Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Eine nach Kriegsausgang vom tschechoslowakischen Staat entschädigungslos enteignete und aufgelöste Genossenschaft, die in der Bundesrepublik Vermögen besitzt, das auch hier verwaltet wird, ist in der Bundesrepublik unbeschränkt vermögensteuerpflichtig.

 

Normenkette

VStG § 1 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Vermögensteuerveranlagung 1949 der deutschen Genossenschaft Z, früher in der Slowakei. Das Finanzamt hat die Vermögensteuer nach einem steuerpflichtigen Vermögen von 158.000 DM errechnet. Die Z hatte früher ihren Sitz in X. Ihre Mitglieder waren deutsche Genossenschaften. Bei Kriegsende flüchtete die damalige Prokuristin. Es gelang ihr, auf legalem Wege bei Geldinstituten für Warenlieferungen eingezahlte Guthaben in die Bundesrepublik zu bringen. Bei der Währungsreform meldete sie das Vermögen bei der Y-Bank als Altgeldguthaben der Z an. Das Guthaben wurde umgestellt und ist zur Zeit zum Teil noch gesperrt. Vom Vormundschaftsgericht wurde ein Pfleger für die unbekannten Beteiligten hinsichtlich des Guthabens der Z bestellt. Sein Wirkungskreis umfaßt die Verwaltung des Guthabens der Z. Pfleger ist der Bezirksnotar i. R. K. Die Z und die ihr angehörigen deutschen Genossenschaften sind von dem nach Kriegsausgang neu konstituierten tschechoslowakischen Staat aufgelöst, und ihr Vermögen ist enteignet worden. Das Finanzamt hat als Rechtsträger des umgestellten Vermögens der Z ein Zweckvermögen im Sinne von § 1 Abs. 1 Ziff. 2 e des Vermögensteuergesetzes (VStG) angenommen. Von dem Pfleger wurde geltend gemacht, daß das in der Bundesrepublik belegene Vermögen der Z durch die Enteignungsmaßnahmen des tschechoslowakischen Staates nicht betroffen worden sei. Die Z müsse als in der Bundesrepublik fortbestehend angesehen werden. Ein Zweckvermögen liege nicht vor. Der Einspruch wurde zurückgewiesen. Auch die Berufung der Z hatte keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Die Z als juristische Person des tschechoslowakischen Rechts sei durch die Maßnahmen des tschechoslowakischen Staates vernichtet worden. Nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts sei diese Tatsache auch in der Bundesrepublik zu beachten. Aus Art. 30 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ließen sich keine gegenteiligen Forderungen herleiten, zumal die Enteignungsmaßnahmen durch das Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission sanktioniert worden seien. Als in der Bundesrepublik fortbestehend könne die Z nur dann angesehen werden, wenn durch ihre zuständigen Organe eine ordnungsmäßige Sitzverlegung in die Bundesrepublik durchgeführt und entsprechende Eintragung ins Handelsregister vorgenommen würde. Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben. Lediglich durch die Verbringung von Bargeld in die Bundesrepublik habe der Sitz der Z nicht rechtswirksam verlegt werden können. Als fortbestehende juristische Person könne die Z daher in der Bundesrepublik nicht zur Vermögensteuer herangezogen werden. Dagegen komme eine Vermögensteuerveranlagung für das Restvermögen der Z als Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 e VStG in Betracht. Sitz und Verwaltung des Zweckvermögens befänden sich in Sch. Unbeschränkte Vermögensteuerpflicht sei daher gegeben.

