Leitsatz (amtlich)
1. Die Hemmung der Festsetzungsfrist durch den Antrag des Steuerpflichtigen, den Beginn der Außenprüfung hinauszuschieben, wird nicht dadurch gehindert, daß der voraussichtliche Prüfungsbeginn nicht angemessene Zeit vor Beginn bekanntgegeben worden ist.
2. Der Verwaltungsakt mit der Festsetzung des Beginns der Außenprüfung kann auch fernmündlich ergehen.
3. Vertretungsmängel in einem Verwaltungsverfahren können grundsätzlich durch spätere Genehmigung des Vertretenen rückwirkend geheilt werden.
Orientierungssatz
1. Da die Festlegung des Prüfungsbeginns einer Außenprüfung ein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt ist, kann der Steuerpflichtige im Verfahren um die Rechtmäßigkeit des auf dem Ergebnis der Außenprüfung beruhenden Änderungsbescheides mit dem Einwand nicht gehört werden, die Festlegung des Prüfungsbeginns sei unrechtmäßig, weil eine angemessene Frist i.S. des § 197 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 nicht eingehalten worden sei (so auch BFH-Urteil vom 18.12.1986 I R 49/83).
2. An einer verschärfenden Rechtsprechung (vgl. BFH-Rechtsprechung, auch zu deren Rückwirkung) fehlt es, wenn der BFH in einem Urteil nicht eine frühere Rechtsprechung geändert oder gar verschärft hat, sondern eine bisher in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantwortete und noch nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage zum ersten Mal entschieden hat.
3. Ein Verwaltungsakt verdient nur dann keine Beachtung und ist deshalb als nichtig anzusehen, wenn er die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maße verletzt, daß von niemanden erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen (vgl. BFH-Beschluß vom 30.11.1987 VIII B 3/87).
4. Mündliche Verwaltungsakte sind nicht nur dann als bekanntgegeben zu werten, wenn sie unmittelbar dem Adressaten oder seinem gesetzlichen Vertreter gesagt worden sind. Es genügt vielmehr, daß die Verwaltungsakte so in den Machtbereich des Adressaten gelangen, daß bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse davon auszugehen ist, daß dieser bzw. sein Vertreter von ihnen Kenntnis nehmen kann (hier: Sekretärin als Empfangsbotin; vgl. Literatur).
5. § 180 BGB umfaßt nicht einseitige Willenserklärungen gegenüber der Verwaltung in Verwaltungsverfahren (hier: Antrag nach § 197 Abs. 2 AO 1977 auf Verlegung einer Außenprüfung; vgl. BVerwG-Rechtsprechung; Literatur).
Normenkette
AO 1977 § 79 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Abs. 2 S. 1, § 122 Abs. 1 S. 1, § 125 Abs. 1, § 171 Abs. 4 S. 1, § 197 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; BGB §§ 130, 180; AO 1977 §§ 118, 80 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.04.1985; Aktenzeichen XI K 52/84 Z) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte vom 1.Januar 1979 bis 31.Januar 1980 Waren aus Österreich ein und schrieb diese im Rahmen der ihr bewilligten Zollbehandlung ohne Abfertigung unter Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer zum freien Verkehr an. Als Nachweis dafür, daß es sich um Ursprungswaren Österreichs im Sinne des Protokolls Nr.3 zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich vom 22.Juli 1972 i.d.F. des Beschlusses Nr.1/77 des Gemischten Ausschusses --dessen Anwendung in der EWG durch die Verordnung (EWG) Nr.2930/77 des Rates vom 20.Dezember 1977 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 341/27) erklärt worden ist (vgl. auch Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- Z 4137)-- handelte, legte die Klägerin von der österreichischen Lieferfirma ausgestellte Warenverkehrsbescheinigungen vor. Am 5.Dezember 1980 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) eine Prüfungsanordnung nach § 196 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Klage gegen diese Anordnung wies das Finanzgericht (FG) ab; die Revision hatte keinen Erfolg (Senatsurteil vom 3.Dezember 1985 VII R 17/84, BFHE 145, 492, BStBl II 1986, 439).
