Leitsatz (amtlich)
Bei der Fortschreibung des Einheitswerts eines Grundstücks wegen Flächenveränderung ist die Änderung des Gebäudebestandes zu berücksichtigen, wenn sich die Gebäude auf der abgehenden oder zugehenden Fläche befinden.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 22 Abs. 1 Nr. 1; ÄndG-BewG 1965 Art. 2 Abs. 4; StÄndG 1969 Art. 7 § 3
Tatbestand
Die Klägerin war Eigentümerin eines Geschäftsgrundstücks. Für dieses Grundstück hat das FA (Beklagter und Revisionskläger) zuletzt zum 1. Januar 1967 einen Einheitswert von 792 800 DM festgestellt. Im Jahre 1967 veräußerte die Klägerin eine Teilfläche von 5 755 qm einschließlich der darauf befindlichen Betriebsgebäude. Das FA führte aufgrund dieser Veräußerung eine Wertfortschreibung zum 1. Januar 1968 durch und stellte den Einheitswert mit 767 700 DM fest. Bei dieser Feststellung hat das FA lediglich den Flächenabgang von 5 755 qm mit einem Wertanteil von 28 755 DM unter Anwendung der Wertzahl 87 berücksichtigt. Dagegen hat es den Gebäudeabgang außer Betracht gelassen, weil die dadurch bedingte Wertminderung zusammen mit dem Flächenabgang nicht mehr als 1/4 des zuletzt festgestellten Einheitswertes betrug. Die 1967 veräußerten Gebäude hatten einen Sachwert von 94 727 DM; außerdem war bei der Feststellung zum 1. Januar 1967 nicht berücksichtigt worden, daß im Jahre 1966 eine Steinbaracke mit einem Sachwert von 2 547 DM veräußert worden war.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Auf die Klage hob das FG die Einspruchsentscheidung und den Feststellungsbescheid des FA auf und stellte den Einheitswert für das Geschäftsgrundstück der Klägerin zum 1. Januar 1968 auf 683 100 DM fest. Das FG vertrat die Auffassung, durch die Flächenänderung und die Änderung im Gebäudebestand mit einer Wertabweichung von insgesamt 109 700 DM von dem zuletzt festgestellten Einheitswert seien die Wertgrenzen überschritten, so daß bei der Fortschreibung zum 1. Januar 1968 auch die Änderung des Gebäudebestandes berücksichtigt werden konnten.
Die Revision des FA rügt, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, durch das StÄndG 1969 (BGBl I 1969, 1211; BStBl I 1969, 477) seien mit Rückwirkung die durch Art. 2 Abs. 4 des ÄndG-BewG 1965 (BGBl I 1965, 851; BStBl I 1965, 375) erhöhten Wertgrenzen für Wertfortschreibungen auf die Feststellungszeitpunkte vom 1. Januar 1966 bis 1. Januar 1969 aufgehoben worden. Denn das StÄndG 1969 befasse sich lediglich mit Fortschreibungen auf die Feststellungszeitpunkte 1970 und 1971 und berühre die Vergangenheit nicht. Damit sei aber davon auszugehen, daß eine Wertfortschreibung des Einheitswertes für das Grundstück der Klägerin aus anderen Gründen als der Flächenveränderung nicht möglich sei. Denn die Wertabweichung überschreite, soweit sie auf anderen Gründen als der Flächenänderung beruhe, nämlich auf der Veränderung des Gebäudebestandes, nicht die am 1. Januar 1968 maßgebende Bruchteilgrenze von 1/4 des bisher festgestellten Einheitswertes. Damit könne die Änderung des Gebäudebestandes nicht berücksichtigt werden. Dabei sei es unbeachtlich, ob sich die Gebäude auf oder außerhalb der veräußerten Fläche befänden. Denn die Flächenfortschreibung stelle nur auf die Veränderung der Grundfläche ab und nicht auf eine damit verbundene Änderung des Gebäudebestandes. Folglich könne bei der Fortschreibung wegen Flächenänderung auch nur die Änderung der Bodenfläche berücksichtigt werden. Das Verhältnis von Fortschreibung wegen Flächenänderung und Fortschreibung wegen Wertänderung aus sonstigen Gründen beim Grundbesitz sei ähnlich wie das Verhältnis von Neuveranlagung wegen Änderung der Freibeträge und Neuveranlagung wegen Änderung des Vermögens bei der Vermögensteuer.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Sie ist der Meinung, die zu entscheidende Frage sei im vorliegenden Fall nicht, ob eine Fortschreibung wegen Flächenveränderung mit einer Fortschreibung aus anderen Gründen verbunden werden könne, sondern in welchem Umfang eine Fortschreibung wegen Flächenänderung durchzuführen sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach § 225a AO wird der Feststellungsbescheid über den Einheitswert durch einen neuen Feststellungsbescheid ersetzt, wenn die Voraussetzungen des § 22 BewG für eine Fortschreibung vorliegen. Der Einheitswert für ein Grundstück ist nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewG fortzuschreiben, wenn der sich für einen späteren Feststellungszeitpunkt ergebende Wert entweder um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 1 000 DM, oder um mehr als 100 000 DM von dem zuletzt festgestellten Einheitswert abweicht. Art. 2 Abs. 4 ÄndG-BewG 1965 hat diese Wertgrenzen für