Leitsatz (amtlich)
Die prüfungsbefreite Bestellung zum Steuerberater setzt voraus, daß der ehemalige Beamte des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung die erforderliche mindestens 15jährige Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachbearbeiter in der Finanzverwaltung abgeleistet hat.
Normenkette
StBerG i.d.F. vom 11. August 1972 § 4 Abs. 1; StBerG i.d.F. vom 11. August 1972 § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a
Tatbestand
Der Rechtsstreit geht um die Frage, ob die prüfungsbefreite Bestellung als Steuerberater gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG i. d. F. vom 11. August 1972 (BGBl I 1972, 1401) voraussetzt, daß der ehemalige Beamte des gehobenen Dienstes die 15jährige Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens in der Finanzverwaltung abgeleistet haben muß oder ob auch eine außerhalb der Finanzverwaltung abgeleistete Tätigkeitszeit diese Voraussetzung erfüllt.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragte am 23. November 1972 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (... Minister der Finanzen - Beklagter -), ihn gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG n. F. unter Befreiung von der Steuerberaterprüfung zum Steuerberater zu bestellen.
Der Kläger war nach seiner Ernennung zum außerplanmäßigen Zollinspektor am 23. Mai 1953 bis zu seinem Ausscheiden am 28. Februar 1965 als Sachbearbeiter bei der Zollverwaltung tätig. Ab 1. März 1965 leitete er beim X-Konzern die "Gruppe Zollwesen" bis zum 31. März 1968, danach die "Abteilung Auftragswesen und Industriebereich". Vom 1. April 1971 bis 31. Dezember 1972 war der Kläger bei einem Steuerberater angestellt. Er wurde am 7. April 1971 von der OFD unter Befreiung von der Prüfung zum Steuerbevollmächtigten bestellt. Seit dem 1. Januar 1973 ist er Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft.
Am 12. Juli 1973 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, dieser erfülle die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG nicht, da er nicht die vom Gesetz geforderten 15 Jahre, sondern nur 11 Jahre, 9 Monate und 8 Tage als Beamter des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachbearbeiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung tätig gewesen sei; die Zeit der Berufsausübung außerhalb der Verwaltung sei nicht anzurechnen.
Die Klage blieb ohne Erfolg.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er vorträgt, aus den §§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c und 118 a Abs. 2 Nr. 3 StBerG n. F. ergebe sich eindeutig, daß eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens auch außerhalb der Finanzverwaltung ausgeübt werden könne. Der BFH habe überdies klargestellt, daß auch die hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens in einem Gewerbebetrieb genüge (Urteil vom 27. Oktober 1964 VII 35/64, HFR 1965, 289, StRK, Steuerberatungsgesetz § 6, Rechtsspruch 8). Diese Auslegung gelte nicht nur für den in § 6 StBerG a. F. geregelten Begriff "hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens", sondern sei auch für § 8 StBerG n. F. bedeutsam. Eine Tätigkeit "als Sachbearbeiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung" sei auch außerhalb der Finanzverwaltung möglich, da die Bezeichnungen Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter auch in Handel und Industrie, bei Banken und Versicherungsunternehmen und vor allem in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Steuerberatungsgesellschaften üblich seien. Im übrigen komme es auf die bloße Bezeichnung nicht an, da der Gesetzestatbestand ausdrücklich eine "gleichwertige Stellung" zulasse. Im Gegensatz zu § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 Nr. 2 sowie § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 StBerG a. F. enthalte § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG n. F. nicht die Einschränkung, daß die Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor dem Ausscheiden aus dem Dienst erfolgt sein müsse. Es komme also nach dem Wortlaut der Neufassung nur darauf an, daß der Bewerber überhaupt Beamter des gehobenen Dienstes gewesen sei, also nach einer mindestens 3jährigen Ausbildungszeit eine Laufbahnprüfung abgelegt habe, die nach dem Schriftlichen Bericht des