Entscheidungsstichwort (Thema)
(Gewerblicher Grundstückshandel bei Veräußerung von vier Objekten innerhalb von fünf Jahren)
Leitsatz (amtlich)
Ein gewerblicher Grundstückshandel ist anzunehmen, wenn innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vier in Veräußerungsabsicht erworbene oder bebaute Objekte verkauft werden.
Orientierungssatz
1. Ausführungen mit Hinweisen auf die BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung einer gewerblichen Tätigkeit vom Bereich der privaten Vermögensverwaltung bei Grundstücksgeschäften und zum engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Anschaffung bzw. Bebauung des Grundstücks und seiner Veräußerung.
2. Parallelentscheidung: BFH, 18.9.1991, XI R 24/90, NV.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; GewStDV § 1 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betreibt in O ein Ingenieurbüro für Baustatik. Er tätigte folgende Grundstücksgeschäfte:
1. Am 27.Januar 1975 erwarb der Kläger das Mietwohngrundstück A für 150 000 DM und veräußerte es nach vorübergehender Vermietung am 16.Oktober 1979 zum selben Preis.
2. Am 18.März 1976 erwarb der Kläger in O ein Grundstück B in unbebautem Zustand für 24 560 DM. In den Jahren 1976 und 1977 bebaute er das Grundstück mit einem Zweifamilienhaus, das er am 22.Juni 1979 für 335 000 DM verkaufte.
3. Am 13.März 1979 erwarb der Kläger das unbebaute Grundstück C in O zum Preis von 23 920 DM. 1980 begann er dort mit dem Bau eines Doppelhauses. Das Grundstück wurde 1982 parzelliert (C 1 und C 2). Am 25.Januar 1982 verkaufte er das Grundstück C 1 für 145 000 DM an seinen Bruder und am 11.Juli 1982 das Grundstück C 2 für 155 000 DM an einen Bekannten des Bruders.
4. In den Jahren 1985 bis 1987 verkaufte der Kläger einen 1984 erworbenen Bauplatz in O sowie insgesamt drei Eigentumswohnungen in N und O, die er jeweils längstens zwei Jahre zuvor erworben hatte.
Bei einer Außenprüfung im Jahre 1984 ermittelte der Prüfer folgende Gewinne:
1. Grundstück A, Verlust von 1 070 DM,
2. Grundstück B, 159 365 DM,
3. O, C 1, 62 700 DM,
4. O, C 2, 72 700 DM.
Der Prüfer nahm einen gewerblichen Grundstückshandel des Klägers ab 1979 an. Demzufolge wurde für 1982 ein geänderter Einkommensteuerbescheid mit einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 120 083 DM erlassen. Der Einspruch wurde zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Verkauf von vier Objekten in den Jahren 1979 bis 1982 stelle sich nicht als Vermögensverwaltung dar, da in allen Fällen zwischen Grundstückserwerb und -verkauf weniger als fünf Jahre gelegen hätten. Dabei sei ohne Bedeutung, daß das Grundstück C 1 in O an den Bruder des Klägers verkauft worden sei, da kein Nachweis erfolgt sei, daß dieser Verkauf ohne Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen worden sei. Der Kläger sei bei keinem verkauften Grundstück längere Zeit Eigentümer gewesen, die Objekte seien nicht langfristig vermietet worden und der Kläger gehöre zum Berufskreis der Bauingenieure.
Mit der Revision tragen die Kläger vor, das FG sei vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9.Dezember 1986 VIII R 317/82 (BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244) und vom Urteil vom 3.Juni 1987 III R 209/83 (BFHE 150, 418, BStBl II 1988, 277) abgewichen. Das FG habe zu Unrecht den Verkauf des Grundstücks A in seine Beurteilung einbezogen. Der Kläger habe dieses Grundstück in bebautem Zustand als Mietwohngrundstück erworben und ohne bauliche oder sonstige Veränderung fast fünf Jahre als Mietobjekt genutzt. Bei der Veräußerung sei ihm ein Verlust von 9 600 DM entstanden.
Im übrigen habe das Gericht auch seine Sachaufklärungspflicht verletzt, indem es keine Beweise dahingehend erhoben habe, ob der Kläger bei dem Verkauf der Doppelhaushälfte an seinen Bruder am allgemeinen Markt teilgenommen und in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt habe. Der Bruder habe für das gleiche Objekt wie das Nachbarhaus 10 000 DM weniger gezahlt.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und im Einkommensteuerbescheid vom 4.April 1985 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Nach § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 1 Abs.1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung a.F. (GewStDV) --ab 1983 § 15 Abs.2 EStG-- liegt ein Gewerbebetrieb bei einer mit Gewinnerzielungsabsicht unternommenen selbständigen und nachhaltigen Betätigung unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vor, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs oder einer anderen selbständigen Tätigkeit anzusehen ist; vorausgesetzt wird ferner, daß diese Betätigung keine private Vermögensverwaltung darstellt (BFH- Urteile vom 23.Oktober 1987 III R 275/83, BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293; vom 18.Januar 1989 X R 108/88, BFHE 156, 115, BStBl II 1990, 1051; vom 11.April 1989 VIII R 266/84, BFHE 156, 476, BStBl II 1989, 621).
Für die Abgrenzung einer gewerblichen Tätigkeit vom Bereich der privaten Vermögensverwaltung kommt es bei Grundstücksgeschäften nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28.September 1987 VIII R 46/84, BFHE 151, 74, BStBl II 1988, 65, m.w.N.) darauf an, ob nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt.
Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Rechtssicherheit hat der BFH in seiner neueren Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß der Bereich privater Vermögensverwaltung erst dann verlassen wird, wenn mindestens vier einzelne Objekte, seien es unbebaute Grundstücke, bebaute Grundstücke oder Eigentumswohnungen, angeschafft bzw. errichtet und veräußert werden (Urteile des BFH in BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244; in BFHE 150, 418, BStBl II 1988, 277; in BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293; vom 1.Dezember 1989 III R 56/85, BFHE 159, 167, BStBl II 1990, 1054, und in BFHE 156, 115, BStBl II 1990, 1051).
2. Darüber hinaus ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den genannten Maßnahmen zu verlangen.
Dieses Erfordernis ergibt sich einmal daraus, daß schon die Anschaffung bzw. Bebauung des Grundstücks von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein muß. Auf diese innere Tatsache läßt sich nur anhand objektiver Merkmale schließen. Demgemäß hat die Rechtsprechung eine Betätigung in Verkaufs- und damit in Gewinnerzielungsabsicht angenommen, wenn zwischen der Anschaffung bzw. Bebauung des Grundstücks und seiner Veräußerung nicht mehr als fünf Jahre liegen. Sofern nicht besondere Umstände gegeben sind, ist dieser Zeitraum auch maßgebend, wenn das Grundstück vom Veräußerer zunächst selbst genutzt oder vermietet worden ist; in diesem Fall ist von einer bedingten Verkaufsabsicht auszugehen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293; vom 6.April 1990 III R 28/87, BFHE 160, 494, BStBl II 1990, 1057).
Darüber hinaus verlangt die erforderliche Nachhaltigkeit der auf Gewinnerzielung gerichteten Betätigung auch einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Verwertung der einzelnen Objekte durch den Steuerpflichtigen. Wie dieser zeitliche Zusammenhang im einzelnen bestimmt werden soll, ist bisher nicht entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 19.Dezember 1990 X R 165/87, BFH/NV 1991, 381). Er ist nach Auffassung des Senats gegeben, wenn sich die Veräußerung der jeweils in (bedingter) Verkaufsabsicht angeschafften oder bebauten vier Objekte innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vollzieht. Dies entspricht auch der Auffassung des Bundesministers der Finanzen --BMF-- (Schreiben vom 20.Dezember 1990 IV B 2 - S 2240 - 61/90, BStBl I 1990, 884). Die Gewinnerzielungsabsicht wird erst durch die Veräußerung deutlich; daß sich der Steuerpflichtige in nachhaltiger Weise betätigt hat, zeigt der zeitliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Veräußerungen. Unter Einbeziehung der Anschaffung oder Errichtung des Einzelobjekts kann sich danach ein Betrachtungszeitraum von zehn Jahren ergeben.
Die angegebenen zeitlichen Grenzen haben allerdings keine starre Bedeutung. Im Einzelfall kann sich herausstellen, daß auch ein längerer Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Veräußerung nicht gegen die Gewinnerzielungsabsicht hinsichtlich des Einzelobjekts spricht und daß auch Veräußerungen außerhalb des Fünfjahreszeitraums zu berücksichtigen sind. Hierfür kann eine höhere Zahl von Veräußerungen nach Ablauf dieses Zeitraums, aber auch eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich sprechen (vgl. BFH-Urteil vom 5.September 1990 X R 107-108/89, BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060).
3. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger mit seinen Grundstücksgeschäften einen Gewerbebetrieb unterhalten, der im Streitjahr zu den vom FA ermittelten Gewinnen geführt hat.
Er hat innerhalb eines Fünfjahreszeitraums, nämlich zwischen Oktober 1979 und Juli 1982 vier Objekte veräußert. Es ist auch davon auszugehen, daß die Objekte in Verkaufsabsicht angeschafft bzw. errichtet worden sind. Dies gilt insbesondere für das als erstes veräußerte Mietwohnhaus A, das der Kläger weniger als fünf Jahre zuvor erworben hatte. Daß der Kläger dieses Grundstück zunächst vermietet hatte, spricht nicht gegen eine bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs; ebensowenig läßt sich dies aus dem Umstand herleiten, daß der Kläger nach seinen Angaben aus der Veräußerung keinen Gewinn erzielt hat. Ebenso ist ohne Belang, ob der Kläger beim Verkauf des letzten Objekts seinem Bruder einen Vorzugspreis eingeräumt hat. Daß er die Doppelhaushälfte lediglich gegen Kostenerstattung errichtet habe, hat er nicht vorgetragen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Kläger aus dieser Veräußerung auch einen Gewinn erzielt; das FG hat in diesem Zusammenhang auch nicht seine Aufklärungspflicht verletzt, weil der Kläger selbst erklärt hatte, die behaupteten weiteren Herstellungskosten seien nicht nachweisbar.
Schließlich kann im Streitfall nicht unbeachtet bleiben, daß der Kläger in den Folgejahren 1985 bis 1987 insgesamt vier weitere Grundstücke bzw. Eigentumswohnungen veräußert hat, die er in allen Fällen längstens zwei Jahre vor der Veräußerung erworben hatte. Da der Kläger als selbständiger Baustatikingenieur als branchenkundig anzusehen ist, legt auch dies die Annahme gewerblicher Grundstücksgeschäfte nahe.
Fundstellen
Haufe-Index 63768 |
BStBl II 1992, 135 |
BFHE 165, 521 |
BB 1992, 116-117 (LT) |
DB 1992, 251-252 (LT) |
DStR 1992, 104 (KT) |
DStZ 1992, 120 (KT) |
HFR 1992, 181 (LT) |
StE 1992, 3 (K) |