Entscheidungsstichwort (Thema)

Verneinung des Erwerbs eines Grundstücks im Zustand der Bebauung zur Fertigstellung von Gebäuden

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Erwerb eines Grundstücks im Zustand der Bebauung zur Fertigstellung von Gebäuden liegt nicht vor, wenn der Erwerber neben einem Grundstückskaufvertrag einen Bauleistungsvertrag schließt, aber beide Verträge einen untrennbaren einheitlichen Vertrag darstellen, der auf den Erwerb eines Grundstücks mit einem fertiggestellten Gebäude abzielt.

2. Ein Grundstück kann nicht mehr in einem Zustand zum Gegenstand einer kaufvertraglichen Vereinbarung gemacht werden, den es nicht mehr hat und nach den Vorstellungen der Beteiligten auch nicht mehr erhalten soll (BFH-Urteil vom 8. März 1978 II R 131/76, BFHE 125, 463, BStBl II 1978, 635).

3. Sind ein Grundstückskaufvertrag und ein Bauleistungsvertrag derart untrennbar miteinander verbunden, daß dem Vertragsgegenstand nach der eine zum anderen eine notwendige Ergänzung bildet, so sind die Verträge nicht auf unterschiedliche Leistungen gerichtet.

 

Normenkette

GrEStWoBauG NW § 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kl. erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 4. Januar 1973 von der Wohnbau X-KG (KG) ein Grundstück. Als Kaufpreis wird in der Vertragsurkunde ein Betrag von . . . DM genannt. Am gleichen Tag schlossen sie mit der KG einen als Bauleistungsvertrag bezeichneten Vertrag. Nach dessen Inhalt beauftragten sie die KG, auf dem Erwerbsgrundstück ein Einfamilienhaus nebst Garage zu errichten. Die Errichtung der Gebäulichkeiten sollten nach Maßgabe einer Broschüre erfolgen, deren Inhalt vom FG nicht festgestellt ist. Die Baukosten waren als Festkosten mit . . . DM beziffert und sollten nach Baufortschritt bezahlt werden. Die bis zur Fertigstellung des Kellerbodens anfallenden Teilbeträge von . . . DM für erbrachte Bauträger-, Architekten- und Ingenieurleistungen, . . . DM bei Beginn der Ausschachtungsarbeiten und . . . DM bei Fertigstellung der Kellerdecke, waren zum 15. Januar 1973 fällig. In § 5 des ,,Bauleistungsvertrages" heißt es, daß sich der Fertigstellungstermin hinauszögern dürfe, wenn ,,Kaufpreisteilbeträge" länger als 4 Wochen seit Fälligkeitstermin nicht gezahlt würden und daß Verzugszinsen zu zahlen sind, wenn der ,,Bauherr einen Kaufpreisteilbetrag länger als 8 Tage seit dem vereinbarten Fälligkeitstermin nicht" leiste. Nach § 8 des ,,Bauleistungsvertrages" hatte die KG bei der Übergabe des Bauwerks (welche unverzüglich nach Bezugsfertigkeit erfolgen sollte) seitens des ,,Bauherrn" mit Recht gerügte bauliche Mängel innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. Bezüglich der im Übergabeprotokoll nicht aufgeführten Mängel war der ,,Bauherr" nicht berechtigt, gegen die KG Ansprüche geltend zu machen. Diese trat insoweit sämtliche ihr zustehenden Erfüllungs-, Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Lieferanten und mit dem Bau befaßten Unternehmer an die Kl. ab. Baugenehmigung, Schlußabnahmeschein und Anerkennungsbescheid lauten auf den persönlich haftenden Gesellschafter der KG. Zum Bautenstand hat das FG festgestellt, daß mit den Ausschachtungsarbeiten am 6. September 1972 begonnen worden und im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse bereits mit dem Bau des Kellers begonnen worden war. Das FG hat weiter festgestellt, daß die KG gleichzeitig und benachbart 4 Häuser errichtet hat

und daß an dem Haus der Kl. zuvor ein anderes Ehepaar ,,fest interessiert" war.

Aufgrund entsprechenden Antrags hatte das FA unter gleichzeitiger Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung mit Verfügung vom 25. Mai 1973 vorläufig von der Erhebung der GrESt abgesehen.