Am 10.Dezember 1980 teilte der Betriebsprüfer der Klägerin fernmündlich mit, die Außenprüfung solle am folgenden Tag beginnen. Anläßlich dieses Telefongesprächs und mit Schreiben vom 10.Dezember 1980 bat die Sekretärin V für die Klägerin, "die für morgen, 11.12.1980, vorgesehene Betriebsprüfung Zoll auf Mitte Januar 1981 zu verschieben - Begründung: Kuraufenthalt der Zollsachbearbeiterin ... und Jahresabschlußarbeiten". Die Außenprüfung begann erst am 7.Dezember 1981. Das HZA veranlaßte die Überprüfung der von der österreichischen Lieferfirma in den Jahren 1979 und 1980 ausgestellten Präferenznachweise durch die österreichischen Zollbehörden. Die Überprüfung ergab, daß die Präferenznachweise für eine bestimmte Gruppe der eingeführten Waren zu Unrecht ausgestellt worden waren. Das HZA forderte daher mit Änderungsbescheiden vom 21.Januar 1983 nach § 172 Abs.1 Nr.1 AO 1977 Zoll für 1979 und 1980 getätigte Einfuhren nach. Der Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid für im Jahre 1979 entstandene Zollforderungen über 722 955,40 DM hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Klage dagegen machte die Klägerin geltend, insoweit sei die Festsetzungsfrist am 31.Dezember 1980 abgelaufen. Die Klage hatte Erfolg (FG-Urteil vom 30.April 1985 XI K 52/84 Z, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1985, 535).
Entscheidungsgründe
Die Revision des HZA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
I. Das FG hat zu Unrecht ohne weitere Ermittlungen angenommen, daß bei Erlaß des angefochtenen Bescheids am 21.Januar 1983 die Festsetzungsfrist abgelaufen gewesen sei.
1. Das FG hat § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 dahin ausgelegt, daß trotz Hinausschiebens des Prüfungsbeginns auf Antrag des Steuerpflichtigen der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht gehemmt werde,wenn der angekündigte Prüfungstermin z.B. wegen Nichteinhaltung der Frist des § 197 Abs.1 Satz 1 AO 1977 rechtswidrig war. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Sie ist mit Wortlaut, Sinn und Zweck der genannten Vorschrift nicht vereinbar und wird auch nicht durch andere Rechtsnormen belegt.
Die Festlegung des Prüfungsbeginns einer Außenprüfung ist ein Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 18.Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408). Seine Rechtswidrigkeit --z.B. wegen Nichteinhaltung der Frist des § 197 Abs.1 Satz 1 AO 1977-- kann also durch Anfechtung geltend gemacht werden. Der Steuerpflichtige kann nicht auf das Verfahren nach § 197 Abs.2 AO 1977 verwiesen werden (BFHE 149, 104, 107, BStBl II 1987, 408, 409). Die Klägerin hat die Festsetzung des Prüfungsbeginns auf den 11.Dezember 1980 nicht angefochten. Es kommt daher die Tatbestandswirkung dieses Verwaltungsaktes --der nicht nichtig ist (vgl. unter Nr.2a)-- zum Tragen, der in der fernmündlichen Bekanntgabe durch den Prüfer am 10.Dezember 1980 an die Klägerin liegt, d.h. seine Rechtswirksamkeit ist, da er mangels Aufhebung Bestand hat, von allen Staatsorganen zu beachten (vgl. z.B. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5.Aufl., S.220). Die Klägerin kann daher im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit des auf dem Ergebnis der Außenprüfung beruhenden Änderungsbescheides geht, mit dem Einwand nicht gehört werden, die Festlegung des Prüfungsbeginns sei unrechtmäßig, weil eine angemessene Frist i.S. des § 197 Abs.1 Satz 1 AO 1977 nicht eingehalten worden sei.