Feststellungszeitpunkte ab dem 1. Januar 1966 auf 1/4, mindestens aber 3 000 DM, oder mehr als 200 000 DM verändert. Rechtsgrundlage für die Wertfortschreibung blieb jedoch nach wie vor § 22 BewG. Art. 7 § 3 StÄndG 1969 hat Art. 2 Abs. 4 ÄndG-BewG 1965 dahingehend abgeändert, daß für Wertfortschreibungen auf die Feststellungszeitpunkte 1. Januar 1970 und 1. Januar 1971 Wertabweichungen von mehr als 1/4, bei Wertabweichungen nach unten mindestens aber 3 000 DM und bei Wertabweichungen nach oben mindestens aber 50 000 DM erforderlich sind; außerdem soll wie bisher eine Wertfortschreibung bei Überschreiten der absoluten Grenze von 200 000 DM möglich sein. Diese Änderung trat am 22. August 1969 in Kraft (vgl. Art. 7 § 5 StÄndG 1969 und das Ausgabedatum des BGBl I 1969 Nr. 79). Rechtsgrundlage für die Wertfortschreibung blieb auch nach dieser Änderung § 22 BewG unter Berücksichtigung der ab 1. Januar 1970 veränderten Mindestgrenzen. Damit beruht die Rechtsauffassung des FG auf einem Irrtum, die Änderung des Art. 2 Abs. 4 ÄndG-BewG 1965 durch Art. 7 § 3 StÄndG 1969 habe bewirkt, daß ab dieser Änderung mit Rückwirkung unter anderem für Fortschreibungen auf den 1. Januar 1968 wieder die unveränderten Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewG anzuwenden seien. Dies ergibt sich allein schon daraus. daß diese Änderung erst am 22. August 1969 in Kraft getreten ist und folglich ohne ausdrückliche Anordnung die bis dahin geltende Fassung für frühere Feststellungszeitpunkte nicht mit Rückwirkung aufheben konnte.
2. Die Revision des FA ist aber deshalb unbegründet, weil die Entscheidung des FG auch gerechtfertigt ist, wenn man von den erhöhten Wertgrenzen für Wertfortschreibungen aus anderen Gründen als Flächenveränderungen ausgeht (§ 126 Abs. 4 FGO). Denn der Gebäudeabgang ist entsprechend der Hilfsbegründung des FG bei der Wertfeststellung zum 1. Januar 1968 auch dann zu berücksichtigen, wenn lediglich die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung wegen Flächenveränderung gegeben sind.
§ 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG unterscheidet für die Fortschreibung der Einheitswerte des Grundbesitzes zwischen der Fortschreibung wegen Verkleinerung oder Vergrößerung der Grundstücksfläche (Satz 2) und der Fortschreibung aus sonstigen Gründen (Satz 1). Die Änderung des Gebäudebestandes kann grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des Satzes 1 des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu einer Wertfortschreibung führen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Wertfortschreibung wegen Flächenänderung und die Wertfortschreibung aus sonstigen Gründen zwei selbständig nebeneinander stehende Möglichkeiten der Wertfortschreibung. Für jede dieser Fortschreibungsmöglichkeiten ist getrennt zu prüfen, ob ihre Voraussetzungen gegeben sind (Entscheidungen des BFH III 99/64 U vom 9. Oktober 1964, BFH 80, 458, BStBl III 1964, 640, und III 385/61 vom 5. März 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966 S. 88 - HFR 1966, 88 -). Dabei ist es zweckmäßig, zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung aus sonstigen Gründen im Sinn des Satzes 1 des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG vorliegen. Bei dieser Prüfung müssen Flächenänderungen außer Betracht bleiben. Sind die Wertabweichungen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewG gegeben, so sind bei der Durchführung der Wertfortschreibung alle Gründe der Wertabweichung von den zuletzt festgestellten Einheitswerten zu berücksichtigen, also auch Flächenabweichungen (BFH-Entscheidung III R 8/70 vom 1. Oktober 1971, BFH 104, 142, BStBl II 1972, 164). Sind die Voraussetzungen einer Wertfortschreibung nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewG dagegen nicht erfüllt und hat auch eine Flächenveränderung stattgefunden, so ist weiter zu prüfen, ob durch die Abweichung der Grundstücksfläche von der Fläche, die der letzten Wertfeststellung zugrunde lag, die besondere Wertgrenze für eine Wertfortschreibung wegen Vergrößerung oder Verkleinerung der Grundstücksfläche erreicht wird. Dabei kommt es in diesem Verfahren nicht darauf an, ob im Fall der Bebauung der abgehenden oder zugehenden Grundstücksfläche mit Gebäuden die Wertgrenze des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BewG an dem Wert der reinen Bodenfläche oder an dem Wert der Bodenfläche einschließlich der aufstehenden Gebäude zu messen ist; denn im Entscheidungsfall wird allein durch die abgehende reine Bodenfläche die für eine Wertfortschreibung erforderliche Wertgrenze von 1 000 DM weit überschritten. Damit war eine Wertfortschreibung wegen Verkleinerung der Grundstücksfläche durchzuführen.