Nachdem dem FA im Zuge der Überwachung bekanntgeworden war, daß neben dem Grundstückskaufvertrag auch ein weiterer Vertrag abgeschlossen worden war, setzte es mit Bescheiden vom 19. Dezember 1978 gegen die Kl. je . . . DM GrESt nebst einem Zuschlag von 36 v.H. fest. Im Einspruchsverfahren trugen die Kl. vor, die Einheit beider Verträge sei zu verneinen. Daß die KG das Grundstück möglicherweise deshalb nur veräußerte, weil ihr am gleichen Tage die Bauausführung übertragen worden sei, lasse nicht auf eine Einheit der Verträge schließen. Anhand einer umfangreichen 30 Punkte umfassenden Sonderwunschliste hätten die Kl. den Innenausbau und die Ausstattung des Hauses gegen entsprechenden Aufpreis nach ihren individuellen Vorstellungen durchführen lassen. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen vom 7. Februar 1980 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage begehren die Kl. die Aufhebung der Einspruchsentscheidungen und der GrESt-Bescheide. Die Tatsache, daß bereits eine Baugenehmigung erteilt gewesen sei, schließe die Bauherreneigenschaft der Kl. nicht aus, weil es im heutigen Geschäftsleben häufig vorkomme, daß unbebaute Grundstücke mit bereits erteilter Baugenehmigung verkauft würden. Es liege in der Natur der Sache, daß der Einfluß auf die Plangestaltung nach Abschluß eines Werkvertrages nur noch in geringem Umfang möglich sei.

Das FG hat den Klagen stattgegeben. Es ist der Auffassung, die Kl. hätten ein im Zustand der Bebauung befindliches Grundstück steuerfrei nach § 1 Nr. 4 GrEStWoBauG erworben und durch einen vom Grundstückskaufvertrag unabhängigen Werkvertrag die Veräußerin des Grundstücks nunmehr als Generalunternehmerin beauftragt, das Gebäude für sie - die Kl. - fertigstellen zu lassen.

Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klagen abzuweisen. Es rügt Verletzung von § 1 Nr. 4 GrEStWoBauG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klagen.

Nach § 1 Nr. 4 GrEStWoBauG war von der GrESt unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks im Zustand der Bebauung zur Fertigstellung von Gebäuden, deren anrechenbare Grundfläche aller Räume zu mehr als 66 2/3 v.H. auf steuerbegünstigte Wohnungen und Wohnräume entfällt. Zutreffend ist zwar das FG davon ausgegangen, daß der Erwerber den steuerbegünstigten Zweck selbst erfüllen muß. Seine weitere Auffassung, die Kl. hätten neben einem reinen Kaufvertrag einen echten Werkvertrag abgeschlossen und deshalb den Zweck selbst verwirklicht, vermag der Senat nicht zu teilen. Denn entgegen der Auffassung des FG bildeten der Grundstückskaufvertrag und der Bauleistungsvertrag einen untrennbaren einheitlichen Vertrag, der auf den Erwerb eines Grundstücks mit einem fertiggestellten Gebäude abzielte.

Nach den Feststellungen des FG war mit der Bebauung des Grundstücks am 4. Januar 1973, dem Erwerbszeitpunkt durch die Kl., bereits begonnen worden. Damit erstreckte sich der Kaufvertrag notwendig auf die bei Vertragsabschluß vorhandene Bausubstanz (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 94 Abs. 1 BGB); denn ein Grundstück kann nicht mehr in einem Zustand zum Gegenstand einer kaufvertraglichen Vereinbarung gemacht werden, den es nicht mehr hat und nach den Vorstellungen der Beteiligten auch nicht mehr erhalten soll (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 8. März 1978 II R 131/76, BFHE 125, 463, BStBl II 1978, 635). Ohne Ergänzung durch den Bauleistungsvertrag war demnach der Grundstückskaufvertrag unvollständig; schon deshalb waren beide Verträge untrennbar miteinander verflochten. Die vom FG angenommene Trennung hätte zumindest vorausgesetzt, daß bei Abschluß des Kaufvertrages eine eindeutige körperliche Bestandsaufnahme der Bausubstanz stattgefunden hätte und der Kaufpreis für diese ermittelt worden wäre. Denn der Bauleistungsvertrag konnte erst dort beginnen, wo der Kaufvertrag endete (vgl. dazu Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. April 1983 II R 53/81, BFHE 138, 476, BStBl II 1983, 606). Die daraus folgende Unabgrenzbarkeit beider Verträge konnte nur deshalb keine Rolle spielen, weil gleichzeitig mit dem Grundstückskaufvertrag der Bauleistungsvertrag abgeschlossen wurde, der den Gesamtpreis für das schlüsselfertige Gebäude ausweist. Sind aber beide Verträge derart untrennbar miteinander verbunden, daß der eine notwendige Ergänzung zum anderen dem Vertragsgegenstand nach bildet, so kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß die beiden Verträge auf unterschiedliche Leistungen gerichtet seien. Die den Kl. aufgrund der Sonderwunschliste eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit des Innenausbaus und dessen Merkmale geht nicht über diejenige hinaus, die auch einem Käufer eines erst ,,nach Prospekt" zu erstellenden Einfamilienhauses gewährt werde. Auf die vom FA weiter aufgeworfene Frage, ob § 1 Nr. 4 GrEStWoBauG nur auf ,,steckengebliebene Bauvorhaben" anwendbar sei, kommt es nach alledem nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414138

BFH/NV 1986, 367

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