Das hat das FG verkannt. Es hat zu Unrecht die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Prüfungsbeginns zur Voraussetzung für eine wirksame Ablaufhemmung i.S. des § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 gemacht. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der genannten Vorschrift ist ein solches Bedingungsverhältnis zu entnehmen. Der Wortlaut macht den Eintritt der Ablaufhemmung vom Beginn der Außenprüfung oder vom Hinausschieben dieses Beginns auf Antrag des Steuerpflichtigen abhängig. Gründe dafür, entgegen diesem Wortlaut den Verschiebungsantrag für die Ablaufhemmung nicht genügen zu lassen, wenn er durch eine zu kurzfristige Ankündigung des Beginns der Prüfung --wie das FG es ausdrückt-- "vorprogrammiert" war, sind nicht ersichtlich. Beide Ereignisse (Festlegung des Prüfungsbeginns und Verschiebungsantrag) sind rechtlich zu unterscheiden.
Diese Auslegung führt nicht dazu --wie das FG anzunehmen scheint--, daß der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen vermindert und der Verwaltung die unsanktionierte Verletzung der Regelung des § 197 Abs.1 Satz 1 AO 1977 ermöglicht wird. Falls die Verwaltung den Prüfungsbeginn nur zum Schein festlegt, um einen Verschiebungsantrag zu provozieren oder ihn zumindest "vorzuprogrammieren", stellt sich stets die Frage der Rechtmäßigkeit des entsprechenden Verwaltungsakts der Festlegung. Der Steuerpflichtige kann diesen Verwaltungsakt anfechten und muß es tun, falls er Rechtsnachteile vermeiden will. Die AO 1977 bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß der Steuerpflichtige befugt sein soll, auch ohne solche Anfechtung Einwendungen gegen die Festsetzung des Prüfungsbeginns im Veranlagungsverfahren selbst geltend zu machen.
Der I.Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 149, 104, 106, BStBl II 1987, 408, 409 zu Recht darauf hingewiesen, daß der Steuerpflichtige nicht darauf verwiesen werden könne, die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide mit der Begründung anzufechten, daß die Ablaufhemmung nach § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 nicht eingetreten sei, weil zwischen der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung bzw. Ankündigung des Prüfungsbeginns und dem tatsächlichen Prüfungsbeginn keine angemessene Zeit liege. Der I.Senat hat diese Auffassung damit begründet, daß eine derartige Verlagerung des Streites um den angemessenen Zeitraum in das Veranlagungsverfahren der Rechtsprechung des BFH zur Anfechtung von Prüfungsanordnungen widerspreche. Danach dürfen durch rechtswidrige Außenprüfung erlangte Ergebnisse nur dann nicht verwertet werden, wenn der Steuerpflichtige erfolgreich gegen die Rechtswidrigkeit der Prüfungsmaßnahmen vorgegangen ist. Dieser Rechtsprechung entspricht es, wie der I.Senat weiter ausgeführt hat, die Frage, ob die Prüfung innerhalb angemessener Zeit nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung bzw. der Ankündigung des Prüfungsbeginns begonnen wurde, nicht in dem Verfahren entscheiden zu lassen, das die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide betrifft. Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung. Eine andere Auffassung hätte auch zur Folge, daß der Steuerpflichtige nicht unverzüglich geltend machen müßte, er halte die Frist i.S. des § 197 Abs.1 Satz 1 AO 1977 für zu kurz und verzichte nicht auf ihre Einhaltung (vgl. § 197 Abs.1 Satz 2 AO 1977). Das wiederum setzte die Verwaltung praktisch außerstande, durch eine andere Festsetzung des Prüfungsbeginns im Einklang mit § 197 Abs.1 Satz 1 AO 1977 doch noch einen den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmenden Prüfungsbeginn sicherzustellen.
