Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Begriff der staatlichen Genehmigung in § 4 Ziff. 14 UStG ist nicht im technisch-schulrechtlichen Sinne, sondern im Sinne einer bloßen staatlichen Erlaubnis zum Betreiben einer Privatschule zu verstehen. Die Erlaubnis ist als gegeben anzusehen, wenn eine Privatschule entweder als Ersatzschule genehmigt oder als Ergänzungsschule unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen bei der Schulbehörde angemeldet und registriert und ihre Tätigkeit nicht beanstandet worden ist.

Art. 7 Abs. 4 GG gibt den Inhalt des Ersatzschulbegriffs nicht bloß für das Gebiet des Schulrechts, sondern gemäß § 41 Abs. 4 Satz 1 UStDB auch für die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 14 UStG wieder. § 41 Abs. 4 Satz 1 UStDB ist rechtsgültig.

Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken dagegen, die Auskunft der zuständigen Schulaufsichtsbehörde darüber, ob eine Privatschule eine Ersatzschule oder eine Ergänzungsschule ist, bei der Entscheidung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB vorliegen, zugrunde zu legen.

UStG § 4 Ziff. 14, § 18 Abs. 1 Ziff. 1 und 2; UStDB § 41 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1; GG Art. 3 Abs. 1,

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 14, § 4/21, § 18 Abs. 1 Nrn. 1-2; UStDB § 41; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Bf. sind Inhaber einer in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Privatschule. Ziel der Schule ist, die Schüler auf der Grundlage des Lehrplans des wissenschaftlichen Zweiges der Oberschule, aber in kürzerer Zeit als die staatlichen Schulen gleicher Art (in Halbjahresklassen) zur Hochschulreife zu führen. Bei der Entscheidung über die Zulassung zur Reifeprüfung wird der erfolgreiche Besuch der von den Bf. betriebenen Privatschule grundsätzlich als geeignete Vorbereitung angesehen, sofern ein entsprechendes Zeugnis dieser Schule vorgelegt wird. Ihre Schüler sind von der Schulpflicht für das 10. bis 12. Schuljahr beurlaubt. Die Lehrkräfte setzten sich aus aktiven und pensionierten Studienräten, aus Studienassessoren und (in geringem Umfange) aus Studienreferendaren zusammen.

Streitig ist, ob die Bf. für ihre unmittelbar dem Schul- und Erziehungszwecke dienenden Leistungen in den Jahren 1954 und 1955 Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 14 UStG in Anspruch nehmen können. Das Finanzamt und die Vorinstanz haben die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht als gegeben angesehen und die Steuerfreiheit abgelehnt. Die Vorinstanz führt aus, der Begriff der staatlichen Genehmigung in § 4 Ziff. 14 UStG decke sich mit der Genehmigung im schulrechtlichen Sinne. Nach Mitteilung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde sei den Bf. eine Genehmigung zum Betrieb ihrer Privatschule im schulrechtlichen Sinne nicht erteilt worden. Damit fehle es schon an der ersten Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit, an dem Vorliegen einer staatlichen genehmigten privaten Schule. Außerdem sei die von den Bf. betriebene Schule keine Ersatzschule im Sinne des Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG). Der Ansicht der Schulaufsichtsbehörde, der Ersatzschulbegriff in § 4 Ziff. 14 UStG sei weiter auszulegen als der entsprechende schulrechtliche Begriff und umfasse auch bestimmte Typen von "Ergänzungsschulen" im schulrechtlichen Sinne, könne nicht gefolgt werden. Auch die Voraussetzung des § 4 Ziff. 14 UStG, daß die Schule "als Ersatz für öffentliche Schulen dient", sei daher nicht erfüllt.

 

Entscheidungsgründe

Mit der Rb. beantragen die Bf., unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Umsatzsteuerbescheide für 1954 und 1955 ersatzlos aufzuheben. Eine Begründung der Rb. ist nicht eingegangen. Der Senat hat daher die Rechtslage unter Berücksichtigung der Ausführungen der Bf. in den Vorinstanzen von Amts wegen geprüft.

Nach § 4 Ziff. 14 UStG sind die Leistungen privater Schulen nur dann umsatzsteuerfrei, wenn die Schulen

staatlich genehmigt und beaufsichtigt sind und zugleich

eine der drei nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen

wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken dienen oder

nach der Art einer Stiftung verwaltet werden oder

als Ersatz für öffentliche Schulen dienen und durch ihre Arbeit das öffentliche Schulwesen ergänzen und fördern, sofern die Entgelte die für den jeweiligen Zweck erforderlichen Selbstkosten nicht übersteigen.

