Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmiergeldzahlungen als Werbungskosten
Leitsatz (NV)
1. Zahlt ein Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen Schmiergelder an einen Dritten, sind die Zahlungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
2. Zum Nachweis der beruflichen Veranlassung.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr mehrmals für seinen Arbeitgeber als Monteur und Baustellenleiter in X. In seiner Einkommensteuererklärung machte er u. a. ,,1 200 DM gezahlte Schmiergelder bei Ein- und Ausreise" als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen ab. Im Einspruchsverfahren brachte der Kläger vor, er habe die als Werbungskosten geltend gemachten Schmiergelder an verschiedene Empfänger zur Unterstützung termingebundener Montagearbeiten gezahlt. Sein Arbeitgeber erwarte von ihm den reibungslosen Ablauf der Arbeiten und honoriere Schmiergeldzahlungen durch ein höheres Arbeitseinkommen. Die Zahlungen habe der Arbeitgeber jedoch nicht ersetzt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger anfangs die Berücksichtigung von Schmiergeldzahlungen in Höhe von 1 200 DM, später in Höhe von 2 500 DM. Zur Begründung trug er vor, durch sie sei es ihm ermöglicht worden, bei seinen Reisen pünktlich am Arbeitsort zu sein. Zum Nachweis legte der Kläger ein mit B unterzeichnetes Schriftstück vor, dessen deutsche Übersetzung wie folgt lautet: ,,Ich habe von Herrn A einen Betrag in Höhe von 2 500 DM erhalten. Danach ist er während seines gesamten Aufenthalts seit 1982 zum Flughafen Y in X hin- und zurückgeflogen, und zwar ist er 14mal ohne Schwierigkeiten durch die Paß- und Zollkontrolle ein- und ausgereist."
Der Kläger machte geltend, mit A sei er gemeint. Die falsche Schreibweise gehe auf sprachlich bedingte Verständigungsschwierigkeiten zurück.
Der Arbeitgeber des Klägers teilte in einer vom Finanzgericht (FG) im Verlaufe des Klageverfahrens eingeholten schriftlichen Auskunft mit, daß er grundsätzlich den Ersatz von Schmiergeldern ablehne, weil diese ungesetzlich seien. Eine höhere Entlohnung beziehe der Kläger deswegen nicht. Der Kläger legte im Klageverfahren noch die Bestätigung eines Arbeitskollegen vor, die dahin lautete, der Kläger habe an B Geldbeträge in unbekannter Höhe gezahlt, um sich und dem Arbeitskollegen die Ein- und Ausreise zu erleichtern.
Das FG gab der Klage statt. Zur Begründung führte es u. a. aus: Werbungskosten seien gemäß § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Eine solche berufliche Veranlassung sei auch bei Schmiergeldzahlungen zu bejahen, wenn diese dazu dienten, die Arbeitsbedingungen eines Steuerpflichtigen zu erleichtern oder - wie der Kläger im Streitfall behaupte - die termingerechte Beendigung von Montagearbeiten sicherzustellen. Auf die Mißbilligung durch den Arbeitgeber komme es nicht an.
Im Streitfall stehe zur Überzeugung des FG fest, daß der Kläger aus beruflichen Gründen Schmiergelder in der letztgenannten Höhe gezahlt habe. Die von B und dem Arbeitskollegen des Klägers ausgestellten Bescheinigungen könnten angesichts der Verhältnisse nicht als der Wahrheit widersprechende Gefälligkeitsbescheinigungen angesehen werden. Danach seien Schmiergelder gezahlt worden, um den Kläger und seinen Arbeitskollegen vor - gerade im Bereich Z des öfteren zu beobachtenden - Schikanen bei Grenzkontrollen zu bewahren.
Der Kläger habe zwar im Einspruchs- und Klageverfahren unterschiedliche Angaben über die Höhe und den Verwendungszweck der Schmiergelder gemacht. Die Abweichungen seien jedoch nicht so gewichtig, daß dadurch die Tatsache der Zahlungen als solche, der berufsbezogene Zweck oder die Glaubwürdigkeit des Klägers in Frage gestellt würde.
Die vom FA beantragte Erhebung weiterer Beweise halte das FG nicht für geboten. Es stehe zu seiner Überzeugung fest, daß die Bescheinigung des B authentisch sei und Zahlung und Zahlungszweck richtig wiedergebe. Mehr könne auch das FA angesichts der obwaltenden Verhältnisse im Bereich Z nicht verlangen, die gerichtsbekannt seien und keines Beweises bedürften.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision.
