Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfordernis eines Feststellungsbescheides auch bei nur behaupteter Mitunternehmerschaft; Zuordnung von Dividenden zu einer luxemburgischen Betriebsstätte
Leitsatz (NV)
- Wegen der Kompetenzverteilung zwischen den für die Feststellung der Besteuerungsgrundlage und für die Festsetzung der Steuer zuständigen Finanzbehörden und des aus § 86 AO 1977 sich ergebenden Legalitätsprinzips ist ein (positiver oder negativer) Feststellungsbescheid schon dann zu erlassen, wenn das Bestehen einer Mitunternehmerschaft behauptet wird oder auf Grund des (ggf. streitigen) Sachverhalts möglich erscheint.
- Dividenden, die luxemburgische Kapitalgesellschaften an ihre in Deutschland ansässigen Anteilseigner ausschütten, sind auch dann nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA Luxemburg von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen, wenn die Anteilseigner in Luxemburg eine geschäftsleitende gewerbliche Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer Personengesellschaft unterhalten. Die Dividenden werden nicht "durch" eine Betriebsstätte i.S. des Art. 13 Abs. 5 DBA Luxemburg erzielt.
Normenkette
FGO § 74; AO 1977 § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3, § 182 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; DBA LUX Art. 13 Abs. 1, 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Ehepaar, wohnen im Inland und wurden hier zusammen zur Einkommensteuer 1993 und 1996 veranlagt. Sie waren Gesellschafter und Geschäftsführer von drei in Luxemburg ansässigen Kapitalgesellschaften luxemburgischen Rechts (Betrieb von Großtankstellen, Handel, Distribution, Import), und zwar an der A-s.a.r.l., der B-s.a.r.l. sowie der C-s.a.r.l. An der A-s.a.r.l. waren der Kläger, dieser zugleich als Geschäftsführer, zu zwei Dritteln und dessen frühere Ehefrau zu einem Drittel beteiligt, an der B-s.a.r.l. waren dies der Kläger zu 80 v.H. und die Klägerin, diese zugleich als Geschäftsführerin, zu 20 v.H. Gesellschafterin und Geschäftsführerin der C-s.a.r.l. war allein die Klägerin. Die A-s.a.r.l. war Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die B-s.a.r.l. die Tankstelle als Pächterin mit der hierfür notwendigen Betriebs- und Geschäftsausstattung betrieb. Die C-s.a.r.l. betrieb ihre Tankstelle ebenfalls auf einem gepachteten Grundstück, das einem Dritten gehört.
Aus diesen Beteiligungen erzielten die Kläger in den Streitjahren 1993 und 1996 Einnahmen aus Gewinnausschüttungen, die ihrer Auffassung nach nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) als Dividenden im Inland, sondern gemäß Art. 13 Abs. 5 DBA-Luxemburg als Einnahmen aus Gewerbebetrieb in Luxemburg zu versteuern sind, da sie durch die in Luxemburg unterhaltene Betriebsstätte einer zwischengeschalteten geschäftsleitenden Holding-Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) erzielt worden seien. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) teilte diese Auffassung nicht, unterwarf die Gewinnausschüttungen als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) der deutschen Besteuerung und rechnete auf die hiernach festgesetzte Einkommensteuer gemäß § 34c Abs. 1 EStG 1990 die in Luxemburg einbehaltenen Quellensteuern an, die auf den Ausschüttungen lastenden luxemburgischen Körperschaftsteuern jedoch nicht. Diese wurden auch nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 36 Abs. 2 (Satz 2) Nr. 3 EStG 1990 bei den Einnahmen aus Kapitalvermögen erfasst.
Mit ihrer gegen die Einkommensteuerbescheide gerichteten Klage verfochten die Kläger ihr Begehren weiter und machten außerdem hilfsweise geltend, die Beschränkung der Steueranrechnung gemäß § 36 Abs. 2 (Satz 2) Nr. 3 EStG 1990 auf die Körperschaftsteuer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiger Körperschaften oder Personenvereinigungen verstoße gegen Gemeinschaftsrecht. Die Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 27. Juni 2001 1 K 2569/99 ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2003, 95 abgedruckt.
