Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsverfahren bei doppelstöckiger Personengesellschaft
Leitsatz (NV)
Ist eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft beteiligt, so sind die Einkünfte beider Gesellschaften in zwei verschiedenen Verfahren gesondert und einheitlich festzustellen. Dabei darf ein Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an der Obergesellschaft nur in dem diese Gesellschaft betreffenden Feststellungsbescheid erfasst werden.
Normenkette
AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die steuerlichen Folgen der Veräußerung von Anteilen an einer KG.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine nach spanischem Recht gegründete Sociedad en Comandita. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) entspricht diese Gesellschaftsform ihrem Typus nach der deutschen KG. An der Klägerin waren im Streitjahr (1996) die A-GmbH als unbeschränkt haftende Gesellschafterin und die Beigeladene, eine GmbH & Co. KG, als beschränkt haftende Gesellschafterin beteiligt. Die Gesellschafter der Beigeladenen sind überwiegend unbeschränkt steuerpflichtige Personen.
Im Streitjahr veräußerten Gesellschafter der Beigeladenen ihre Kommanditanteile mit Gewinn an eine andere KG. Der Veräußerungsgewinn beruhte ausschließlich auf der Aufdeckung stiller Reserven im Vermögen der Klägerin. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ im Anschluss an eine Außenprüfung einen die Klägerin betreffenden Feststellungsbescheid, in dem er diesen Veräußerungsgewinn als steuerpflichtig behandelte und der Beigeladenen zurechnete.
Das nach erfolglosem Einspruchsverfahren angerufene FG Hamburg erließ ein Urteil, dessen Tenor dahin lautet, dass "der Veräußerungsgewinn … als nach DBA steuerfrei festgestellt" werde. Gegen dieses Urteil vom 22. August 2006 7 K 139/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 101) richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA.
Das FA rügt eine Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst. Der angefochtene Bescheid ist dahin zu ändern, dass die Einkünfte der Klägerin ohne Berücksichtigung des im Streit befindlichen Veräußerungsgewinns festgestellt werden. Für einen Urteilsausspruch des Inhalts, dass dieser Gewinn nach Maßgabe des § 180 Abs. 5 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gesondert festgestellt wird, ist im vorliegenden Verfahren kein Raum.
1. Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden einkommensteuerpflichtige und körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen zuzurechnen sind. Diese Voraussetzung ist unter anderem dann erfüllt, wenn es um Einkünfte geht, die im Rahmen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) erzielt worden sind.
2. Ist eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) ihrerseits an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein zweistufiges Feststellungsverfahren durchzuführen. Dabei werden die im Rahmen der Untergesellschaft erzielten Einkünfte in einem diese Gesellschaft betreffenden Bescheid gesondert und einheitlich festgestellt und der Obergesellschaft zugerechnet; die hierzu gegenüber der Untergesellschaft getroffenen Feststellungen bilden die Grundlage für einen weiteren gegenüber der Obergesellschaft zu erlassenden Feststellungsbescheid, in dem die der Obergesellschaft zugerechneten Einkünfte dieser gegenüber festgestellt und den Beteiligten der Obergesellschaft zugerechnet werden (Senatsbeschluss vom 26. April 2005 I B 159/04, BFH/NV 2005, 1560; Brockmeyer in Klein, AO, 9. Aufl., § 180 Rz 11, m.w.N.). Diese verfahrensrechtliche Behandlung ("doppelstöckiges Feststellungsverfahren") ist auch dann geboten, wenn es sich bei der Untergesellschaft um eine ausländische Personengesellschaft handelt und an ihr neben der Obergesellschaft weitere unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind (Senatsurteil vom 9. Juli 2003 I R 5/03, BFH/NV 2004, 1; Kunz in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 180 AO Rz 25.1). Eine solche Sachverhaltsgestaltung liegt nach den Feststellungen des FG im Streitfall vor.
3. Auf dieser Basis hat das FA die Einkünfte der Klägerin zu Recht gesondert festgestellt. Es war aber nicht berechtigt, in diese Feststellung denjenigen Gewinn einzubeziehen, den die Gesellschafter der Beigeladenen aus der Veräußerung ihrer Anteile an jener Gesellschaft erzielt haben. Denn der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Obergesellschaft zählt nicht zu den im Rahmen der Untergesellschaft erzielten Einkünften; er ist deshalb verfahrensrechtlich nur im Rahmen der gesonderten Feststellung der Einkünfte der Obergesellschaft zu erfassen (ebenso Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 26. Aufl., § 15 Rz 620). Der gegenteiligen Ansicht des FG vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
a) Die Systematik des "doppelstöckigen Feststellungsverfahrens" geht davon aus, dass bei einer mehrstufigen Beteiligungsstruktur die Einkünfte stets gegenüber derjenigen Gesellschaft oder Gemeinschaft festgestellt werden, durch die sie erzielt worden sind. Werden indessen Anteile an einer Obergesellschaft veräußert, so vollzieht sich die dadurch bewirkte Einkunftserzielung allein auf der Ebene der Obergesellschaft. Die Untergesellschaft ist in dieser Situation weder Subjekt noch Gegenstand des Veräußerungsvorgangs; für eine Zuordnung von Einkünften zu ihrem Bereich ist deshalb kein Raum. Das gilt auch dann, wenn die Beteiligung an der Untergesellschaft oder die ihr zuzurechnenden Wirtschaftsgüter als wertbildende Faktoren in den Erlös für die Veräußerung der Anteile an der Obergesellschaft eingehen. Ob eine andere Betrachtung geboten ist, wenn bei der Untergesellschaft Ergänzungsbilanzen der Obergesellschaft oder ihrer Gesellschafter gebildet wurden (vgl. dazu Wacker in Schmidt, a.a.O., § 15 Rz 471, m.w.N.) und diese Ergänzungsbilanzen sich auf die Höhe des Veräußerungsgewinns auswirken, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung; für das Vorliegen einer solchen Sachverhaltsgestaltung bieten die Feststellungen des FG keinen Anhaltspunkt.