Es rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es führt aus, Schmiergeldzahlungen eines Arbeitnehmers könnten zwar grundsätzlich Werbungskosten i. S. von § 9 EStG darstellen. Im Streitfall habe der Kläger jedoch weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, daß er die Zahlungen aus einem beruflichen Anlaß geleistet habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um die Entscheidung zu rechtfertigen, daß die vom Kläger behaupteten Schmiergeldzahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
1. Werbungskosten sind über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus nicht nur Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, sondern überhaupt alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind (ständige Rechtsprechung, z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368). Eine solche berufliche Veranlassung ist bei Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit stets anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Ausgaben zur Förderung des Berufs gemacht werden (BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368).
Auch sog. Schmiergelder (zum Begriff vgl. v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 B 700, Stichwort: Schmiergelder) können unter diesen Voraussetzungen Werbungskosten sein (v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, a. a. O.; Blümich / Wehmeyer, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 13. Aufl., § 9 EStG Rz. 490; Oeftering /Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 9 EStG Rdnr. 153; Boeker in Lademann / Söffing / Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 Anm. 139, Stichwort: Schmiergelder).
Der Senat versteht das Vorbringen des Klägers mit dem FG dahin, daß er die streitigen Zahlungen getätigt haben will, um ohne zeitliche Verzögerungen (durch Schikanen bei der Paß- und Zollkontrolle) nach X ein- und wieder ausreisen zu können. Zu Unrecht hat das FG hieraus den Schluß gezogen, die Aufwendungen hätten nach den Behauptungen des Klägers die termingerechte Beendigung von Montagearbeiten sicherstellen sollen und deshalb ohne weitere Prüfung den Zusammenhang mit dem Beruf bejaht.
Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit einer Fahrt entstehen, teilen deren rechtliches Schicksal (z. B. BFH-Urteil vom 26. August 1988 VI R 92/85, BFHE 155, 61, BStBl II 1989, 144 zu Unfallkosten). Im Streitfall ist deshalb entscheidend, aus welchem Grund der Kläger jeweils die Reisen unternommen hat, bei denen er die Paß- und Zollkontrollen von X passieren mußte. Nur wenn die einzelne Reise dem beruflichen Bereich zuzuordnen ist, besteht die Möglichkeit, daß die zu ihrer Beschleunigung aufgewandten Kosten als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Hatte die jeweilige Reise dagegen privaten Charakter, können die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen schon aus diesem Grunde keine Werbungskosten sein, auch wenn sie dem Kläger entstanden sein sollten, weil er schneller an den Arbeitsort zurückkehren wollte.
Den Feststellungen des FG ist weder zu entnehmen, wieviele Male der Kläger die Paß- und Zollkontrollen von X passieren mußte, noch, aus welchem Anlaß dies jeweils geschah. Die vom Kläger vorgelegte, kein Datum aufweisende Bescheinigung eines B besagt - wenn man die darin enthaltenen Angaben als zutreffend ansieht - nur, daß der Kläger seit 1982 vierzehn Mal ohne Schwierigkeiten durch die Paß- und Zollkontrolle des Flughafens Y in X ein- und ausgereist ist. Offen bleibt danach, auf welchen Zeitraum sich die vom Kläger behauptete Zahlung von 2 500 DM bezieht und inwieweit seine Reisen dem privaten oder dem beruflichen Bereich zuzuordnen sind.
2. Das Urteil des FG ist deshalb aufzuheben und gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Bei der erneuten Entscheidung wird das FG u. a. der Frage nachgehen müssen, aus welchen Gründen der Kläger seinen Sachvortrag im Einspruchs- und (zunächst) auch im Klageverfahren (1 200 DM Schmiergeld an verschiedene Empfänger) dahingehend geändert hat, 2 500 DM Schmiergeld seien an einen Empfänger gezahlt worden. Darüber hinaus wird das FG ermitteln müssen, wie oft, wann genau und aus welchen Gründen der Kläger im Streitjahr jeweils nach X ein- und ausgereist ist und welche Schmiergeldzahlungen er im Zusammenhang mit den einzelnen Reisen geleistet hat. Soweit die Reisen beruflich veranlaßt sind, wird das FG der Frage nachgehen müssen, ob - wie das FA in seinem Schriftsatz vom . . . unter Beweisantritt vorgebracht hat - die vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten bei den Paß- und Zollkontrollen auf private, in der Person des Klägers liegende Gründe zurückzuführen sind.
Im übrigen wird das FG zu beachten haben, daß der Kläger die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen trägt, die den Abzug der geltend gemachten Werbungskosten dem Grunde und der Höhe nach begründen (z. B. BFH-Urteil vom 20. Januar 1978 VI R 193/74, BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338). Außerdem trifft ihn bei der Aufklärung eines Sachverhaltes, der sich auf Vorgänge außerhalb der Bundesrepublik Deutschland bezieht, eine erhöhte Mitwirkungspflicht (z. B. BFH-Urteil vom 3 Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675).
Fundstellen
Haufe-Index 63022 |
BFH/NV 1991, 151 |