Ihre Revision stützen die Kläger auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen,
1. das FG-Urteil aufzuheben,
2. den geänderten Einkommensteuerbescheid 1993 vom 8. März 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. August 1999 dahin gehend zu ändern, dass die Dividendeneinnahmen des Klägers aus der Beteiligung an luxemburgischen Kapitalgesellschaften in Höhe von … € und die Dividendeneinnahmen der Klägerin aus der Beteiligung an luxemburgischen Kapitalgesellschaften in Höhe von … € von der deutschen Einkommensteuer freigestellt werden,
3. den geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 23. Februar 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. August 1999 dahin gehend zu ändern, dass die Dividendeneinnahmen des Klägers aus der Beteiligung an luxemburgischen Kapitalgesellschaften in Höhe von … € und die Dividendeneinnahmen der Klägerin aus der Beteiligung an luxemburgischen Kapitalgesellschaften in Höhe von … € von der deutschen Einkommensteuer freigestellt werden,
4. hilfsweise, den Einkommensteuerbescheid 1993 vom 8. März 1999 und den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 23. Februar 1999, beide in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 30. August 1999, dahin gehend zu ändern, dass die von den Kapitalgesellschaften in Luxemburg gezahlte Körperschaftsteuer, die der deutschen Körperschaftsteuer entspricht, bis zu einer Höhe von … € für 1993 und … € für 1996, also bis zu der Höhe, als sie auf die Dividendeneinnahmen entfällt (Aufstockungsbeträge), der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen und das FA gleichzeitig zu verpflichten, die luxemburgische Körperschaftsteuer bis zur Höhe dieser Beträge neben den von den Dividenden in Luxemburg einbehaltenen Quellensteuern auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen (Anrechnungsbeträge), oder ggf. die deutsche Einkommensteuer anderweitig festzusetzen mit dem Ziel, die wirtschaftliche Doppelbesteuerung des in Luxemburg erwirtschafteten Gewinns zu beseitigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Dieses durfte im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht darüber entscheiden, ob die Kläger, wie von diesen behauptet, in den Streitjahren Mitunternehmer einer geschäftsleitenden, gewerblichen Holding-Gesellschaft mit Betriebsstätte in Luxemburg waren, welcher die in Rede stehenden Gewinnausschüttungen der drei luxemburgischen Kapitalgesellschaften zuzurechnen waren (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990). Das FG musste das Verfahren vielmehr bis zum Ergehen einer abschließenden Entscheidung in Sachen Gewinnfeststellung dieser GbR nach § 74 FGO aussetzen. Insoweit handelt es sich um einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der vom Revisionsgericht von Amts wegen ohne entsprechende Rüge der Revisionskläger festzustellen ist (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239; vom 8. März 1994 IX R 37/90, BFH/NV 1994, 868; Senatsurteil vom 6. Dezember 1995 I R 131/94, BFH/NV 1996, 592; Senatsbeschluss vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641, jeweils m.w.N.).
1. a) Die Frage danach, ob an einkommensteuerpflichtigen Einkünften und mit ihnen in Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen mehrere Personen beteiligt sind und ob die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind, ist ―von wenigen Ausnahmen abgesehen, insbesondere in Fällen von geringer Bedeutung (vgl. § 180 Abs. 3 der Abgabenordnung ―AO 1977―)― ausschließlich im Gewinnfeststellungsverfahren gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 zu beantworten. Wegen der Kompetenzverteilung zwischen den für die Feststellung der Besteuerungsgrundlage und den für die Festsetzung der Steuer zuständigen Finanzbehörden und des aus § 86 AO 1977 sich ergebenden Legalitätsprinzips ist ein (positiver oder negativer) Feststellungsbescheid schon dann zu erlassen, wenn das Bestehen einer Mitunternehmerschaft behauptet wird oder auf Grund des (ggf. streitigen) Sachverhalts möglich erscheint (vgl. z.B. Senatsurteile vom 9. Mai 1984 I R 25/81, BFHE 141, 252, BStBl II 1984, 726; in BFH/NV 1996, 592, m.w.N.). Diese (positiven oder negativen) Feststellungen sind für einen Folgebescheid, wie den Einkommensteuerbescheid, bindend (§ 182 Abs. 1 AO 1977).
Aus diesem Grund hat das FG nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Verfahren betreffend den Folgebescheid gemäß § 74 FGO auszusetzen, wenn in ihm Einwendungen erhoben werden, über die in einem Grundlagenbescheid zu entscheiden ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Grundlagenbescheid bereits ergangen und angefochten ist oder ob ein solcher erst noch ergehen muss (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. April 1993 I B 173/92, BFH/NV 1993, 745, m.w.N.; BFH-Urteile vom 19. April 1989 X R 3/86, BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596, m.w.N.; in BFH/NV 1994, 868).
b) Nach diesen Grundsätzen konnte die Entscheidung über die Existenz der behaupteten GbR nicht in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden getroffen werden. Diese Entscheidung war vielmehr ―ggf. unter Hinzuziehung (§ 360 Abs. 3 AO 1977) bzw. Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO) der an der A-s.a.r.l. beteiligten früheren Ehefrau des Klägers― einem rechtlich vorgelagerten Feststellungsverfahren vorbehalten. Zuvor kann auch nicht über das von den Klägern geltend gemachte Hilfsbegehren ―die Anrechnung der luxemburgischen Körperschaftsteuer― entschieden werden. Das Feststellungsverfahren muss nunmehr nachgeholt werden. Zu diesem Zweck wird die Sache nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen.