Die Anwendung der Rechtserkenntnisse aus diesem Urteil des I.Senats aus dem Jahre 1986 auf den hier zu entscheidenden Fall der Jahre 1980/81 verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip. Es trifft nicht zu, daß eine verschärfende Rechtsprechung nicht rückwirkend angewendet werden könne (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 416 ff., BStBl II 1984, 751, auf dessen Gründe verwiesen wird). Allenfalls kann es Pflicht der obersten Verwaltungsbehörden sein, in solchen Fällen durch Übergangsregelungen unbillige Auswirkungen zu vermeiden (BFHE 141, 405, 416 ff., BStBl II 1984, 751). Überdies fehlt es hier an einer "verschärfenden" Rechtsprechung (vgl. auch BFH-Urteil vom 19.November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, 382, BStBl II 1986, 289). Der I.Senat des BFH hat in seinem Urteil nicht etwa eine frühere Rechtsprechung geändert oder gar verschärft, sondern eine bisher in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantwortete und noch nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage zum ersten Mal entschieden.
2. Demnach ist die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Prüfungsbeginns nicht Voraussetzung für eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977. Es kann dahinstehen, ob trotz Vorliegens eines Verschiebungsantrages anders zu entscheiden wäre, wenn der Verwaltungsakt mit der Festsetzung des Prüfungsbeginns nichtig oder dem Betroffenen nicht bekanntgegeben worden wäre. Denn jedenfalls sind diese Voraussetzungen entgegen der Auffassung der Klägerin hier nicht erfüllt.
a) Nach § 125 Abs.1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt nur nichtig, "soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist". Besonders schwerwiegend in diesem Sinn ist nur ein Fehler, der den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein läßt (BFH-Beschluß vom 30.November 1987 VIII B 3/87, BFHE 151, 354, 358, BStBl II 1988, 183). Ein Verwaltungsakt verdient nur dann keine Beachtung --und ist deshalb als nichtig anzusehen--, wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maße verletzt, daß von niemandem erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen (BFHE 151, 354, 358, BStBl II 1988, 183).
An solchen Fehlern leidet der Verwaltungsakt vom 10.Dezember 1980 mit der Festsetzung des Prüfungsbeginns auch dann nicht, wenn mit der Klägerin davon auszugehen wäre, daß er hätte schriftlich erteilt werden müssen. Anders wäre es allenfalls dann, wenn der Prüfungsbeginn unter Verletzung der durch das Gesetz zwingend vorgeschriebenen Schriftform festgelegt worden wäre (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4.Aufl., § 44 Anm.21). Das Gesetz schreibt zwingend Schriftlichkeit jedoch nur für die Prüfungsanordnung vor (§ 196 AO 1977). Für die Festsetzung des Prüfungsbeginns fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Vorschrift (vgl. § 197 Abs.1 Satz 1 AO 1977).
Überdies ist die Auffassung der Klägerin unrichtig, die Festlegung des Prüfungsbeginns habe in jedem Fall schriftlich zu erfolgen (gleicher Auffassung wie die Klägerin, soweit ersichtlich, nur Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., § 197 AO 1977 Anm.123 bis 125). Nach § 119 Abs.2 Satz 1 AO 1977 können Verwaltungsakte auch mündlich erlassen werden. § 197 AO 1977, der aus systematischen Gründen eine abweichende Formvorschrift enthalten müßte, besagt nichts anderes. Die Formvorschrift des § 196 AO 1977 gilt ausdrücklich nur für die Prüfungsanordnung. Prüfungsanordnung und Festlegung des Prüfungsbeginns sind aber, wie den Ausführungen unter Nr.1 zu entnehmen ist, zwei verschiedene Verwaltungsakte. Für eine analoge Anwendung der Formvorschriften für eine Prüfungsanordnung auf den Verwaltungsakt, mit dem der Prüfungsbeginn festgelegt wird, fehlt die rechtliche Grundlage. Aus § 198 Satz 2 AO 1977 --wonach der Beginn der Außenprüfung unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen ist-- läßt sich Sachdienliches für die Frage nicht entnehmen, in welcher Form die Festlegung des Prüfungsbeginns zu erfolgen hat.
b) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekanntzumachen, für den er bestimmt ist (§ 122 Abs.1 Satz 1 AO 1977). Das gilt auch für mündliche Verwaltungsakte. Da für diese eine bestimmte Form der Bekanntgabe nicht vorgeschrieben ist, steht ihre Wahl im Ermessen der Behörde (vgl. Kopp, a.a.O., § 41 Anm.22). Sie muß jedoch in entsprechender Anwendung des § 130 des Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB) eine Form wählen, die dem Adressaten bzw. dessen Vertretern oder Bevollmächtigten hinreichende und angemessene Gelegenheit zur Kenntnisnahme gibt (Kopp, a.a.O.). Diese Gelegenheit ist dann geboten, wenn die Willenserklärung so in den Machtbereich des Adressaten gelangt, daß bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse davon auszugehen ist, daß dieser bzw. sein Vertreter von ihr Kenntnis nehmen kann (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 47.Aufl., § 130 Anm.3a, mit Hinweisen). Daß das genügt und nicht die mündliche Bekanntgabe unmittelbar an den gesetzlichen Vertreter erforderlich ist, wie die Klägerin meint, ergibt sich auch aus einem Vergleich mit den Regeln über die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte. Nach § 3 Abs.3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) gilt z.B. für die Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde § 183 der Zivilprozeßordnung (ZPO), d.h. die Ersatzzustellung im Geschäftsraum kann, wenn der Gewerbetreibende nicht angetroffen wird, an einen anwesenden Gewerbegehilfen erfolgen. Wenn dem so ist, kann nicht angenommen werden, daß nach § 122 Abs.1 AO 1977 mündliche Verwaltungsakte nur dann als bekanntgegeben gewertet werden können, wenn sie unmittelbar den gesetzlichen Vertretern des Adressaten persönlich gesagt worden sind.
Danach ist der mündliche Verwaltungsakt vom 10.Dezember 1980 mit der mündlichen Übermittlung an die Sekretärin V der Klägerin bekanntgegeben worden. Auch wenn diese Sekretärin zur Entgegennahme solcher Erklärungen nicht bevollmächtigt gewesen sein sollte --worüber Feststellungen des FG fehlen--, reichte die mündliche Erklärung ihr gegenüber zur Bekanntgabe aus. Denn die Sekretärin muß nach der Verkehrsanschauung als zum Empfangsboten bestellt angesehen werden (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., Anm.3 c, mit Hinweisen). Durch die Bekanntgabe an sie war die Erklärung in den Machtbereich der Klägerin gelangt; es war die Annahme gerechtfertigt, die Sekretärin werde diese Erklärung den gesetzlichen Vertretern der Klägerin so weiterleiten, daß sie davon Kenntnis nehmen konnten.
3. Eine Hemmung der Festsetzungsfrist i.S. des § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 ist also eingetreten, wenn vor Ablauf des Jahres 1980 der durch bestandskräftigen Verwaltungsakt vom 10.Dezember 1980 festgesetzte Beginn der Prüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben worden ist. Ob das der Fall ist, kann der Senat anhand der Feststellungen des FG nicht abschließend entscheiden.
a) Der Senat folgt der Auffassung des FG, daß das Schreiben vom 10.Dezember 1980 --bzw. der mündliche Antrag von Frau V vom gleichen Tag, geäußert gegenüber dem Prüfer, der nach den Feststellungen des FG den gleichen Inhalt hatte-- ein Verschiebungsantrag i.S. des § 171 Abs.4 Satz 1, § 197 Abs.2 AO 1977 ist. Die Erklärung im Schreiben (bzw. die entsprechende mündliche Erklärung) ist eine Willenserklärung. Das FG hat sie als einen Verschiebungsantrag ausgelegt. Daran ist der erkennende Senat gebunden, da das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) beachtet und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 118 Anm.17, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH). Der Wortlaut des Schreibens mit der Bitte, "die für morgen, 11.12.1980, vorgesehene Betriebsprüfung Zoll ... zu verschieben", deutet ebenso wie die "Begründung" für die Bitte ("Kuraufenthalt der Zollsachbearbeiterin", "Jahresabschlußarbeiten") und der erbetene neue Termin für die Prüfung ("Mitte Januar 1981") darauf hin, daß nach dem Wunsch der Klägerin "der Beginn der Außenprüfung auf einen anderen Zeitpunkt verlegt werden" sollte (vgl. § 197 Abs.2 AO 1977). Falls die Klägerin wirklich, wie sie im Revisionsverfahren vorgetragen hat, mit dem Schreiben die Festsetzung des Prüfungstermins ohne angemessene Frist hat rügen und den entsprechenden Verwaltungsakt hat anfechten wollen, so ist dieser Wille in der Erklärung jedenfalls nicht zum Ausdruck gekommen. Zwar ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es könnte aber dennoch nur dann davon ausgegangen werden, der wirkliche Wille der Klägerin sei nicht auf Verschiebung des Prüfungstermins, sondern nur auf eine Rechtsverwahrung gerichtet gewesen, wenn dafür in der Erklärung selbst irgendwelche Hinweise zu finden wären. Das ist nicht der Fall.
