Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Verwaltungsangestellter, der die Gehilfenprüfung abgelegt hat und in den gehobenen Verwaltungsdienst aufsteigen will, an Lehrgängen zur Vorbereitung auf die Inspektorprüfung teil, so sind die durch die Teilnahme verursachten Kosten Werbungskosten.
Zu den Werbungskosten gehört in diesem Falle auch der Verpflegungsmehraufwand, der einem unverheirateten, im Haushalt seiner Mutter lebenden Verwaltungsangestellten dadurch entsteht, daß er seinen Aufenthalt vorübergehend an dem auswärtigen Ort nimmt, an dem die Lehrgänge stattfinden.
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Stpfl. ist 1941 geboren. Er lebt in A im Haushalt seiner Mutter. Er hat im Jahre 1961 die Verwaltungsgehilfen-Prüfung abgelegt. Nach seiner Anstellung als Verwaltungsangestellter der Stadt A strebte er den Aufstieg in den gehobenen Verwaltungsdienst an, wobei er den Weg über die Ernennung zum Inspektor-Anwärter und die nach dreijähriger Tätigkeit abzulegende Inspektor-Prüfung wählte. Um sich für die Inspektor-Prüfung vorzubereiten, nahm er in der Zeit vom 22. Oktober 1963 bis zum 6. März 1964 an zwei Lehrgängen in B teil. Er mietete dort für diese Zeit ein möbliertes Zimmer.
Beim Lohnsteuerjahresausgleich 1964 erkannte das FA die Miete für das Zimmer und die Kosten für das Lernmaterial, nicht aber einen für die Verpflegung in B entstandenen Mehraufwand als Werbungskosten an, den der Stpfl. unter Hinweis auf Abschn. 21 Abs. 4 LStR mit 16 DM je Tag angesetzt hatte.
Während der Einspruch ohne Erfolg blieb, hatte die Klage zum Teil Erfolg. Das FG erkannte zwar an, daß ein Verpflegungsmehraufwand vorliege und das er - ebenso wie die Miete und die Kosten des Lernmaterials - als Werbungskosten zu berücksichtigen sei. Es setzte den Mehraufwand aber nur mit 8 DM je Tag an, indem es nicht Abschn. 21 Abs. 4, sondern Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 LStR anwandte.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Das FG, so macht das FA geltend, habe zu Unrecht unterstellt, daß der Stpfl. in B höhere Verpflegungskosten aufgewendet habe als in A. Dies hätte auf jeden Fall erst ermittelt werden müssen. Im übrigen habe das FG zu Recht festgestellt, daß der Stpfl. keinen doppelten Haushalt geführt habe. Möge auch A, wo der Stpfl. im Haushalt seiner Mutter lebe, der Mittelpunkt der Lebensführung des Stpfl. geblieben sein, so habe der Stpfl. hier doch keinen eigenen Hausstand geführt. Dann aber könnten ihm auch keine steuerlich absetzbaren Mehrverpflegungskosten erwachsen sein (Urteil des BFH VI 26/61 U vom 19. Januar 1962, BFH 74, 437, BStBl III 1962, 164).
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß die Teilnahme an den Lehrgängen in B nicht der Ausbildung des Stpfl. für einen neuen Beruf, sondern der Fortbildung im ausgeübten Beruf diente. Wenngleich der Stpfl. den Aufstieg in den gehobenen Verwaltungsdienst anstrebte, so war er doch bereits als Verwaltungsgehilfe ausgebildet. Er hatte eine entsprechende Prüfung abgelegt und war als Verwaltungsangestellter eingestellt. Trotz der Unterschiede, die zwischen der ausgeübten Tätigkeit als "einfacher" Verwaltungsangestellter und der angestrebten Tätigkeit als Verwaltungsinspektor bestehen, bedeutet doch der übergang von dem einen zum anderen Berufszweig keinen Berufswechsel, sondern ein Aufsteigen im eingeschlagenen Beruf.
Entscheidend ist, daß die Lehrgänge auch der vom Stpfl. ausgeübten Tätigkeit zugute kamen, indem sie seine Kenntnis auf seinem Tätigkeitsgebiet erweiterten. So hat der Senat auch bei einem Steuerassistenten anerkannt, daß die Aufwendungen für einen Steuerrechtslehrgang Werbungskosten sind, selbst wenn der Stpfl. beabsichtigen sollte, die Prüfung als Steuerbevollmächtigter abzulegen und sich dann als solcher selbständig zu machen (Urteil VI R 75/66 vom 5. Oktober 1966, BFH 87, 521, BStBl III 1967, 230). Mit Recht hat dann auch nach diesen Grundsätzen das FA die Miete für das Zimmer in B und die Aufwendungen für das Lernmaterial als Werbungskosten anerkannt.
Was den streitigen Verpflegungsmehraufwand angeht, so hat zwar der Senat bei einem unverheirateten Arbeitnehmer, der versetzt worden war und neben dem am neuen Arbeitsort gemieteten Zimmer seine Wohnung am früheren Arbeitsort beibehalten hatte, einen Verpflegungsmehraufwand nicht anerkannt, weil der Stpfl. an dem früheren Arbeitsort keinen Haushalt mehr hatte (vgl. das Urteil VI 32/60 U vom 17. Februar 1961, BFH 72, 461, BStBl III 1961, 169). In einem anderen Fall, in dem ein unverheirateter Arbeitnehmer nur vorübergehend an einem anderen Arbeitsort beschäftigt wurde und hier neben seiner am alten Arbeitsort beibehaltenen Wohnung ein Zimmer nahm, hat der Senat aber einen doppelten Hausstand angenommen und einen Verpflegungsmehraufwand zugelassen (Urteil VI 143/60 U vom 11. August 1961, BFH 73, 669, BStBl III 1961, 509). Mit entscheidend für die verschiedene Beurteilung beider Fälle war, daß der Stpfl. in dem einen Fall den Mittelpunkt seiner Lebenshaltung endgültig verlegt hatte, während der Stpfl. in dem anderen Fall den Mittelpunkt am alten Arbeitsort beibehalten und sich am neuen Arbeitsort nur vorübergehend aufgehalten hatte.