2. Für das nachzuholende Verfahren weist der Senat ―allerdings ohne Bindungswirkung― auf das Folgende hin:
a) Das inländische Besteuerungsrecht für die Dividendeneinkünfte ginge gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Luxemburg zwar dann verloren, wenn die Kläger in Luxemburg als Gesellschafter einer Personengesellschaft eine Betriebsstätte und die betreffenden Einkünfte durch diese Betriebsstätte erzielt hätten (Art. 13 Abs. 5 DBA-Luxemburg). Die betreffenden Kapitaleinkünfte wären dann nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer ausgenommen.
Ob die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 5 DBA-Luxemburg erfüllt sind, erscheint nach derzeitigem Erkenntnisstand selbst dann fraglich, wenn sich die Existenz einer geschäftsleitenden Holding bestätigen sollte. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Kläger hatte die behauptete GbR die Funktion, eine Kontrolle und Koordinierung der einzelnen Arbeitsabläufe vorzunehmen, dadurch bestimmte Synergieeffekte zu nutzen und insbesondere beim Wareneinkauf die "Marktmacht" der Kapitalgesellschaften zu "bündeln". Aufgaben der GbR waren überdies die Wahrnehmung von Personalangelegenheiten, Fragen der Preispolitik, der Werbung, der Öffentlichkeitsarbeit, des Vertriebs sowie der Unternehmensstrategie. Unternehmensgegenstand einer solchen GbR ist also eine unterstützende dienstleistende Tätigkeit für die Kapitalgesellschaften und die (partielle) Wahrnehmung von deren Geschäftsleitungsaufgaben. Ihr wären damit jedoch nicht zugleich die Gewinne zuzurechnen, die diese Gesellschaften ausschütten. Denn durch den Betriebsstättenvorbehalt des Art. 13 Abs. 5 DBA-Luxemburg sollen (lediglich jene) Erträge aus Wirtschaftsgütern dem Betriebsstättenstaat zur Besteuerung zugewiesen werden, die tatsächlich von der Betriebsstätte genutzt werden und zu ihrem Betriebsergebnis beigetragen haben (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 27. Februar 1991 I R 15/89, BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444, 447; vgl. auch z.B. Urteile vom 31. Mai 1995 I R 74/93, BFHE 178, 74, BStBl II 1995, 683; vom 30. August 1995 I R 112/94, BFHE 179, 48, BStBl II 1996, 563; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 10 MA Rz. 132 ff., m.w.N.; speziell zum DBA-Luxemburg Siegers in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 13 DBA-Luxemburg Rz. 197 f.). Das aber wäre bei den Kapitalbeteiligungen nicht der Fall. Die Gewinne würden deshalb trotz Einschaltung einer solchen GbR von den Klägern unmittelbar und nicht "durch die Betriebsstätte" der GbR erzielt.
Dem steht nicht entgegen, dass die Dividenden nach deutschem Steuerrecht Teil der Anteile der Kläger an den Gewerbegewinnen der Mitunternehmerschaft darstellen können (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990). Dadurch wird eine rechtliche Zuordnung vorgenommen, welche nicht mit dem abkommensrechtlichen Erfordernis einer tatsächlichen Zugehörigkeit gleichgesetzt werden kann (vgl. Senatsurteil in BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444, 447; in BFHE 178, 74, BStBl II 1995, 683, 685; vgl. auch insoweit speziell zum DBA-Luxemburg Siegers in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 5 DBA-Luxemburg Rz. 337 und Art. 13 DBA-Luxemburg Rz. 190).
b) Sollte sich im zweiten Rechtsgang ein Besteuerungsrecht Luxemburgs an den Gewinnausschüttungen dennoch bestätigen, käme in verfahrensrechtlicher Hinsicht ggf. eine ―zusätzliche― einheitliche und gesonderte Feststellung der abkommensrechtlich steuerbefreiten Einkünfte gemäß § 180 Abs. 5 AO 1977 in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 1129436 |
BFH/NV 2004, 771 |
HFR 2004, 603 |