Der Einwand der Klägerin, diese Erklärung beruhe auf einer falschen oder fehlenden Rechtsbelehrung durch den Prüfer beim Gespräch mit der Sekretärin --entsprechende Feststellungen der Vorinstanz fehlen--, ist ohne rechtliche Bedeutung. Wenn diese Behauptung zutreffen sollte, ergibt sich daraus lediglich, aus welchem Grund die Erklärung so, wie ihr Inhalt zu verstehen ist, abgegeben worden ist. Die Erkenntnis aber, aus welchem Motiv etwas erklärt worden ist, vermag am Inhalt der Erklärung nichts zu ändern. Allenfalls könnte sie für die Auslegung von Bedeutung sein, wenn der Wortlaut der Erklärung zu Zweifeln Anlaß gäbe. Das ist hier aber nicht der Fall.
b) Dagegen kann der Vorentscheidung nicht mit genügender Gewißheit entnommen werden, daß die Erklärung von Frau V der Klägerin zugerechnet werden muß.
Der Antrag nach § 197 Abs.2 AO 1977 ist eine Verfahrenshandlung. Fähig, ihn zu stellen, sind beteiligte Vereinigungen wie die Klägerin (eine KG) durch ihre gesetzlichen Vertreter (§ 79 Abs.1 Nr.3 AO 1977). Der Antrag kann aber auch durch Bevollmächtigte gestellt werden (§ 80 Abs.1 AO 1977). Ob die Klägerin Frau V zur Vornahme solcher Verfahrenshandlungen (stillschweigend) bevollmächtigt hatte oder ob eine entsprechende Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorlag (zum Begriff vgl. Senatsurteil vom 2.April 1987 VII R 60/84, BFHE 150, 93, 97), steht nicht fest. Das FG hat diese Frage nämlich ausdrücklich unentschieden gelassen. Es ist aber zu Recht davon ausgegangen, daß auch beim Fehlen einer solchen Vollmacht das Schreiben vom 10.Dezember 1980 (bzw. die entsprechende mündliche Erklärung) der Klägerin zuzurechnen ist, wenn es von ihr genehmigt worden ist.