Die Voraussetzungen zu b 1 und 2 (wohltätige oder gemeinnützige Zwecke, Verwaltung nach Art einer Stiftung) liegen bei der Privatschule der Bf. unstreitig nicht vor. Der Streit geht nur darum, ob ihre Schule staatlich genehmigt ist (a) und als Ersatz für öffentliche Schulen dient (b 3).

Die Auffassung der Vorinstanz, der Begriff der staatlichen Genehmigung in § 4 Ziff. 14 UStG decke sich mit dem technischen Begriffe der Genehmigung im schulrechtlichen Sinne, erscheint bedenklich. Nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG bedürfen nur "private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen" (sogenannte Ersatzschulen) der Genehmigung des Staates. Hieraus und aus der "Gewährleistung des Rechts zur Errichtung von privaten Schulen" in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG ist zu schließen, daß für die anderen privaten Schulen (sogenannte Ergänzungsschulen) keine Genehmigungspflicht im technischen Sinne, sondern nur eine Anzeigepflicht besteht (vgl. von Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Anm. VI 7 zu Art. 7 und das dort angegebene Schrifttum; anderer Ansicht Stein, Neue Juristische Wochenschrift 1950 S. 658, 660). Außerdem würde die Steuerfreiheit für private Schulen, die wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken dienen oder nach der Art einer Stiftung verwaltet werden, praktisch entfallen, obwohl sie in § 4 Ziff. 14 UStG ausdrücklich vorgesehen ist, weil es sich insoweit in der Regel um genehmigungsfreie Ergänzungsschulen handelt. Der Senat versteht daher den Begriff der staatlichen Genehmigung in § 4 Ziff. 14 UStG nicht im technisch-schuldrechtlichen Sinne, sondern im Sinne einer bloßen staatlichen Erlaubnis zum Betreiben einer Privatschule und sieht diese als gegeben an, wenn eine Privatschule entweder als Ersatzschule genehmigt oder als Ergänzungsschule unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen bei der Schulbehörde angemeldet und registriert und ihre Tätigkeit nicht beanstandet wird. Da die zweite Alternative im Streitfalle vorliegt, ist die Voraussetzung der staatlichen Genehmigung als erfüllt anzusehen.

Dagegen fehlt es an der weiteren Voraussetzung des § 4 Ziff. 14 UStG, daß die Privatschule der Bf. "als Ersatz für öffentliche Schulen dient und durch ihre Arbeit das öffentliche Schulwesen ergänzt und fördert". Schulen dieser Art sind nämlich nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 41 Abs. 4 Satz 1 UStDB die Ersatzschulen im Sinne des Art. 7 Abs. 4 GG. Nach Satz 3 dieser Vorschrift ist die Genehmigung als Ersatzschulen zu erteilen, "wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird". Diese Bestimmung gibt den Inhalt des Ersatzschulbegriffes nicht bloß für das Gebiet des Schulrechts, sondern gemäß § 41 Abs. 4 Satz 1 UStDB auch für die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 14 UStG wieder. Es geht nicht an, dem Ersatzschulbegriffe für die Umsatzsteuer einen anderen (weiteren) Inhalt zu geben, als Art. 7 Abs. 4 GG vorschreibt, und bestimmte Ergänzungsschulen, die zwar den öffentlichen Schulen nicht voll entsprechen, deren Arbeit aber im Verhältnis zum öffentlichen Schulwesen förderlich ist, so daß ihre Schüler von der Schulpflicht beurlaubt werden können, einzubeziehen.

