Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Gibt der Gesellschafter einer GmbH, der seine Gesellschaftsanteile nur als Treuhänder besitzt, Darlehen an die Gesellschaft für Rechnung seines Treugebers, so können die Darlehen, wenn im übrigen die in der Entscheidung III 103/52 S vom 15. Mai 1953 (BStBl. 1953 III S. 208) genannten Voraussetzungen gegeben sind, als verdeckte Stammeinlage behandelt werden.

Der Bundesfinanzhof hält an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs fest, daß auch Darlehen von Nichtgesellschaftern als verdeckte Stammeinlage behandelt werden können, wenn sie wirtschaftlich als Beteiligung am Gesellschaftsvermögen aufzufassen sind.

 

Normenkette

BewG § 62 Abs. 1, § 103/1, § 66/4, § 109/4; StAnpG §§ 6, 11/3

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.), die X-GmbH in M, wurde im Juni 1949 von dem A und der B errichtet. Die GmbH nahm ihre Tätigkeit am 5. Juli 1949 auf. Das Stammkapital betrug 20.000 DM. Davon übernahmen die beiden Gesellschafter je 10.000 DM. Je 2.500 DM, zusammen 5.000 DM, wurden von den Gesellschaftern auf das Stammkapital einbezahlt. Schon vor der Errichtung der GmbH und auch nachher gab der Gesellschafter A der GmbH folgende als Darlehen bezeichnete Geldbeträge:

am 19. Mai 1949 ------------------------- 20.000 DM am 5. Juli 1949 ------------------------- 47.500 DM am 10. August 1949 ---------------------- 30.000 DM am 9. September 1949 -------------------- 25.000 DM --------------------------- zusammen -- 122.500 DM Bereits in der Eröffnungsbilanz per 7. Juni 1949 wurden die beiden ersten Beträge in Höhe von 67.500 DM als "Darlehen A" ausgewiesen. Schon vor Ablauf des Jahres 1949 stand unter den Beteiligten fest, daß die Gesellschaft alsbald wieder aufgelöst werden sollte. Am 20 Januar übertrug die B ihren Geschäftsanteil für 2.500 DM an den Gesellschafter A und schied aus der Gesellschaft aus. Am 27. Juni 1950 beschloß die GmbH ihre Liquidation und am 1. Juni 1950 übernahm die Firma Y KG in N die Geschäftsanteile des A und den Betrieb der GmbH.

Das Finanzamt erließ am 4. Dezember 1950 gegen die Bfin. einen vorläufigen Nachfeststellungsbescheid über den Einheitswert des gewerblichen Betriebs und einen vorläufigen Nachveranlagungsbescheid über die Vermögensteuer ab 1. Januar 1950. Hierbei wurde ein Reinbetriebsvermögen von 140.000 DM und eine jährliche Vermögensteuer von 1.050 DM festgesetzt. Gründe, weshalb die beiden Bescheide nur vorläufig sein sollten, sind nicht angegeben. Vermutlich ist dies darauf zurückzuführen, daß die Bfin. selbst zusammen mit einer Beschwerde gegen die Festsetzung der Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer nur eine vorläufige Bilanz zum 31. Dezember 1949 eingereicht hatte. Nach dieser Bilanz ermittelte das Finanzamt ein Rohbetriebsvermögen von 251.576,60 DM und abzugsfähige Betriebsschulden von 110.885,24 DM, so daß sich ein Reinbetriebsvermögen von 140.691,36 DM, abgerundet 140.000 DM ergab. Hierbei war das Finanzamt von den Angaben in der Bilanz insofern abgewichen, als es die von dem Gesellschafter A gegebenen Darlehen (Stand am 31. Dezember 1949 in Höhe von 121.470,47 DM) als verdeckte Stammeinlage behandelte und daher nicht zum Abzug zuließ. Dieses Darlehen wurde vom Finanzamt auch nach § 3 Abs I des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) einer Gesellschaftsteuer von 3.624,30 DM unterworfen; diese Festsetzung ist rechtskräftig. Bei der Körperschaftsteuer 1949 wurden die an A für Darlehen gezahlten Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt. Der Einspruch dagegen ist nach den Akten noch nicht entschieden.