In Rechtsprechung und Schrifttum besteht weitgehend Einvernehmen darüber, daß Vertretungsmängel in einem Verwaltungsverfahren grundsätzlich dadurch geheilt werden können, daß ein vertretungsberechtigter Vertreter des Beteiligten die Handlungen eines Nichtvertretungsberechtigten genehmigt (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 13.April 1978 2 C 5.74, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 237.2, § 79 LBG Berlin Nr.2, und vom 18.Oktober 1983 9 C 801.80, Buchholz, 402.25, § 6 AsylVfG Nr.1; Laubinger in Festschrift für Ule, 1987, S.180 ff., mit zahlreichen Hinweisen, insbesondere auf das verwaltungsrechtliche Schrifttum; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., 8.Aufl., § 79 AO 1977 Anm.50 bis 52, mit zahlreichen Hinweisen auch auf das steuerrechtliche Schrifttum; anderer Auffassung Helsper in Koch, a.a.O., 3.Aufl., § 79 Anm.13, und Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., § 79 AO 1977 Anm.2). Der Senat teilt diese Auffassung insbesondere aus den im zitierten BVerwG-Urteil vom 13.April 1978 aufgeführten Gründen. Das muß um so mehr für Verfahrenshandlungen von der Art des Antrags nach § 197 Abs.2 AO 1977 gelten; denn dieser nicht fristgebundene Antrag hat allein zum Ziel, dem betreffenden Steuerpflichtigen die Wahrung seiner Interessen zu ermöglichen.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung für ihre Gegenmeinung auf § 180 Satz 1 BGB, wonach bei einseitigen Rechtsgeschäften eine Vertretung ohne Vertretungsmacht nicht zulässig ist. Diese Vorschrift ist hier schon deswegen nicht --auch nicht entsprechend-- anwendbar, weil ein Antrag nach § 197 Abs.2 AO 1977 als ein Antrag zur Einleitung eines bestimmten Verwaltungsverfahrens nicht mit einem einseitigen bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäft gleichgesetzt werden kann. Es mag sein, daß "einseitige amtsempfangsbedürftige Erklärungen" nach § 180 Satz 1 BGB nicht genehmigungsfähig sind. Darunter sind aber nur solche bürgerlich-rechtlicher Art zu verstehen (vgl. z.B. §§ 376 Abs.2 Nr.1, 928 Abs.1, 976 Abs.1, 1196 Abs.2, 1945 Abs.1 BGB; Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12.Aufl., § 130 Anm.32; Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 180 Anm.3). Es sind also nicht einseitige Willenserklärungen gegenüber der Verwaltung in Verwaltungsverfahren gemeint. Für die Genehmigungsfähigkeit solcher Willenserklärungen sprechen, wie das BVerwG im zitierten Urteil vom 13.April 1978 ausgeführt hat, die Rechtsgrundsätze des § 89 des Abs.2 und des § 579 Abs.1 Nr.4 ZPO über die nachträgliche Heilbarkeit von Vertretungsmängeln durch ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung der Prozeßführung.
Der Verschiebungsantrag der Frau V im Namen der Klägerin ist dieser also --falls Frau V nicht ohnehin dazu bevollmächtigt war, solche Erklärungen für die Klägerin abzugeben-- zuzurechnen, wenn er von der Klägerin genehmigt worden ist. Eine solche Genehmigung ist nicht formgebunden und würde die Heilung rückwirkend herbeiführen (vgl. die zitierten BVerwG-Urteile und Laubinger, a.a.O., S.182). Eine Genehmigung läge z.B. bei einer Fallgestaltung vor, nach der der gesetzliche Vertreter der Klägerin nach Information über den gestellten Verschiebungsantrag durch Frau V sich dem HZA gegenüber nicht sofort von dem Antrag distanziert, sondern stillschweigend den Vorteil genutzt hätte, der darin lag, daß das HZA wegen des Antrags den Beginn der Prüfung mindestens bis Mitte Januar 1981 hinausschob. Das FG hat auch festgestellt, daß die Klägerin eine derartige Genehmigung erteilt hat, ohne aber deutlich zu machen, welcher Sachverhalt dieser Feststellung zugrunde lag. Sie ermangelt daher der ausreichenden Begründung i.S. des § 96 Abs.1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Möglicherweise ist sie auch beeinflußt davon, daß sie nach der Auffassung des FG zur Auslegung des § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 ohnehin für die Vorentscheidung im Ergebnis ohne Bedeutung war. Der Senat kann diese Feststellung daher nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen.
II. Nach allem ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO). Für die Frage, ob die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, bedarf es noch weiterer Feststellungen dazu, ob der Verschiebungsantrag vom 10.Dezember 1980 der Klägerin zugerechnet werden kann. Falls das positiv zu beantworten ist, wird sich das FG mit der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids zu befassen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 62388 |
BFH/NV 1989, 1 |
BStBl II 1989, 76 |
BFHE 154, 446 |
BFHE 1989, 446 |
BB 1988, 2454-2454 (L) |
DB 1989, 28 (K) |
DStR 1989, 316 (KT) |
HFR 1989, 121 (LT) |