der Festmeter, die der jeweilige Käufer erwerben will-- bestimmt. Demgegenüber ist nicht entscheidend, daß die Stämme aufgrund der Eigentümlichkeiten des in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) üblichen Versteigerungsverfahrens von den Forstämtern einzeln angeboten werden. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang --vom FA nicht bestritten-- vorgetragen, daß ausländische (insbesondere amerikanische) Eichenfurniere diesen Verkaufsbedingungen nicht unterliegen, sondern in großen Mengen zu einem einheitlichen Preis je Festmeter angekauft werden. Die Qualität eines Naturerzeugnisses als vertretbare Sache kann durch unterschiedliche Modalitäten des Ein- und Verkaufs nicht grundlegend beeinflußt werden.
Auch die vom FG hervorgehobenen Qualitäts- und Preisunterschiede, die durch individuelle Faktoren wie Alter, Form, Astreinheit, Wachstumsverlauf u.ä. bedingt sind, rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Die Klägerin hat hierzu unwidersprochen ausgeführt, daß sich der Anteil der äußerlich gesund erscheinenden Mengen seinerzeit zwischen 68 v.H. und 75 v.H. bewegte, daß die Preise, die für Erzeugnisse dieser Qualität während einer Versteigerungscampagne erzielt werden können, relativ konstant sind und daß Spitzenqualitäten eine Ausnahme bilden. Dabei ist auch von Bedeutung, daß es der Klägerin und den anderen an den Versteigerungen beteiligten Säge- und Furnierwerken nicht um die individuellen Qualitätsunterschiede der ersteigerten Eichenstämme geht, sondern um deren generelle Eignung zur Herstellung eines industriellen Massenprodukts: der Eichenfurniere, welche nach der zutreffenden Würdigung des FG im Handelsverkehr nach Maß (qm) und Zahl bestimmt zu werden pflegen und daher als vertretbare Sachen i.S. des § 91 BGB anzusehen sind. Es kommt daher wie bei den Qualitätsweinen, die der BGH zu den vertretbaren Sachen gerechnet hat (BGH in NJW 1985, 2403) nicht auf die besonderen Eigenschaften des Einzelstücks, sondern auf die allgemeinen Gattungseigenschaften der Furnierrundhölzer an. - Daß die von den Waldeigentümern (insbesondere den bundesdeutschen Forstämtern) angebotenen Vorräte im vorhinein von den Kaufinteressenten auf ihre Qualitätseigenschaften begutachtet werden, hat auf die verkehrsmäßige Bestimmung der Eichenstämme nach Maß und Zahl und ihre gattungsmäßige Eigenschaft, der Furnierverarbeitung zu dienen, ebenfalls keinen entscheidenden Einfluß. Die vorherige Besichtigung der Ware durch den fachkundigen potentiellen Käufer zum Zwecke der Qualitätskontrolle ist auch bei anderen land- und forstwirtschaftlichen Produkten, die vertretbare Sachen sind (z.B. Wein und Getreide), nicht unüblich.
Schließlich spricht auch der Umstand, daß die Nummernbezeichnung jedes Stammes beim Durchlauf durch den Betrieb der Klägerin weiter verfolgt werden kann und auch bei den daraus gewonnenen Furnieren verbleibt, nicht zwingend gegen die Beurteilung der Eichenfurnierrundhölzer als vertretbare Sachen. Die Nummernbezeichnung kann eine lückenlose Qualitätskontrolle zum Zweck haben (so der Prüfer und, ihm folgend, das FG); sie kann aber auch im Interesse der Klägerin an einer möglichst genauen betrieblichen Kostenrechnung begründet sein, denn durch das von ihr gewählte Verfahren lassen sich die Kosten des Eingangsprodukts (Eichenstamm) und die für das Endprodukt (Furniere) erzielten Erlöse genau bestimmen und miteinander vergleichen.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Weil das FG die Preissteigerungsrücklage lediglich wegen fehlender Vertretbarkeit der Eichenfurnierrundhölzer versagt hat, wird es noch zu prüfen haben, ob auch die übrigen Voraussetzungen für die Rücklagebildung erfüllt sind und ob die Klägerin die Rücklage der Höhe nach zutreffend berechnet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 60941 |
BStBl II 1986, 346 |
BFHE 145, 556 |
BFHE 1986, 556 |
BB 1986, 647-647 (ST) |
DB 1986, 1103-1104 (ST) |
DStZ 1986, 166-166 (ST) |
HFR 1986, 244-245 (ST) |