In der vorliegenden Sache erhob die Bfin. formell nur gegen die Veranlagung zur Vermögensteuer Einspruch; der Sache nach wandte sie sich aber auch gegen die Feststellung des Betriebsvermögens auf 140.000 DM, und zwar ausschließlich gegen die Behandlung des Darlehens A mit rund 120.000 DM als verdeckte Stammeinlage. Trotzdem hat das Finanzamt den Einspruch und das Finanzgericht die Berufung nicht als Rechtsmittel gegen die Nachfeststellung des Einheitswerts, sondern als Rechtsmittel gegen die Nachveranlagung zur Vermögensteuer behandelt. In sachlicher Hinsicht hat jedoch das Finanzgericht der Berufung teilweise stattgegeben und nur die beiden zuerst gegebenen Darlehen in Höhe von 67.500 DM als verdeckte Stammeinlage angesehen, die beiden zuletzt gegebenen Darlehen in Höhe von 55.000 DM dagegen zum Abzug zugelassen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin., die den Abzug der vier Darlehen verlangt. Der Vorsteher des Finanzamts hat demgegenüber beantragt, auch das 3. und 4. Darlehen im Betrage von zusammen 55.000 DM als verdecktes Stammkapital zu behandeln.

Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, daß es einem Steuerpflichtigen grundsätzlich freigestellt sei, ob er sein Unternehmen mit Eigenkapital oder mit Fremdkapital ausstatten wolle. Diese Freiheit finde aber ihre Grenze, wo eine mißbräuchliche Rechtsgestaltung vorliege, insbesondere wo die gewählte Rechtsform sich als eine willkürliche Bezeichnung für einen wirtschaftlichen Vorgang anderer Art darstelle. Auch im Fall der Bfin. müßten mindestens die beiden ersten Beträge als verdeckte Stammeinlage angesehen werden. Bezüglich der beiden weiteren Geldbeträge könne dahingestellt bleiben, ob unter den gegebenen Umständen ein fremder Darlehensgläubiger die beiden Beträge gegeben habe. Es sei aber zu beachten, daß der Vermögensstand der GmbH sich bis zur Hergabe dieser Beträge durch den Gesellschafter A schon so erhöht habe, daß immerhin eine gewisse Sicherheit vorhanden gewesen sei. Aus diesem Grund könne den beiden Beträgen von zusammen 55.000 DM die Anerkennung als Darlehen nicht versagt werden.

