Leitsatz (amtlich)
1. Tilgt die Ehefrau eines Gemeinschuldners, die nicht dessen betrieblicher Rechtsnachfolger ist, Konkursschulden ihres Ehemannes, weil die früheren Lieferanten ihre Lieferungen an sie hiervon abhängig machen, so sind diese Leistungen dennoch nicht betrieblich veranlaßt und daher keine Betriebsausgaben.
2. Die Tilgung eines Darlehens durch einen Ehegatten kann jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn die Leistungen, wären sie vom anderen Ehegatten erbracht worden, bei diesem als Betriebsausgabe nach § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht abzugsfähig wären.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 33 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin tilgte im Streitjahr 1958 mit betrieblichen Mitteln 10 686,96 DM Schulden ihres im Jahre 1952 in Konkurs gefallenen Ehemannes. Sie wies in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1958 eine Forderung in dieser Höhe aus, die sie in gleicher Höhe wertberichtigte. Das FA hat diese Wertberichtigung nicht anerkannt und den Gewinn entsprechend erhöht. Zu dem Geschehensablauf hat das FG im einzelnen festgestellt, daß das von dem Ehemann der Klägerin betriebene Großhandelsgeschäft mit Elektroartikel im Jahre 1952 in Konkurs gefallen sei und daß erhebliche Lieferantenverbindlichkeiten nicht gedeckt werden konnten. Die Klägerin habe Ende 1952 unter ihrem Namen eine Großhandlung mit Elektroartikeln gegründet. Der Kundenstamm und die Lieferanten seien im wesentlichen dieselben wie bei dem Unternehmen des Ehemannes gewesen. Geschäftsführer des neuen Unternehmens sei der Ehemann der Klägerin geworden. In der Eröffnungsbilanz des neuen Unternehmens seien die Verbindlichkeiten des Unternehmens des Ehemannes nicht ausgewiesen gewesen. Als Berufungsbegründung der Kläger hat das FG in seinem Urteil u. a. noch aufgenommen, daß die früheren Lieferanten die Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen zumeist von der Rückzahlung der alten Verbindlichkeiten abhängig gemacht hätten und daß es für die Klägerin unumgänglich gewesen sei, die früheren Verbindlichkeiten zu tilgen, weil das Geschäft nur mit den gängigen Erzeugnissen einiger großer Herstellerfirmen hätte aufgebaut und geführt werden können. Das FG knüpfte hieran die Rechtsfolge, daß die Zahlungen der Klägerin Betriebsausgaben gewesen seien, auch wenn eine Schuldübernahme oder ein Schuldübergang der früheren Verbindlichkeiten auf die Klägerin nicht erfolgt sei. Die Klägerin habe diese Leistungen erbringen müssen, damit sie von den betreffenden Firmen überhaupt beliefert wurde. Mit der fortlaufenden Tilgung sei jedoch in dem neuen Unternehmen ein Firmenwert geschaffen worden, der entsprechend der jährlichen Leistung anwachse. Dieser Firmenwert unterliege keinem Verbrauch, so daß eine Abschreibung nicht in Betracht komme.
Das FG lehnte des weiteren - unter Hinweis auf § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG - die Tilgung eines von der Klägerin zurückgezahlten Darlehens, das der Firma X 1952 von einem Kloster gewährt worden war, als außergewöhnliche Belastung ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 5, 6 und 33 EStG. Im einzelnen trägt die Klägerin vor: Es widerspreche sowohl handelsrechtlichen als auch betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, für die Tilgungsleistungen einen Geschäftswert zu aktivieren. Wenn überhaupt, läge kein derivativer, sondern allenfalls ein originärer Geschäftswert vor, der aber nicht aktiviert werden dürfe. Es sei im übrigen daran festzuhalten, daß die Tilgungsleistungen laufende Betriebsausgaben seien.
