Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Verwaltet der Betriebsrat eines Unternehmens die Werkskantine zugunsten der Belegschaft, so kann der Gewinn der Kantine bei der Belegschaft als einem nichtrechtsfähigen Verein der Körperschaftsteuer unterworfen werden. Die Verteilung des überschusses an die Belegschaft nach Köpfen führt zu keinen Betriebsausgaben.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 5, § 3
Tatbestand
Eine OHG überließ den Betrieb der in ihren Räumen befindlichen Werkskantine dem Betriebsrat der Belegschaft, der die Kantine zum Wohl und zugunsten der Belegschaft führen und etwaige überschüsse an die Belegschaft verteilen mußte. Das Finanzamt zog die Kantine als nichtrechtsfähigen Verein im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 KStG mit dem im Jahre 1957 erzielten überschuß zur Körperschaftsteuer heran und ließ den Teil des überschusses nicht als Betriebsausgabe zum Abzug zu, der am Ende des Jahres an alle Mitglieder der Belegschaft gleichmäßig nach Kopfteilen verteilt wurde.
Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung der beschwerdeführenden Kantinenverwaltung an, daß die Kantine kein Körperschaftsteuersubjekt darstelle und der überschuß bei ihr nicht der Besteuerung unterworfen werden dürfe. Das Finanzgericht ging dabei von folgenden Erwägungen aus: Die Belegschaft habe den Betriebsrat nicht zu ihrem Organ bestellt und überwache nicht seine Geschäftsführung. Der Betriebsrat sei ihr keine Rechenschaft schuldig. Er leite seine Befugnisse daraus her, daß ihm der Unternehmer die Führung der Kantine übertragen habe. Daraus folge, daß der Betriebsrat zu der Belegschaft in keine anderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen treten wolle und solle, als sie seither zwischen dem Unternehmer und der Belegschaft bestanden hätten. Die Kantine werde zwar im Interesse der Belegschaft, nicht aber durch die Belegschaft betrieben. Ob die überschüsse im Wege der einheitlichen Gewinnfeststellung der Belegschaft oder dem Betriebsrat als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zugerechnet werden dürften, sei nicht hier, sondern im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung zu prüfen. Die Verteilung der überschüsse am Jahresschluß an die Belegschaft nach Kopfteilen lasse sich, auch wenn hierbei der tatsächliche Warenbezug des einzelnen Mitglieds der Belegschaft außer Betracht bleibe, zwanglos als eine Leistung auffassen, die auf der Eigenschaft des Empfängers als Kunde beruhe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, zu denen auch nichtrechtsfähige Vereine gehören, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen sind dann körperschaftsteuerpflichtig, wenn ihr Einkommen weder nach dem KStG noch nach dem EStG unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist (§ 3 KStG). Diese Vorschrift bringt die Absicht des Gesetzes zum Ausdruck, daß der durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder einen Gewerbebetrieb erzielte überschuß oder Gewinn entweder der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer unterworfen werden muß und daß deshalb bei der Verneinung der Frage, ob der überschuß körperschaftsteuerpflichtig zuzurechnen ist, nicht unerörtert bleiben darf, wer den überschuß sonst versteuern soll. Diese Grundsätze hat das Finanzgericht nicht beachtet.
Es ist weniger nach bürgerlich-rechtlichen als nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, wer als unmittelbarer Bezieher eines Einkommens anzusehen und wem es deshalb zuzurechnen ist (Urteile des Reichsfinanzhofs I A 172/32 vom 4. April 1933, RStBl 1933 S. 990, und I 383/37 vom 31. Mai 1938, RStBl 1938 S. 736, Slg. Bd. 44 S. 93). Bei wirtschaftlicher Betrachtung kommt es für die Zurechnung entscheidend darauf an, in wessen Interesse und für wessen Rechnung der Betrieb unterhalten wird. In dieser Hinsicht ist es unter den Beteiligten unstreitig, daß die Kantine dem Wohl und dem materiellen Interesse der Belegschaft dienen soll und daß der Betriebsrat gegenüber der Belegschaft verpflichtet ist, ihr etwaige überschüsse zuzuwenden. Er darf sie nicht für sich selbst verwenden. Da der Betriebsrat keine Eigentumsrechte an dem dem Betrieb der Kantine dienenden Vermögen hat, ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsrat kein größerer Anteil an dem überschuß zusteht als jedem anderen Mitglied der Belegschaft und bei einem Wechsel eines Betriebsratsmitglieds keine Auseinandersetzung mit den anderen Betriebsratsmitgliedern denkbar ist, so kann nicht ernstlich in Erwägung gezogen werden, den einzelnen Betriebsratsmitgliedern den überschuß unmittelbar als Unternehmer zuzurechnen und bei ihnen der Einkommensteuer zu unterwerfen.