Die Bfin. ist der Auffassung, die Kernfrage sei, ob es den Gesellschaftern einer GmbH nicht erlaubt sei, die Finanzierung eines Unternehmens so zu gestalten, wie es von ihnen nach den bestehenden Möglichkeiten für zweckmäßig gehalten werde, und ob im Fall der Bejahung dieser Frage nicht auch die Steuerbehörden die von den Gesellschaftern getroffenen Regelung anerkennen müßten. Sie glaube nicht, daß der Gesetzgeber den Gründen einer GmbH die Höhe des von ihnen zu wählenden Stammkapitals habe vorschreiben wollen. Abgesehen von der Bestimmung über das Mindestkapital könnten die Gründer einer GmbH frei bestimmen, wie hoch die das Stammkapital wählen und wieviel fremdes Geld (Darlehen) sie hereinnehmen wollten. Die Gesellschafter könnten sehr wohl durch niedrige Bemessung des Stammkapitals ihre Haftung beschränken. Das Risiko sei in diesem Fall erheblich geringer. Bei einem etwaigen Konkurs könnte das Stammkapital zwar zu 100 % verloren gehen, aber die Darlehnsgläubiger könnten möglicherweise zu 100% befriedigt werden. Die Rechtsprechung zum GmbH-Gesetz schränke diese Möglichkeiten auch nicht ein. Es sei nicht, wie Finanzamt und Finanzgericht annähmen, notwendig und das Gegebene, das Stammkapital von vornherein so hoch zu bemessen, daß die dem Unternehmen obliegenden Aufgaben möglichst nur unter Zuhilfenahme von geringem Fremdkapital gelöst werden könnten. Genau das Gegenteil sei in der Praxis üblich. Zunächst werde das Stammkapital klein gehalten und erst die Entwicklung des Unternehmens abgewartet. Eine Pflicht zur Erhöhung des Stammkapitals bestehe nicht. Dem Finanzamt schwebe anscheinend die Vorschrift des § 3 KapVStG vor; eine ähnliche Vorschrift gebe es aber bei der Vermögensteuer nicht. In ihrem eigenen Fall seien erhebliche Gründe dafür vorhanden gewesen, an Stelle einer Erhöhung des Stammkapitals den Weg der Darlehensgewährung einzuschlagen. Bereits vor Ablauf des Jahres 1949 habe festgestanden, daß eine alsbaldige Auflösung der Gesellschaft erfolgen solle. Eine nachträgliche Kapitalerhöhung, etwa um den Stichtag herum, sei widersinnig gewesen, da die alsbaldige Liquidation der Gesellschaft festgestanden habe. Der Gesellschafter A sei nur bereit gewesen, das über das Stammkapital hinaus benötigte Geld in Form von Darlehen zu geben. Er habe sich feste Zinsen ausbedungen und auch solche erhalten. Auch aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe sich, daß die gründenden Gesellschafter der Gesellschaft die benötigten Mittel nicht Gesellschaftskapital, sondern darlehensweise zur Verfügung stellen sollten. Dieser Tatbestand sei auch für die Steuerbehörden bindend.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach § 4 Abs. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) ist bei der Veranlagung zur Vermögensteuer das Gesamtvermögen der unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Wert anzusetzen, der nach den §§ 73 bis 77 des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelt worden ist. Bei inländischen Körperschaften usw., die nach § 56 Abs. 1 BewG nur Betriebsvermögen haben und zu denen auch die Bfin. rechnet, ist der Einheitswert des gewerblichen Betriebs zugleich das Gesamtvermögen der Körperschaft. In diesen Fällen ist auch gegen eine Verbindung der Einheitsbewertung mit der Veranlagung zur Vermögensteuer nichts einzuwenden. Trotzdem muß im Verfahren eine gewisse Trennung zwischen der Feststellung des Betriebsvermögens und der Veranlagung zur Vermögensteuer beibehalten werden. Es kann nicht einfach das Einheitswertverfahren beiseite gelassen werden und es können auch nicht Fragen, die bei der Feststellung des Einheitswerts eines gewerblichen Betriebs auszutragen sind, bei der Veranlagung zur Vermögensteuer entschieden werden. Das ist auch deswegen unzulässig, weil der Einheitswert des gewerblichen Betriebs nicht lediglich für die Vermögensteuer, sondern ggf. noch für andere Steuern (z. B. für die Gewerbesteuer) gebraucht wird. Bei der neuerlichen Entscheidung wird daher der Einheitswert des gewerblichen Betriebs auch ausdrücklich festzustellen sein.

Zur Frage, inwieweit die Möglichkeit besteht, Gesellschafterdarlehen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer Kapitalgesellschaft als verdeckte Stammeinlagen zu behandeln, hat der erkennende Senat in dem kürzlich veröffentlichten Urteil III 103/52 S vom 15. Mai 1953, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1953 III S. 208, grundsätzlich Stellung genommen. In diesem Urteil ist beim Vorliegen besonderer, von den Finanzbehörden darzulegender Umstände die Möglichkeit bejaht eine in die äußere Form eines Darlehens gekleidete Zuführung von Mitteln an eine Kapitalgesellschaft als verdeckte Stammeinlage anzusehen. Das muß ohne weiteres dann gelten, wenn die eigene Kapitalgrundlage der GmbH für deren Aufgaben von vornherein unzureichend war, die Gesellschafter sich dieser Unzulänglichkeit bewußt waren und die zusätzliche Finanzierung durch Darlehen in dem Gedanken gewählt haben, im Falle des Mißlingens ihre Verluste zum Nachteil der fremden Gläubiger möglichst nieder zu halten. In Fällen dieser Art hat schon die Rechtsprechung der Zivilgerichte (Reichsgericht in Juristische Wochenschrift 1938 S. 862; Reichsgericht in Zivilsachen Band 166 S. 57) die Anmeldung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs der Gesellschaft unter Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben für unbeachtlich erklärt und sie damit praktisch dem Eigenkapital gleichgestellt. Entsprechendes muß in derartigen Fällen für das Steuerrecht nach § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) gelten. Außerhalb solchen offensichtlichen Mißbrauchs können Gesellschafterdarlehen nur dann als verdeckte Stammeinlagen angesehen werden, wenn die Zuführung weiterer Mittel objektiv notwendig und das Einspringen der Gesellschafter im Wege der Darlehnshingabe deshalb zwingend war, weil das erforderliche Kapital im Wege der Aufnahme von Fremdkrediten nach den Umständen des Einzelfalles nicht hätte beschafft werden können.