Gegen dieses Urteil richtete sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Z. Es wird geltend gemacht, daß die Auflösung und Enteignung der Z nicht über die Grenzen des tschechoslowakischen Staates hinausreiche. Die Mitgliedschaftsrechte der juristischen Personen an der Z beständen überall weiter, wo Vermögen der Z außerhalb des tschechoslowakischen Staates vorhanden sei. Einer formellen Sitzverlegung bedürfe es zur Anerkennung des Fortbestehend der Z in einem anderen Staate nicht; ebensowenig einer Feststellung, daß die Maßnahmen des tschechoslowakischen Staates als gegen den ordre public verstoßend für die deutsche Rechtsordnung unbeachtlich seien. Die Konstruktion eines Zweckvermögens mit dem Sitz in Sch sei nicht haltbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. D Der Senat hat sich mit den Rechtsverhältnissen der Z bereits in seinem Urteil III 88/54 vom 4. März 1955 befaßt. Es handelte sich damals um die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Z auf den 1. Januar 1948. Das Finanzamt hatte auch damals ein Zweckvermögen angenommen. Dagegen hatte das Finanzgericht in jenem Verfahren die Ansicht vertreten, daß das in die Bundesrepublik verbrachte Vermögen Betriebsvermögen der unter den früheren Mitgliedern der Z fortbestehenden Genossenschaft sei. Der Senat hatte dieses Urteil nebst der Einspruchsentscheidung aus verfahrensrechtlichen Erwägungen aufgehoben. In der Weisung war ausgeführt: Für den Fall, daß die Z in der Bundesrepublik fortbestehe, sei ihr gegenüber ein Einheitswert für Betriebsvermögen festzustellen, wobei Betriebsschulden vom Rohvermögen abzuziehen seien. Sofern dagegen die Fortexistenz der Z in der Bundesrepublik verneint werden sollte, käme als Vermögensträger nach § 56 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) nur eine selbständige Vermögensmasse (Guthaben der früheren Z) in Betracht. In letzterem Falle sei kein Betriebsvermögen, sondern sonstiges Vermögen gegeben, so daß der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1948 entfalle. Das Finanzamt hat die Entscheidung und den Einspruch der Z gegen die Feststellung des Einheitswerts für Betriebsvermögen ausgesetzt und zunächst die nunmehr im Streit befangene Vermögensteuerveranlagung für 1949 vorgenommen. Das Finanzamt ist hierbei von der überlegung ausgegangen, daß es nicht ratsam sei, zunächst über den Einspruch in der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu entscheiden. Der Bundesfinanzhof habe in dem Urteil vom 4. März 1955 die Frage "Betriebsvermögen oder sonstiges Vermögen" offen gelassen. Falls das Finanzamt diese Frage entscheide, bestehe die Gefahr, daß es sich durch eine rechtskräftige Entscheidung im Bewertungsverfahren möglicherweise zum Nachteil des Fiskus in der Vermögensteuersache festlege. Um dies zu vermeiden, sei es besser, das Vermögen der Z zum 1. Januar 1949 als sonstiges Vermögen heranzuziehen. Der Bundesfinanzhof werde dann zunächst über die bisher noch nicht berücksichtigte DM-Zeit zu entscheiden haben. Die Feststellung des Einheitswerts für Betriebsvermögen auf den 21. Juni 1948 könne später ohne weiteres nachgeholt werden.

Es bleibt zu prüfen, ob die Vorbehörden zu Recht ein steuerpflichtiges Zweckvermögen angenommen haben. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu untersuchen, ob die Z in der Bundesrepublik steuerrechtlich noch als fortbestehend gelten kann.