b) Diese Beurteilung liegt ersichtlich auch dem Urteil des IV. Senats des BFH vom 1. Juli 2004 IV R 67/00 (BFHE 206, 557) zu Grunde.
In jenem Fall hatte die Kommanditistin einer KG (Obergesellschaft) ihren Anteil an dieser veräußert, wobei der erzielte Veräußerungsgewinn teilweise auf die Aufdeckung stiller Reserven des von einer Untergesellschaft geführten Tierzuchtbetriebs entfiel. Die Finanzbehörde hatte den gesamten Veräußerungsgewinn bei der Feststellung des Gewinns der Obergesellschaft erfasst, und die Beteiligten stritten nunmehr darum, ob in diesem Rahmen ein nicht ausgeglichener Verlust der Untergesellschaft i.S. des § 15 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes gewinnmindernd zu berücksichtigen war. Die Behörde verneinte dies mit der Begründung, es sei nur der Mitunternehmeranteil an der Obergesellschaft veräußert worden, die keine gewerbliche Tierhaltung betrieben habe; daran wird deutlich, dass im Urteilsfall bei der Untergesellschaft kein Veräußerungsgewinn erfasst worden war, da anderenfalls ein solcher Veräußerungsgewinn ohne weiteres mit dem nicht ausgeglichenen verrechenbaren Verlust der Untergesellschaft hätte saldiert werden müssen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26. Januar 1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, 77, BStBl II 1995, 467, 470). Dementsprechend wird denn auch in der Entscheidung des IV. Senats eine Gewinnfeststellung gegenüber der Untergesellschaft, in welche die Aufdeckung der stillen Reserven aus dem Tierzuchtbetrieb einbezogen worden wäre, nicht erwähnt.
Gleichwohl hat der IV. Senat das verfahrensrechtliche Vorgehen der Finanzbehörde erkennbar für unbedenklich gehalten. Er hat insbesondere nicht angenommen, dass die Aufdeckung der bei der Untergesellschaft entstandenen stillen Reserven im Rahmen der Gewinnfeststellung für die Untergesellschaft zu erfassen sei; anderenfalls hätte er entweder unter Berufung auf das Fehlen einer vorgreiflichen Feststellung die Sache zurückverweisen (vgl. dazu Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 74 Rz 12; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Rz 55, m.w.N.) oder, wenn er der Rechtsprechung des BFH zum Verfahren bei Fehlen eines erforderlichen Grundlagenbescheids nicht folgen wollte, wegen dieses Punktes den Großen Senat des BFH anrufen müssen (§ 11 Abs. 2 FGO). Beides ist nicht geschehen; vielmehr hat der IV. Senat abschließend in der Sache entschieden und in diesem Zusammenhang unter anderem bemerkt, dass der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils "nicht in einem Betrieb gewerblicher Tierzucht entstanden" sei (ebenso von Schönberg, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 1192). All das zeigt, dass seiner Ansicht nach die Veräußerung von Anteilen an einer Obergesellschaft auch dann nicht zu einem der Untergesellschaft zuzurechnenden und ihr gegenüber festzustellenden Gewinn führt, wenn der Veräußerungserlös auf stille Reserven im Vermögen der Untergesellschaft entfällt. Diese Einschätzung hält der erkennende Senat für zutreffend.
c) Vor diesem Hintergrund ist im Streitfall für die Feststellung eines Veräußerungsgewinns gegenüber der Klägerin kein Raum. Der gegenüber der Klägerin ergangene Feststellungsbescheid ist deshalb entsprechend abzuändern, ohne dass es darauf ankommt, ob die ihm zu Grunde liegende materiell-rechtliche Einschätzung der Rechtslage zutreffend ist. Diese Frage wird vielmehr nur in einem Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit des gegenüber der Beigeladenen erlassenen Feststellungsbescheids geklärt werden können.
4. Das FG hat sich nicht auf eine dahingehende Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheids beschränkt, sondern darüber hinaus ausgesprochen, dass der Veräußerungsgewinn "als nach DBA steuerfrei festgestellt" werde. Die Feststellung eines abkommensrechtlich steuerbefreiten Gewinns (§ 180 Abs. 5 Nr. 1 AO) muss grundsätzlich in einem eigenständigen und von der Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO zu trennenden Bescheid erfolgen (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. Dezember 2002 I R 92/01, BFHE 201, 447, m.w.N.). Unabhängig davon kann jedoch der in Rede stehende Veräußerungsgewinn gegenüber der Klägerin nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ebenso wenig wie nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO festgestellt werden, da die Klägerin ihn nicht erzielt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1961893 |
BFH/NV 2008, 729 |
DStZ 2008, 426 |