Bundestages - BT - (Drucksache VI/3456) dem Fachhochschulstudium gleichgesetzt werde (so auch BFH-Urteil vom 8. März 1966 VII 141/65, BFHE 85, 61, BStBl III 1966, 234), und daß der Bewerber über eine 15jährige Berufserfahrung als Sachbearbeiter auf dem Gebiet des Steuerwesens verfüge. Nach dem Wortlaut der streitigen Bestimmung habe der Gesetzgeber darauf verzichtet, daß die maßgebliche Tätigkeit überhaupt vor dem Ausscheiden aus dem Dienst liegen müsse; das verkenne das FG. Der Gesetzgeber hätte mit einfachsten sprachlichen Mitteln die von dem Beklagten angenommene Einschränkung herbeiführen können, indem er z. B. von den ehemaligen Beamten und Angestellten des höheren oder gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung gefordert hätte, daß sie "in der Finanzverwaltung" mindestens 10 bzw. 15 Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens hätten tätig sein müssen. Nach dem neuen, klaren Wortlaut der Bestimmung werde eindeutig auf die zusätzliche Beschränkung, daß die gesamte Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens vor dem Ausscheiden aus dem Dienst liegen müsse, verzichtet. So verstanden entspreche § 8 StBerG n. F. auch der Zielsetzung der Gesetzesänderung, nämlich sicherzustellen, daß einerseits bei der prüfungsfreien Bestellung zu Steuerberatern die Qualifikation der prüfungsfrei zuzulassenden ehemaligen Finanzbeamten derjenigen anderer Bewerber gleichwertig sei und daß andererseits den Beamten das Ausscheiden aus der Finanzverwaltung gegenüber der bisherigen Regelung zumindest nicht erleichtert werde. Der Hinweis des FG, seine, des Klägers Auffassung führe dazu, daß ein Beamter des gehobenen Dienstes, der auch nur kurze Zeit bei der Finanzverwaltung beschäftigt gewesen sei, immer prüfungsfrei zum Steuerberater bestellt werden müßte, wenn er nur insgesamt lange genug auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig gewesen sei, sei zutreffend, vereitele aber nicht den Gesetzeszweck.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil und die Entscheidung des Beklagten vom 12. Juli 1973 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn, den Kläger, unter Befreiung von der Steuerberaterprüfung zum Steuerberater zu bestellen.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das FG § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG n. F. so ausgelegt, daß ehemalige Beamte und Angestellte des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung mindestens 15 Jahre in der Finanzverwaltung auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachbearbeiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung tätig gewesen sein müssen, um prüfungsbefreit als Steuerberater bestellt werden zu können.
Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, 312; BFH-Entscheidung vom 21. Oktober 1969 II 210/65, BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736). Die im Streitfall vorgenommene Auslegung liegt nicht nur innerhalb des möglichen Wortsinnes des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG n. F., sondern entspricht auch dem Sinnzusammenhang dieser Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte.
Sowohl die hier auszulegende Rechtsnorm als auch die ihr entsprechende Vorschrift des § 8 Abs. 2 StBerG a. F. benutzen übereinstimmend den Begriff "Sachbearbeiter". Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 28. Juni 1966 VII 88/65, BFHE 86, 414 BStBl III 1966, 524), verwendete das StBerG a. F. in § 8 Abs. 2 den Begriff "Sachbearbeiter" inhaltlich übereinstimmend mit derselben Bezeichnung in der Geschäftsordnung für die Finanzämter. Nach § 4 Abs. 1 und 2 FAGO bearbeitet der "Sachbearbeiter" ein "Arbeitsgebiet", das ein Teil eines vom Sachgebietsleiter geleiteten "Sachgebiets" ist. Nur wer in dieser Stellung innerhalb der Finanzverwaltung als Sachbearbeiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung innerhalb der Finanzverwaltung tätig war, wurde von § 8 Abs. 2 StBerG a. F. erfaßt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß durch die Änderung dieser Vorschrift des Steuerberatungsgesetzes eine Wandlung im Sprachgebrauch des Gesetzgebers eingetreten ist. Denn hinsichtlich der Worte "als Sachbearbeiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung" ist die Vorschrift unverändert geblieben.