Die Klägerin wiederholt auch ihr Vorbringen hinsichtlich der Anerkennung ihrer Rückzahlung des Darlehens als außergewöhnliche Belastung, macht indessen nunmehr weiter geltend, daß das Darlehen nicht ausschließlich für betriebliche Zwecke, sondern auch zur Sicherstellung der wirtschaftlichen Lage der neunköpfigen Familie gedient habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 1962 und des Einkommensteuerbescheids vom 5. Mai 1961 auf 168 DM festzusetzen, hilfsweise, die Rückzahlung des Darlehens als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es vertritt ebenfalls die Auffassung, daß durch die sogenannte Altschuldentilgung kein aktivierungsfähiger Firmenwert entstanden sei. Die Zahlungen der Klägerin könnten überhaupt nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, weil sie nicht betrieblich, sondern privat veranlaßt seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet. Die Entscheidungsgründe des finanzgerichtlichen Urteils verletzen zwar § 4 Abs. 4 EStG; die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar, so daß die Revision als unbegründet zurückzuweisen ist (§ 126 Abs. 4 FGO).
Ausgangspunkt für die Vorentscheidung war die Annahme des FG, daß die Zahlungen der Klägerin an die Lieferanten zum Zwecke der Tilgung von Verbindlichkeiten ihres in Konkurs geratenen Ehemannes Betriebsausgaben gewesen seien (§ 4 Abs. 4 EStG). Die Vorinstanz hat zwar nicht ausdrücklich festgestellt, daß die Lieferanten ihre Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zu der Klägerin von diesen Zahlungen abhängig machten. Sie hat jedoch bei der rechtlichen Würdigung diese - insoweit auch unwidersprochene - Behauptung der Klägerin in ihre Überlegungen miteinbezogen. Da seitens des FA hiergegen zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht worden sind, muß mit für den BFH bindender Wirkung davon ausgegangen werden, daß derartige Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren Lieferanten getroffen worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).
Das FG hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß die als Folge dieser Vereinbarungen von der Klägerin erbrachten Leistungen betrieblich veranlaßt gewesen seien. Diese beruhten vielmehr auf privater Grundlage; sie hatten ihre Veranlassung in den ehelichen Beziehungen der Kläger. Der Umstand, daß die Lieferanten ihre Lieferbereitschaft mit der jeweiligen Verpflichtung der Klägerin, Zug um Zug die Konkursschulden ihres Mannes zu tilgen, verknüpften, reicht nicht aus, in den Schuldtilgungen betrieblich veranlaßte Zahlungen und damit Betriebsausgaben der Klägerin anzuerkennen. Es ist schon fraglich, ob man in dieser Verknüpfung der Vorgänge nicht bloß einen rein rechtlichen Zusammenhang zu sehen hätte, der für die Annahme einer Veranlassung durch den Betrieb der Klägerin nicht genügen würde. Denn der Begriff der Veranlassung im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG setzt einen inneren wirtschaftlichen Zusammenhang voraus. Obwohl es naheliegt, das Vorliegen eines solchen zu verneinen und bloß einen rechtlichen Zusammenhang anzunehmen, weil die Tilgung der Konkursschulden ihres Mannes durch die Klägerin aus deren Betrieb nur schwer erklärbar ist, kann eine endgültige Stellungnahme zu dieser Frage unterbleiben. Denn selbst wenn man eine betriebliche Veranlassung bejahte, so ist doch zu berücksichtigen, daß gleichzeitig ins Gewicht fallende außerbetriebliche Gründe bei der Klägerin mitwirkten, so daß die Zahlungen mangels der Möglichkeit, nach betrieblich und außerbetrieblich leicht zu trennen, in vollem Umfang als in der privaten Sphäre entstanden beurteilt werden müssen (BFH-Entscheidungen Gr. S. 2/70, 3/70 vom 19. Oktober 1970, BFH 100, 309, 317, BStBl II 1971, 17, 21). Schon aus diesem Grunde sind die das BFH-Urteil I 173/59 vom 16. Februar 1960 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 307) tragenden Überlegungen auf den Streitfall nicht anwendbar. Es ist davon auszugehen, daß sich die Klägerin zur Bezahlung der Konkursschulden eines fremden Dritten nicht bereit gefunden hätte. Es kann ferner davon ausgegangen werden, daß die Lieferanten an die Klägerin ein