Wenn diese Frage zu bejahen ist, muß sie nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 b VStG als Vermögensträger gelten. Für die Annahme eines Zweckvermögens bleibt alsdann kein Raum. Durch die Maßnahmen des tschechoslowakischen Staates ist die Z ihres Vermögens beraubt und ihre Existenz als juristische Person vernichtet worden. Nach Auffassung des Finanzgerichts ist dieser Tatbestand auch in der Bundesrepublik anzuerkennen, und es können nach Ansicht des Finanzgerichts auch aus Art. 30 EGBGB keine Bedenken gegen die entschädigungslose Enteignung und Existenzvernichtung hergeleitet werden. Ob nach Art. 30 a. a. O. der vom tschechoslowakischen Staat vorgenommenen entschädigungslosen Enteignung die Anerkennung in der Bundesrepublik zu versagen wäre, muß dahingestellt bleiben. Denn die Prüfung dieser Frage ist der deutschen Gerichtsbarkeit nach dem Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission Nr. 64 S. 1107) verwehrt. Auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 8 S. 378) wird insoweit Bezug genommen. Es ist bei den von dem tschechoslowakischen Staat gegenüber der Z getroffenen Maßnahmen grundsätzlich zwischen der entschädigungslosen Enteignung und der Vernichtung ihrer Rechtspersönlichkeit zu entscheiden. Für den Bereich des Staatsgebiets des tschechoslowakischen Staates ist die juristische Person, die die Z früher gewesen ist, vernichtet worden. Hieraus folgt aber nicht ohne weiteres, daß diese juristische Person notwendigerweise auch außerhalb des Gebiets des tschechoslowakischen Staates nicht mehr existiert. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte ist die Fortdauer der Existenz der Z überall dort, wo sich außerhalb des tschechoslowakischen Staatsgebiets Vermögen der früheren Z befindet, also im Ausland, zu bejahen. Im Streitfall hat sich das hier in Betracht kommende Restvermögen der Z im Zeitpunkt der Enteignungsmaßnahme außerhalb des tschechoslowakischen Machtbereichs befunden. Bei Forderungen wird nach herrschender Ansicht der Ort der Belegenheit durch den Wohnsitz des Schuldners bestimmt (Urteil des Bundesgerichtshofs in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 5 S. 35). Dieses im Ausland befindlich gewesene und legal nach der Bundesrepublik verbrachte Vermögen konnte von den Enteignungsmaßnahmen des tschechoslowakischen Staates nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht erfaßt werden (Urteile des Oberlandesgerichts Nürnberg in "Neue Juristische Wochenschrift 1952 S. 109, Hamm in "Der Betriebs-Berater" 1952 S. 814 und des Bundesgerichtshofs in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 5 S. 27, 35, Bd. 17 S. 74, 209). Die Frage, ob im Ausland befindliche Vermögenswerte einer früheren tschechoslowakischen Gesellschaft, die vom tschechoslowakischen Staat enteignet und aufgelöst worden ist, herrenlos geworden sind, oder ob in diesem Fall die frühere Gesellschaft noch als Träger des Vermögens weiterbestehend gedacht werden kann, ist ebenfalls in der Rechtsprechung der Zivilgerichte wiederholt behandelt und im Sinne der Fortdauer der Existenz entschieden worden. So hat das Oberlandesgericht Hamm in der oben angeführten Entscheidung im Falle einer von Polen enteigneten und aufgelösten schlesischen AG erklärt, daß sie in der Bundesrepublik insoweit fortbestehe, als sie hier Vermögen habe. Ferner ist in dem Beschluß des Oberlandesgerichts Köln (Neue Juristische Wochenschrift 1956 S. 1445) ausgeführt, daß die Enteignung und gleichzeitige Vernichtung einer juristischen Person in der sowjetischen Zone ihr in der Bundesrepublik belegenes Vermögen nicht herrenlos werden lasse. Vielmehr müsse in einem solchen Falle die Rechtspersönlichkeit des enteigneten Unternehmens insoweit als fortbestehend angesehen werden, als die Trägerschaft des Eigentumsrechts an dem von der sowjetzonalen Enteignung nicht erfaßten Vermögen in Frage stehe. Dies gilt auch, wenn das enteignete Unternehmen in der Bundesrepublik nicht ins Handelsregister eingetragen werde und seinen Geschäftsbetrieb nicht aufnehme. Mindestens sei ein solches Unternehmen als eine im Stadium der Liquidation befindliche Gesellschaft anzusehen. Auch der Bundesfinanzhof hat inzwischen in dem zur Körperschaftsteuer ergangenen Urteil I 57/56 U vom 24. August 1956 (Slg. Bd. 63 S. 241, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 289) ausgesprochen, daß eine in der sowjetischen Besatzungszone enteignete, nicht ins Bundesgebiet verlagerte Kapitalgesellschaft, die im Bundesgebiet Vermögen besitze, hier als unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft zu behandeln sei. Der Bundesfinanzhof hat in diesem Urteil ausdrücklich erklärt, daß die herrschende zivilrechtliche Auffassung zur Frage der entschädigungslosen Enteignung und Vernichtung der Rechtspersönlichkeit sowjetzonaler Unternehmungen für das Steuerrecht zu übernehmen und die in dem betreffenden Fall von den Vorbehörden angewandte Konstruktion eines steuerpflichtigen Zweckvermögens abzulehnen sei. Die als fortbestehend anzusehende Kapitalgesellschaft sei in der Bundesrepublik unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, weil ihre Geschäftsleitung in der Bundesrepublik liege. Daß die fortbestehende Kapitalgesellschaft im Bundesgebiet eine werbende, ihrem Charakter nach gewerbliche Tätigkeit ausübe, sei zur Annahme der geschäftlichen Oberleitung nicht erforderlich. Es komme allein darauf an, wo das den Fortbestand der Rechtspersönlichkeit begründende Vermögen liege und verwaltet werde. Dies sei unzweifelhaft im Bundesgebiet der Fall. Der erkennende Senat tritt dieser Rechtsauffassung für das Gebiet des BewG und VStG auch in dem hier gegebenen Fall der entschädigungslosen Enteignung und Vernichtung einer Rechtsperson in dem tschechoslowakischen Staat bei. Danach entfällt die von den Vorbehörden vertretene Auffassung, daß die Z auch in der Bundesrepublik als untergegangen anzusehen und lediglich ein Zweckvermögen als Vermögensträger angenommen werden müsse. Die Z besteht vielmehr als unbeschränkt vermögensteuerpflichtige Genossenschaft in der Bundesrepublik fort, da sie hier von der Enteignung nicht betroffenes Vermögen besitzt, das auch in der Bundesrepublik verwaltet wird.

Der Rb. war hiernach stattzugeben. Die Sache ist spruchreif. Das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 1955 und der Vermögensteuerbescheid vom 19. Juli 1955 werden aufgehoben. Sache des Finanzamts ist es nunmehr, dem Verfahren der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Z auf den 1. Januar 1948 Fortgang zu geben. Zu diesem Zweck werden von dem Pfleger, soweit möglich, nähere Angaben über die Höhe der vom Rohvermögen abzuziehenden Betriebsschulden der Z zu machen sein. Erst nach Feststellung eines Einheitswerts für das Betriebsvermögen der Z kann eine Vermögensteuerveranlagung vorgenommen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408774

BStBl III 1957, 243

BFHE 1958, 28

BFHE 65, 28

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