Im vorliegenden Fall kann zwar, wie das FG zutreffend ausführt, von einem doppelten Haushalt keine Rede sein. Lebt ein unverheiratetes Kind im Haushalt der Eltern, so haben die Eltern, nicht aber auch das Kind einen Haushalt, selbst wenn das Kind zu den Kosten des elterlichen Haushalts beiträgt. Mit dem FG ist also festzustellen, daß hier die Sätze des Abschn. 26 Abs. 1 LStR für den Fall eines doppelten Haushalts nicht anwendbar sind.
Das besagt jedoch, wie das FG zutreffend ausführt, nicht, daß ein Verpflegungsmehraufwand überhaupt nicht anzuerkennen wäre. Wenn das FA meint, daß das FG hätte ermitteln müssen, ob dem Stpfl. wirklich ein Verpflegungsmehraufwand entstanden sei, so übersieht es, daß die Feststellung des Mehraufwands - also die Abgrenzung des normalen, zur Lebenshaltung zählenden und nach § 12 Nr. 1 EStG nicht absetzbaren Verpflegungsaufwands zu dem Mehraufwand, der durch die beruflich bedingte Abwesenheit vom Wohnort bedingt ist - nur im Wege der Schätzung möglich ist. Hier eine vereinfachende Lösung zu finden, die ein kaum zumutbares Eindringen in die persönlichen Verhältnisse des Stpfl. vermeidet, ist der Sinn der Pauschsätze des Abschn. 21 und 26 LStR. Den Ausgangspunkt solcher Regelungen bildet die der Lebenserfahrung entsprechende Annahme, daß einem Stpfl., der sich aus beruflichen Gründen nicht bloß vorübergehend, sondern für längere Zeit außerhalb seines Wohnorts aufhält, normalerweise höhere Aufwendungen für Verpflegung erwachsen, als er sie an seinem Wohnort im Rahmen der gewohnten Verhältnisse gehabt hätte.
Wie das FG zutreffend darlegt, kann nach der Lebenserfahrung auch im Streitfall angenommen werden, daß dem Stpfl. bei seinem Aufenthalt in B höhere Aufwendungen für Verpflegung erwachsen sind, als er sie in A gehabt hätte.
Die Frage ist nur, in welcher Höhe der Mehraufwand zu schätzen ist. Daß - entgegen der Ansicht des Stpfl. - nicht die Sätze zugrunde gelegt werden können, die nach Abschn. 21 LStR bei Dienstreisen vorgesehen sind, hat das FG zutreffend dargelegt. Wenn auch eine Dienstreise nicht nur gegeben ist, wenn die Hin- und Rückfahrt nur kurze Zeit auseinander liegen, so kann man doch von einer Dienstreise nicht mehr sprechen, wenn ein Steuerpflichtiger sich an dem auswärtigen Ort seiner beruflichen Tätigkeit für mehrere Monate aufhält. Es liegt auf der Hand, daß normalerweise der Verpflegungsmehraufwand um so höher ist, je öfter der jeweilige Aufenthaltsort wechselt, und daß er fällt, je länger der Aufenthalt an einem Ort dauert, der Stpfl. sich also an die Verhältnisse gewöhnen kann. Auf dieser Erfahrung beruht auch die Unterscheidung zwischen dem bei Dienstreisen und dem bei Auslösungen anzusetzenden Verpflegungsmehraufwand (Abschn. 21 und 22 LStR).
Wenn das FG den Satz des Abschn. 26 LStR angewandt hat, so liegt dem die zutreffende Erwägung zugrunde, daß auch in den Fällen des Abschn. 26 LStR der für eine längere Zeit in Betracht kommende Verpflegungsmehraufwand zu schätzen ist. Hierbei handelt es sich um eine Würdigung von tatsächlichen Verhältnissen, wie sie dem FG als Tatsacheninstanz obliegt (§ 96 FGO) und für den BFH als Revisionsinstanz grundsätzlich verbindlich ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Es ist nicht ersichtlich, daß die Würdigung des FG, zu der man übrigens auch käme, wenn man eine "Auslösung" annähme, die ebenfalls einen längeren Aufenthalt voraussetzt (Abschn. 22 LStR), wider den Akteninhalt oder gegen die Denkgesetze verstößt. Erkennt man aber einen Verpflegungsmehraufwand an, so spielt der Umstand, daß der Stpfl. unverheiratet ist, hinsichtlich der Höhe dieses Aufwands keine Rolle. Wenn die LStR Pauschbeträge für Verpflegungsaufwand vorsehen, wird nicht zwischen verheirateten und unverheirateten Steuerpflichtigen unterschieden (vgl. Urteil des Senats VI 143/60 U, a. a. O.).
Fundstellen
Haufe-Index 412745 |
BStBl III 1967, 792 |
BFHE 1968, 40 |
BFHE 90, 40 |