Das Finanzgericht hält es offenbar für möglich, den überschuß der Kantine dem Unternehmer zuzurechnen, weil der die Kantine verwaltende Betriebsrat seine Befugnisse vom Unternehmer herleite. Die Annahme einer solchen möglichen tatsächlichen und rechtlichen Gestaltung steht aber hier in Widerspruch zu der Feststellung des Finanzgerichts und zu dem unwidersprochenen Vortrag der Kantinenverwaltung, daß der Betriebsrat die Kantine im Interesse und für Rechnung der Belegschaft betreibe, an die Belegschaft die überschüsse zu verteilen habe und der Unternehmer mit dem Betrieb der Kantine nichts mehr zu tun haben wolle. Bei dieser Sachlage schließt sich der Senat der Auffassung der Finanzgerichte München und Nürnberg, Urteile II 91/55 vom 21. Oktober 1955 und I 378-381/55 vom 9. August 1956, Entscheidungen der Finanzgerichte 1956 S. 49 und 1957 S. 96, an, daß die überschüsse nur der Belegschaft zugerechnet werden können und bei ihr steuerlich erfaßt werden müssen. Da der Eintritt und das Ausscheiden aus der Belegschaft für den Betrieb der Kantine ohne Bedeutung ist, und eine unmittelbare Erfassung des überschusses bei den einzelnen Belegschaftsmitgliedern im Wege der einheitlichen Gewinnfeststellung weder der Sachlage entspricht noch praktisch durchführbar ist, bleibe kein anderer Weg, als den überschuß der Kantine der Belegschaft als körperschaftsteuerpflichtigem nichtrechtsfähigen Verein (§ 1 Abs. 1 Ziff. 5 KStG) zuzurechnen. Es ist richtig, daß es an einer erkennbaren Organisation und Verfassung dieses Körperschaftsteuersubjekts fehlt. Es bestehen aber, da der Unternehmer den Betrieb der Kantine der Belegschaft überläßt, keine Bedenken gegen die Annahme, daß die Belegschaft das Recht hat, die Organisation und die Art des Betriebs der Kantine zu bestimmen und z. B. an Stelle des Betriebsrats einen Kantinenausschuß mit der Verwaltung zu betrauen. Es kann auch nicht anerkannt werden, daß der Betriebsrat der Belegschaft in keiner Weise verantwortlich ist und nach eigenem Gutdünken handeln darf. Dabei braucht die bürgerlich-rechtliche Frage nicht entschieden zu werden, ob er für die von ihm im Interesse der Kantine eingegangenen Verbindlichkeiten persönlich haftet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein nach Ablauf des Wirtschaftsjahres sich ergebender überschuß als Betriebsausgabe im Wege des nachträglichen Preisnachlasses an die Belegschaftsmitglieder nach Art einer Warenrückvergütung verteilt werden dürfte. Denn in keinem Fall kann eine solche nachträgliche Verteilung, die sich ohnehin von dem normalen Rabatt dadurch unterscheidet, daß sie nicht umsatz-, sondern gewinnabhängig ist, dann als Betriebsausgabe behandelt werden, wenn sie unabhängig davon, inwieweit das einzelne Belegschaftsmitglied die Kantine in Anspruch genommen und zum Umsatz beigetragen hat, nach Köpfen vorgenommen wird. Dann liegt eine nicht abzugsfähige, mit dem Betrieb der Kantine nicht in Verbindung stehende Gewinnverwendung vor, die bei den Belegschaftsmitgliedern weder zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit noch zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört.
Fundstellen
Haufe-Index 409838 |
BStBl III 1960, 496 |
BFHE 1961, 664 |
BFHE 71, 664 |
BB 1960, 1316 |