solches Ansinnen nicht gestellt hätten, wenn es sich bei dem Schuldner um einen für die Klägerin fremden Dritten gehandelt hätte. Die Verpflichtung der Klägerin ist zumindest wesentlich mit aus dem Bestehen des ehelichen Bandes zwischen ihr und dem Gemeinschuldner zu erklären. Aufgrund dieses besonders nahen persönlichen Verhältnisses der Klägerin zum Gemeinschuldner fühlte sich diese moralisch verpflichtet, wenigstens in den Fällen, in denen sie selbst wieder mit den im Konkurs ausgefallenen Lieferanten ihres Mannes Geschäfte machen wollte, die Schulden ihres Mannes Zug um Zug mit dem Abschluß von Lieferungsgeschäften zu tilgen. Dies ergibt sich eindeutig aus den Aussagen des Mannes in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, wie sie die Niederschrift, die gemäß §§ 155 FGO, 561 Abs. 1 Satz 2 ZPO ebenso wie der festgestellte Sachverhalt im Urteil des FG der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt, wiedergibt, wenn es darin heißt: "... Es wäre ja nicht gut möglich gewesen, den Standpunkt zu vertreten, der in Konkurs gegangene Ehemann gehe sie nichts an und bei den Lieferanten des Ehemannes wieder neue Schulden zu machen". Wenn es sich auch nur um Fälle handelt, in denen die Gläubiger des Mannes in ihrer Eigenschaft als Geschäftspartner des von der Klägerin ins Leben gerufenen Großhandelsbetriebs in den Genuß der Tilgungszahlungen auf die Konkursschulden kommen sollten, woraus man einen Zusammenhang mit dem Betrieb der Klägerin ableiten könnte, so kann doch die mitwirkende Veranlassung aus dem persönlichen Bereich der Klägerin nicht unbeachtet bleiben. Sie kann nicht als von untergeordneter Bedeutung angesehen werden, sie steht mindestens gleichwertig neben der betrieblichen Veranlassung bzw. ist mit ihr aufs engste und untrennbare verknüpft.
Der Ehemann der Klägerin führte in der mündlichen Verhandlung vor dem FG lt. Niederschrift hierüber auch aus, mit der Schuldentilgung habe der Makel auf dem Namen X beseitigt werden sollen. Auch das läßt im Streitfall nur den Schluß zu, daß hier eine wesentliche private Veranlassung mitwirkte. Aufwendungen zur Wahrung oder Wiederherstellung des guten Rufs eines Kaufmanns sind nur dann betrieblich veranlaßt und somit Betriebsausgaben, wenn die Aufwendungen im Interesse des geschäftlichen Rufs gemacht werden (BFH-Urteile IV 376/62 U vom 12. März 1964, BFH 79, 524, BStBl III 1964, 424; I 382/61 U vom 22. April 1964, StRK, Einkommensteuergesetz, § 4 Rechtsspruch 674; I 390/60 vom 2. September 1964, StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 715). Daß aber ein Makel wegen eines die Gläubiger schädigenden Verhaltens des in Konkurs gegangenen Ehemannes, also ein im geschäftlichen Gebaren des Ehemanns begründeter Makel vorlag, haben die Kläger nicht behauptet. Dann kann es sich aber nur darum gehandelt haben, die persönliche Reputation des Ehemanns wiederherzustellen.
Daß die Zahlungen vom Standpunkt der Lieferanten aus als Betriebseinnahmen anzusehen sind, weil sie die im Geschäftsverkehr mit dem Ehemann entstandenen Forderungen tilgten, ist nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Betriebsausgabe bei der Klägerin vorliegt, kommt es allein darauf an, ob die Zahlungen durch ihren Betrieb veranlaßt waren. Die Klägerin brauchte aber die Verpflichtung zur Schuldtilgung nicht aufgrund ihrer eigenen geschäftlichen Beziehungen zu den Lieferanten einzugehen. Denn sie erhielt die Lieferungen ohnehin nur gegen das übliche Entgelt. Wenn die Klägerin dennoch glaubte, eine solche Zahlungsverpflichtung jeweils zusätzlich zu den Lieferungsbedingungen eingehen zu müssen, weil die Lieferanten sie sonst überhaupt nicht oder wenigstens nicht gegen Kredit beliefern würden, so ist dieses Verhalten der Klägerin doch nur im Zusammenhang damit zu sehen, daß sie die Ehefrau des Gemeinschuldners war, um dessen Schulden es sich handelte. Können die Zahlungen der Klägerin nach alledem nicht als durch ihren Betrieb veranlaßt angesehen werden, so sind sie nicht Betriebsausgaben, aber auch nicht Aufwendungen für den Erwerb eines aktivierungspflichtigen Wirtschaftsguts. Sie sind Entnahmen und berühren den Gewinn der Klägerin nicht.
