Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Laufende Bürgschaftsprovisionen sind beim Nichtgewerbetreibenden wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Ziff. 1 Satz 1 EStG.
Normenkette
EStG § 22 Ziff. 1, § 22/3
Tatbestand
Streitig ist die Einkommensteuerpflicht von Bürgschaftsprovisionen, die die Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Erben (Bf.) in den Jahren 1956 und 1957 erhalten hat. Die Erblasserin hatte sich als geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH in Höhe von 100.000 DM für einen laufenden Geschäftskredit der GmbH gegenüber einer Bank verbürgt und ihr Wertpapierdepot verpfändet. Das Finanzamt zog die Bürgschaftsprovisionen, die die Erblasserin laufend von der GmbH bezog, als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Ziff. 1 EStG 1955 zur Einkommensteuer heran.
Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht stützte seine Entscheidung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs IV 45/43 vom 9. März 1944 (RStBl 1944 S. 587). Es führte aus, laufende Bürgschaftsprovisionen seien bei Nichtgewerbetreibenden wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Ziff. 1 EStG, auch wenn ihre Höhe infolge der Tilgung des verbürgten Darlehens veränderlich sei.
Mit der Rb. rügen die Bf. unrichtige Rechtsanwendung. Sie bestreiten nicht, daß der Sachverhalt der vom Reichsfinanzhof entschiedenen Sache IV 45/43 a. a. O. mit dem vorliegenden Sachverhalt übereinstimmt. Sie erheben aber gegen das Urteil des Reichsfinanzhofs Bedenken und halten auch das Ergebnis für unbillig.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Mit Recht hat das Finanzgericht die Provisionen als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG behandelt. Für die Zurechnung zu einer anderen Einkunftsart kämen am ehesten die Einkünfte aus Kapitalvermögen (ß 20 EStG) in Betracht. Bürgschaftsprovisionen fallen aber nicht unter eine der in Abs. 1 des § 20 EStG aufgezählten Arten von Einnahmen. Sie zählen auch nicht zu den "besonderen Entgelten oder Vorteilen" nach § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG, die nur dann Einkünfte aus Kapitalvermögen sind, wenn sie neben den in § 20 Abs. 1 EStG bezeichneten Einkünften oder an deren Stelle gewährt werden.
In dem Urteil IV 45/43 a. a. O. hat der Reichsfinanzhof Gewicht auf die wiederkehrende Natur der laufenden Bürgschaftsprovisionen gelegt und darauf abgestellt, daß laufende Provisionen die Form wiederkehrender Bezüge nach den Eingangsworten der Ziff. 1 des § 22 EStG erfüllen.
Der Begriff "wiederkehrende Bezüge" setzt voraus, daß die Bezüge einem Steuerpflichtigen in bestimmten Zeiträumen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit und für eine gewisse Dauer zufließen und daß sie auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage oder einem einheitlichen Entschluß beruhen. Diese Voraussetzungen konnte das Finanzgericht bei den laufenden Bürgschaftsprovisionen, wie sie der Erblasserin der Bf. zugeflossen waren, als erfüllt ansehen. Der Reichsfinanzhof hat eine einschränkende Auslegung des Begriffs abgelehnt, die auch die Bf. deswegen fordern, weil Kapitalverluste bei Bürgschaften einkommensteuerlich nicht abzugsfähig sind. Auch ein Darlehnsgläubiger, der seine Forderung einbüßt, kann den Kapitalverlust bei der Einkommensteuer nicht absetzen. Der Reichsfinanzhof hat mit Recht hervorgehoben, daß bei einem Darlehen und bei einer Bürgschaft die Kapitalkraft genutzt wird. Demgegenüber haben die Bf. auf die erheblichen sonstigen Unterschiede zwischen Darlehen und Bürgschaft hingewiesen. Selbst wenn man ihnen insoweit folgt, läßt sich daraus nicht der Schluß ziehen, daß Bürgschaftsprovisionen nicht der Einkommensteuer unterlägen, weil sie von den nach § 20 Abs. 1 Ziff. 4 EStG ausdrücklich der Einkommensteuer unterworfenen Darlehnszinsen wesensverschieden sind. Bürgschaftsprovisionen rechnen eben zu einer anderen Einkunftsart als Darlehnszinsen.
Die Bf. erblicken in der Auffassung des Reichsfinanzhofs, daß Bürgschaftsprovisionen nur als wiederkehrende Bezüge einkommensteuerpflichtig, als einmalige Zahlung jedoch einkommensteuerfrei seien, einen Verstoß gegen die steuerliche Gleichmäßigkeit. Daß der Reichsfinanzhof laufende und einmalige Bürgschaftsprovisionen unterschiedlich behandelt, läßt sich wohl aus der im Urteil IV 45/43 a. a. O. angeführten amtlich nicht veröffentlichten Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 119/42 vom 11. Februar 1943 (Steuer und Wirtschaft 1943 Nr. 105) - dort besprochen von Zitzlaff (Sp. 445) und Schefold (Sp. 447) - entnehmen. Der Senat würde Bedenken haben, sich hinsichtlich einmaliger Bürgschaftsprovisionen ohne weiteres der Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs anzuschließen. Er braucht aber im vorliegenden Verfahren nicht abschließend zu dieser Frage im Zusammenhang mit § 22 Ziff. 3 EStG 1955 Stellung zu nehmen. Für laufende Bürgschaftsprovisionen sieht der Senat jedenfalls keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs abzuweichen.
Fundstellen
Haufe-Index 410733 |
BStBl III 1963, 141 |
BFHE 1963, 382 |
BFHE 76, 382 |