Bei dieser Wertfortschreibung kann nach der oben zitierten Rechtsprechung des Senats nur die Wertänderung berücksichtigt werden, die durch die Flächenänderung hervorgerufen wird. Der Senat hat diese Auffassung in der Entscheidung III 99/64 U insbesondere auf den Zweck der Vorschrift gestützt, die einerseits eine doppelte Besteuerung derselben Grundfläche und andererseits einen Ausfall dieser Fläche für die Besteuerung vermeiden solle. Nach § 50 Abs. 1 BewG gehören zum Grundvermögen aber nicht nur die Grundstücksfläche, sondern auch die Bestandteile des Grund und Bodens, insbesondere die Gebäude. Der Begriff "Bestandteil" in § 50 BewG ist nach der Rechtsprechung des Senats nach bürgerlichem Recht auszulegen (vgl. Entscheidung des BFH III R 10/69 vom 18. Juni 1971, BFH 102, 298, BStBl II 1971, 618). Gebäude sind danach grundsätzlich wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens (§ 94 BGB; wegen der Ausnahme vgl. § 95 BGB). Unter Berücksichtigung des oben erläuterten Zwecks der Fortschreibung wegen Flächenänderung und des Umstandes, daß Gebäude bürgerlich-rechtlich wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens sind, kommt der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Klägerin zu dem Ergebnis, daß bei einer Fortschreibung wegen Flächenänderung auch die Wertänderungen mit zu berücksichtigen sind, die durch den Abgang oder Zugang der sich auf der abgehenden oder zugehenden Fläche errichteten Gebäude ausgelöst werden. Das FG hat also zu Recht den Einheitswert des Geschäftsgrundstücks der Klägerin zum 1. Januar 1968 unter Berücksichtigung des Abgangs an Grundstücksflächen einschließlich der auf den abgehenden Flächen befindlichen Gebäude festgestellt. Der vom FA herangezogene Vergleich mit den beiden Neuveranlagungsgründen des § 13 Abs. 1 VStG geht deshalb fehl, weil diese unterschiedliche Bezugsgrößen haben; die Voraussetzungen der Nr. 1 beziehen sich auf das Gesamtvermögen oder das Inlandsvermögen, während Nr. 2 die persönlichen Verhältnisse für die Gewährung der Freibeträge betrifft. Die beiden Möglichkeiten der Wertfortschreibung des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG haben aber als Bezugsgröße immer den zuletzt festgestellten Einheitswert.
Das FG konnte auch die Veräußerung der Steinbaracke im Jahr 1966 noch mit berücksichtigen, denn dieser Abgang hätte schon in die Wertfeststellung zum 1. Januar 1967 infolge Flächenverkleinerung eingehen müssen. Damit sind für die Berücksichtigung des Abgangs dieser Steinbaracke im Rahmen der Fortschreibung zum 1. Januar 1968 die Voraussetzungen für eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung gegeben. Die Voraussetzungen für die kombinierte Wertfortschreibung zur Berücksichtigung tatsächlicher Flächenänderungen und zur Beseitigung von Fehlern bei Durchführung einer Fortschreibung wegen früherer Flächenänderungen sind einheitlich und gemeinsam zu prüfen; denn bei der Wertfortschreibung wegen tatsächlicher Änderungen und der Wertfortschreibung zur Fehlerbeseitigung handelt es sich um denselben Fall der Wertfortschreibung, nämlich um eine Fortschreibung wegen Flächenänderung. Die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BewG in der am 1. Januar 1968 geltenden Fassung des Art. 2 Abs. 4 ÄndG-BewG 1965 sind aber, wie oben festgestellt wurde, erreicht.
Fundstellen
Haufe-Index 413159 |
BStBl II 1972, 482 |
BFHE 1972, 151 |