Eine solche ausdehnende Auslegung des Ersatzschulbegriffes für umsatzsteuerliche Zwecke wäre nur möglich, wenn § 41 Abs. 4 Satz 1 UStDB rechtsungültig wäre. Davon kann aber keine Rede sein. Die Vorschrift wird durch die Ermächtigungen des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 UStG, die im UStG verwendeten Begriffe näher zu bestimmen, und des § 18 Abs. 1 Ziff. 2 UStG, über den Umfang der Befreiungen und Steuerermäßigungen Bestimmungen zu treffen, gedeckt (über die Rechtsgültigkeit des § 18 Abs. 1 Ziff. 2 UStG siehe Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 21/56 vom 11. Februar 1958, BGBl I S. 154). Es ist auch schwer verständlich, warum gerade eine Vorschrift rechtswidrig sein sollte, die auf das GG verweist. Die etwas umständliche Umschreibung des Ersatzschulbegriffes in § 4 Ziff. 14 UStG (Schulen, die "als Ersatz für öffentliche Schulen dienen und durch ihre Arbeit das öffentliche Schulwesen ergänzen und fördern") dürfte - worauf schon die Vorinstanz hingewiesen hat - auf das Bestreben, den Begriff möglichst genau zu umschreiben, zurückzuführen sein.

Die Rechtsunwirksamkeit des § 41 Abs. 4 UStDB ist auch nicht daraus herzuleiten, daß der Kreis der begünstigten Ersatzschulen von der Ausgestaltung und Planung des öffentlichen Schulwesens in den einzelnen Ländern abhängt und daß dadurch unterschiedliche Umsatzsteuerbelastungen eintreten können. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird durch eine unterschiedliche Umsatzbesteuerung, die auf eine unterschiedliche Schulgesetzgebung in den einzelnen Ländern zurückgeht, nicht verletzt. Der Gleichheitsgrundsatz verbiete nur, daß ohne zureichenden Grund wesentlich Gleiches bei gleicher tatsächlicher Lage ungleich behandelt wird (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 668/52 vom 17. Juni 1953, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 2 S. 336, 340, und 1 BvR 328/52 vom 19. April 1954, BVerfGE Bd. 3 S. 377 - 383, insbesondere S. 380). Wesentlich Ungleiches ist dagegen entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich zu behandeln (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvG 1/51 vom 23. Oktober 1951, BVerfGE Bd. 1 S. 14, 52). Eine verschiedene Ausgestaltung und Planung des öffentlichen Schulwesens in den einzelnen Ländern bewirkt im Hinblick auf das Umsatzsteuerrecht eine ungleiche tatsächliche Lage, die mittelbar zu einer unterschiedlichen Besteuerung führen kann, ohne daß dadurch gegen das im GG verankerte Gerechtigkeitsgebot und Willkürverbot verstoßen wird.

Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß die Vorinstanz die Mitteilung der obersten für die Volksbildung zuständigen Behörde vom 4. Dezember 1958, die Schule der Bf. sei keine Ersatzschule im schulrechtlichen Sinne, seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Die Mitteilung stellt eine gutachtliche äußerung dar, die, weil sie von einer in diesen Fragen zuständigen Behörde ergangen ist, eine wesentliche Grundlage für die Beurteilung der Streitfrage bildet, von der nur abzuweichen ist, wenn gewichtige Gründe, die auch im Wege des gegenseitigen Benehmens nicht geklärt werden können, dagegen sprechen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 52/50 U vom 1. März 1951, BStBl 1951 III S. 120, Slg. Bd. 55 S. 311; I 103/52 U vom 11. November 1952, BStBl 1953 III S. 9, insbesondere S. 11, Slg. Bd. 57 S. 22, insbesondere S. 27). Aber auch die eigene Prüfung durch den Senat ergibt, daß die Privatschule der Bf. keine Ersatzschule im Sinne des Art. 7 Abs. 4 GG und des § 4 Ziff. 14 UStG ist. Die Genehmigung als Ersatzschule ist der privaten Vorbereitungsanstalt der Bf. deshalb versagt worden, weil sie den Unterrichtsstoff in einer kürzeren Zeit als die öffentlichen Schulen erarbeiten will und daher in der Lehrgangsdauer von diesen abweicht und weil ihre äußere Einrichtung nicht der an den örtlichen Oberschulen üblichen entspricht. Die Gleichwertigkeit der (inneren und äußeren) Einrichtungen der Privatschulen eine sehr viel geringere ist als die des Heimathafens für Schiffe. Im wesentlichen beschränkt sich die Bedeutung des Heimatbahnhofes darauf, daß die fraglichen Güterwagen nach Beendigung eines Transportes dorthin zurückgesandt werden, falls der Besitzer der Wagen nicht vorher eine andere Transportadresse für sie bestimmt. Der Heimatbahnhof ist demnach nichts anderes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410350

BStBl III 1962, 151

BFHE 1962, 403

BFHE 74, 403

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