Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreier Grundstückserwerb ,,zur Vermeidung einer Umlegung"?

 

Leitsatz (NV)

Zur Vermeidung einer Umlegung wurde ein Grundstück dann erworben, wenn ohne diesen Erwerb ein Umlegungsverfahren erforderlich wäre, um das Gebiet, in welchem das erworbene Grundstück lag, aufgrund eines Bebauungsplans und der ihm beigefügten Begründung in der Weise neu zu ordnen, daß nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen.

 

Normenkette

GrEStBBauG NW § 1 Abs. 1 Nr. 5; BBauG § 9 Abs. 6, §§ 45, 52; FGO § 118 Abs. 1 S. 1, § 120 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtszug.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte am 4. August 1970 ein in Nordrhein-Westfalen (NW) liegendes, 693 qm großes, unbebautes Grundstück für 48 510 DM. Sie beantragte Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStWoBauG (NW) mit der Begründung, sie habe das Grundstück zur Vermeidung einer Umlegung erworben: Sie sei Eigentümerin eines im Gebiet der Stadt S (NW) liegenden 968 qm großen, bebauten Grundstücks gewesen, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gelegen habe. Dieses Grundstück habe sie am 21. Mai 1965 für 130 000 DM an die Stadt S verkauft ,,zur Verbesserung der Straßenverhältnisse an der Kreuzung Haupt- und . . .-Straße in S". Die Stadt habe sich verpflichtet, ,,bei einer Weiterveräußerung der nach Straßenanlegung etwa verbleibenden Restfläche", diese zunächst der Klägerin ,,anzubieten". Verblieben sei nach der Straßenverbesserung eine Restfläche von 489 qm, nämlich die Parzellen a (169 qm) und b (320 qm). Diese Restfläche sei wegen ihrer Form nicht für eine bauliche Nutzung geeignet gewesen. Um ein bebauungsfähiges Grundstück zu schaffen, habe die Stadt einen Teil der Restfläche, nämlich 320 qm (Parzelle b) im Tauschweg an den Eigentümer eines benachbarten Grundstücks gegeben und die dafür erhaltenen 524 qm zuzüglich der vom ursprünglichen Grundstück verbliebenen 169 qm (Parzelle a), die zusammen ein bebauungsfähiges Grundstück von (524 qm + 169 qm =) 693 qm Größe gebildet hätten, ihr zum Kauf angeboten. Dieses Angebot habe sie - wie eingangs erwähnt - am 4. August 1970 angenommen.

Das FA hielt den Erwerb des Grundstücks nicht für steuerfrei und erhob durch Bescheid vom 28. Januar 1976 Grunderwerbsteuer (4 413 DM) nach, den Einspruch wies es zurück. Die Klägerin habe das Grundstück nicht zur Vermeidung einer Umlegung erwerben können, weil das Umlegungsverfahren mit der Übereignung des früheren Grundstücks an die Stadt und deren Zahlung von 130 000 DM an die Klägerin abgeschlossen gewesen sei.

Das Finanzgericht (FG) hat im zweiten Rechtszug die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin im wesentlichen geltend, das Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG (NW) - sei verfassungswidrig gewesen; außerdem sei § 96 FGO verletzt. Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß das seinerzeit in NW geltende GrEStG nicht verfassungswidrig gewesen ist (vgl. Beschluß des BVerfG gemäß § 93 a Abs. 3 BVerfGG vom 16. März 1983 I BvR 1077/80, HFR 1983, 227 Nr. 226 mit Anm.). Sein Urteil muß aber aufgehoben werden, weil die vom FG festgestellten Tatsachen nicht hinreichen, um dem erkennenden Senat eine abschließende Prüfung des vom FG gezogenen rechtlichen Schlusses zu ermöglichen, die Klägerin habe das bezeichnete Grundstück nicht steuerfrei ,,zur Vermeidung einer Umlegung nach §§ 45 bis 79 des Bundesbaugesetzes" erworben (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 des damals in NW geltenden Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Grunderwerb nach dem Bundesbaugesetz vom 25. Juni 1962 GVBl NW S. 347, BStBl II S. 140).

,,Zur Vermeidung einer Umlegung" im Sinne der Befreiungsvorschrift wurde ein Grundstück dann erworben, wenn ohne diesen Erwerb ein Umlegungsverfahren erforderlich wäre, um das Gebiet, in welchem das erworbene Grundstück lag, aufgrund eines Bebauungsplans und der ihm beigefügten Begründung (§ 9 Abs. 6 des Bundesbaugesetzes - BBauG -) in der Weise neu zu ordnen, daß nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen (§ 45 BBauG). Ob diese Voraussetzungen gegeben waren, läßt sich anhand der bisher vom FG festgestellten Tatsachen nicht beurteilen. Es ist nicht auszuschließen, daß das FG angenommen hat, das für die Umlegung in Betracht kommende Gebiet (vgl. § 52 BBauG) beschränke sich auf den Teil des ursprünglichen Grundstücks, der ,,zur Verbesserung der Straßenverhältnisse an der Kreuzung Haupt- und . . .-Straße" erforderlich war und daß es dadurch zu einer fehlerhaften Beurteilung gekommen ist. Die unzureichenden Tatsachenfeststellungen muß das Revisionsgericht von Amts wegen beachten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422923

BFH/NV 1986, 366

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