Die Vorentscheidung ist auch insofern nicht zu beanstanden, als dort der hilfsweise geltend gemachte Antrag auf Anerkennung der Rückzahlung eines Darlehens durch die Klägerin als außergewöhnliche Belastung abgelehnt worden ist. Das FG hat hierzu in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß das Darlehen betrieblichen Zwecken dienen sollte und auch gedient hat, weil es die Firma X vor dem Zusammenbruch habe bewahren sollen. An diese Feststellungen ist der BFH als Revisionsgericht gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie sind auch ohne Verfahrensverstoß oder Verstoß gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze zustande gekommen. Denn das FG ist hierbei von dem ausgegangen, was von der Klägerin im Verlaufe des Veranlagungsverfahrens und des finanzgerichtlichen Verfahrens vorgetragen worden ist. In einer Anlage zur Einkommensteuererklärung für 1958 hat die Klägerin erklärt, daß 1958 an ein Kloster, das 1952 einen Kredit gewährt hatte, um den Konkurs zu vermeiden, dieser Betrag zurückgezahlt worden sei. In der Berufungsschrift vom 11. Juli 1962 ist ausgeführt, daß der Firma X ein Darlehen zur Verfügung gestellt worden sei und daß die Firma X es wegen des nachfolgenden Konkurses nicht mehr habe zurückzahlen können. Die Ausführungen der Klägerin in ihrer Revisionsbegründung vom 5. Februar 1966, daß das Darlehen nicht ausschließlich für betriebliche Zwecke, sondern auch zur Sicherstellung der neunköpfigen Familie gedient habe, ist neu. Es kann in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden.
Ist hiernach für die rechtliche Beurteilung davon auszugehen, daß die Darlehnsaufnahme ihre Veranlassung in dem Betrieb des Ehemanns der Klägerin hatte, so ist dessen Tilgung keine außergewöhnliche Belastung für die beiden Kläger. Der BFH ist in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß außergewöhnliche Belastungen bei Ehegatten dann nicht anerkannt werden können, wenn deren Abzug bei einem der Ehegatten ausgeschlossen ist (Urteile des BFH VI 9/56 S vom 24. Januar 1958, BFH 66, 197, BStBl III 1958, 77, und VI R 300/66 vom 22. März 1967, BFH 89, 69, BStBl III 1967, 596). Der dort gegebenen Begründung, daß Ausgaben des einen Ehegatten ohne weiteres auch als Ausgaben des anderen Ehegatten anzusehen sind, weil eine Aufteilung der zu den Lebenshaltungskosten zählenden außergewöhnlichen Belastung mit dem Wesen der Ehe als intakter Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht zu vereinbaren sei, schließt der Senat sich an. Diese Rechtsgrundsätze, die zur Frage der Anerkennung von Unterhaltungsleistungen als Sonderausgaben und der auswärtigen Unterbringung des Ehegatten als außergewöhnliche Belastung ergangen sind, müssen auch dann Anwendung finden, wenn die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung nach § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeschlossen ist. Das hat im vorliegenden Fall zur Folge, daß die Tilgung des Darlehens durch die Klägerin schon deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden kann, weil diese Leistungen, wären sie von ihrem Ehegatten erbracht worden, Betriebsausgaben und daher nach § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht abzugsfähig gewesen wären.
Der Senat hat noch geprüft, ob die Rückzahlung des Darlehens möglicherweise für die Klägerin Betriebsausgaben waren. Er hat jedoch aus den Gründen, mit denen er die Altschuldentilgung nicht als Betriebsausgaben anerkannt hat, auch hier die betriebliche Veranlassung für die Klägerin verneint, zumal zwischen ihr und dem Kloster keine den Lieferantenbeziehungen vergleichbaren Geschäftsbeziehungen bestanden.
Fundstellen
Haufe-Index 413216 |
BStBl II 1972, 757 |
BFHE 1972, 187 |