Es mag dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall ein offensichtlicher Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (ß 6 StAnpG) gegeben ist. Die eigenen Ausführungen der Bfin. deuten darauf hin, daß dies zutrifft. Jedenfalls muß auf Grund des eigenen Vorbringens der Bfin. und nach den Umständen des Falles angenommen werden, daß über das Stammkapital hinaus die Zuführung weiterer Mittel objektiv notwendig und das Einspringen der Gesellschafter mit Darlehen auch zwingend war. Das erforderliche Kapital hätte, so wie die Dinge liegen, bei der Gründung der Gesellschaft durch die Aufnahme von Fremdkrediten nicht beschafft werden können.

Die Vorinstanzen haben offenbar unterstellt, daß A Gesellschafter zu eigenem Recht und auch Darlehensgläubiger der Bfin. gewesen ist. Nach den Akten war jedoch A nur Mittelsmann der Firma Y, die anscheinend die Bfin finanziert hatte. Danach könnte es sein, daß A nur Treuhänder der Firma Y war. Hierüber sind keine Feststellungen getroffen worden. Obwohl sich auch bei einem etwaigen Treuhandverhältnis in der Behandlung der Darlehen als verdecktes Stammkapital wahrscheinlich nichts ändert, hält es der erkennende Senat im Interesse der Schaffung einwandfreier Grundlagen für die Entscheidung für notwendig, die Feststellungen zu ergänzen. Die Sache wird deshalb zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Es könnte sich ergeben, daß A die Gesellschaftsrechte zu treuen Händen für die Firma Y erworben und auch die Darlehen für Rechnung der Treugeberin gegeben hat. In einem solchen Fall müßte die Treugeberin als wahrer Gesellschafter und wahrer Darlehensgläubiger angesehen werden; über die Behandlung der Darlehen als verdecktes Stammkapital wäre nicht anders zu entscheiden, als wenn A Gesellschafter zu eigenem Recht und auch Darlehnsgläubiger wäre. Es könnte aber auch sein, daß A echter Gesellschafter war und die Darlehen für Rechnung der Firma Y als Treugeberin gewährte. Auch in diesem Falle müßten die Darlehen - ganz oder teilweise - als verdecktes Stammkapital behandelt werden. Es würden dann Darlehen eines Nichtgesellschafters vorliegen. Der Reichsfinanzhof hat bereits in seinem Urteil III A 564/31, Reichssteuerblatt (RStBl) 1932 S. 1088, entschieden, daß auch Darlehen von Nichtgesellschaftern als verdeckte Beteiligung am Vermögen einer GmbH behandelt werden können, wenn sie wirtschaftlich als Beteiligung am Gesellschaftsvermögen aufzufassen sind. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Die Firma Y könnte, auch wenn sie nicht schon unmittelbar als wahre Gesellschafterin anzusehen wäre, hinsichtlich der Hingabe der Darlehen durch A für ihre Rechnung zur Frage ihrer wirtschaftlichen Beteiligung am Vermögen der beschwerdeführenden GmbH nicht anders als ein echter Gesellschafter behandelt und angesehen werden.

Was schließlich die Höhe des erlangbaren Fremdkapitals angeht, so sind die Ausführungen der Vorinstanz bezüglich der beiden letzten Darlehen von 55.000 DM nicht bedenkenfrei. An sich ist es schon möglich, daß bei der Hingabe von mehreren Darlehen die einen als verdeckte Stammeinlagen, die anderen als echte Darlehen behandelt werden. Im vorliegenden Fall sind jedoch die vier Darlehen in so engem Zusammenhang mit dem Aufbau des Betriebs und zeitlich so dicht aufeinander gegeben worden, daß eine verschiedenartige Behandlung - teils als verdecktes Stammkapital, teils als echte Darlehen - nicht gerechtfertigt erscheint.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407760

BStBl III 1953, 328

BFHE 1954, 95

BFHE 58, 95

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