Auch der Wortlaut "Beamter ... als Sachbearbeiter" spricht dafür, daß die Mindestdienstzeit von 15 Jahren auf dem Gebiet des Steuerwesens in der Finanzverwaltung abgeleistet worden sein muß, um die Voraussetzung für die Befreiung von der Prüfung zu schaffen. Das Gesetz hat im übrigen, wie auch der Kläger nicht verkennt, den Abwanderungstendenzen gehobener Finanzbeamter in den Steuerberaterberuf entgegenwirken wollen (vgl. BT-Drucksache VI/3456 S. 5-6 zu Nr. 5). Dieses Ziel würde aber vereitelt, folgte man der vom Kläger für richtig gehaltenen Auslegung des Gesetzes. Die Streichung der Worte "während der letzten 10 Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst" kann die Rechtsansicht des Klägers nicht stützen. Nach der alten Fassung des § 8 StBerG war von der Steuerberaterprüfung zu befreien, wer als Beamter des gehobenen Dienstes 5 Jahre in der entsprechenden Stellung bei der Finanzverwaltung tätig war. Zusätzlich war gefordert, daß diese 5jährige Tätigkeit innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst abgeleistet worden sein mußte. Das sollte verhindern, daß die Mindestdienstzeit nicht schon so weit zurücklag, daß dadurch die Qualifikation des Bewerbers hätte in Frage gestellt sein können. Nachdem der Gesetzgeber die Vorschrift dahingehend geändert hat, daß nunmehr eine Dienstzeit von 15 Jahren verlangt wird, konnte dieses zusätzliche Erfordernis weggelassen werden, da es sinnlos geworden war. Der Gesetzgeber hat daher den ganzen Satz gestrichen, weil er davon ausging, daß die erforderliche Dienstzeit innerhalb der Finanzverwaltung abzuleisten sei. So sagt auch die amtliche Begründung zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (BT-Drucksache VI/ 3456, a. a. O.): "Daneben müssen als Voraussetzung für die prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater bestimmte Qualifikationsmerkmale erfüllt werden. Besonders hervorzuheben ist hier die Erfüllung einer bestimmten Mindesttätigkeitsdauer im bisher ausgeübten Beruf."
Daß die von § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG n. F. geforderte mindestens 15jährige Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachbearbeiter oder in mindest gleichwertiger Stellung nicht außerhalb der staatlichen Finanzverwaltung abgeleistet sein darf, findet eine weitere Stütze in den Materialien des Steuerberatungsgesetzes n. F. Bei der parlamentarischen Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes erklärte die Berichterstatterin des federführenden Finanzausschusses u. a. : "Tatsächlich wird durch dieses Gesetz die Möglichkeit für prüfungsfreie Zulassungen etwas ausgeweitet. Da handelt es sich aber jeweils um Leute, die sich nachweislich über viele Jahre Tag für Tag mit Steuern befaßt haben. Das sind Steuerbeamte im höheren oder im gehobenen Dienst, die sich 10 oder 15 Jahre im Sachbereich täglich mit den Fragen ... befaßt haben ... Meine Herren und Damen, soweit Sie im Ausschuß waren, wissen Sie, daß wir Anträge aus den Reihen der Wirtschaftsverbände, des DGB und der Genossenschaft abgelehnt haben, auch ihren Mitarbeitern aus ihren Steuerabteilungen die prüfungsfreie Zulassung zu ermöglichen ... Wir haben es ablehnen müssen, weil der Nachweis (sc. der Befassung mit Steuerfragen) eben nicht absolut wie im Staatsdienst gelingt ..." (vgl. BT, 6. Wahlperiode, 191. Sitzung, 14. Juni 1972, S. 11190-11191). Richtig hat das FG auch erkannt, daß die Auffassung des Klägers dem im Gesetz erklärten Willen des Gesetzgebers auch deshalb zuwiderlaufen würde, weil sie zur Folge hätte, daß ein Beamter des gehobenen Dienstes, der auch nur kurze Zeit bei der Finanzverwaltung beschäftigt gewesen ist, immer prüfungsfrei zum Steuerberater bestellt werden müßte, wenn er nur insgesamt lange genug auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig war.
Fundstellen
Haufe-Index 71524 |
BStBl II 1975, 794 |
BFHE 1976, 439 |