Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Ermessensausübung bei Festsetzung von Verspätungszuschlägen
Leitsatz (NV)
1. Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen bei erstmaliger Fristüberschreitung ist nicht ermessensfehlerhaft.
2. Ein Finanzamt handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es im Falle sehr hoher Abschlußzahlungen und einer offensichtlich bewußt mehrere Monate zurückgehaltenen Steuererklärung Verspätungszuschläge festsetzt, die über den Betrag des durch die verspätete Abgabe erlangten Vorteils hinausgehen.
Normenkette
AO 1977 §§ 5, 152 Abs. 1; FGO § 102
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Bauunternehmer. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) verlängerte ihm auf Antrag seines Steuerberaters die Frist zur Abgabe der Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen 1980 bis zum 30. April 1982. Die unter dem 16. April 1982 unterschriebenen Steuererklärungen gingen beim FA erst am 23. Juli 1982 ein. Das FA setzte Verspätungszuschläge fest.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Er meint, das FA habe bei der Festsetzung der Verspätungszuschläge sein Ermessen nicht fehlerfrei angewendet.
Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung und die angefochtenen Bescheide über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FA hat bei der Festsetzung der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1980 von seinem Ermessen nicht fehlerhaft Gebrauch gemacht (§ 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 152 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden, es sei denn, die Versäumnis erscheint entschuldbar.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, weil in bezug auf diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht sind, gegeben. Der allgemeine Einwand der Revision, das FG habe die vom Kläger vorgetragenen Entschuldigungsgründe nicht in gebotener Form gewürdigt, ist kein begründeter Revisionsgrund; denn durch dieses Vorbringen ist nicht erkennbar, worin der Verfahrensfehler des FG liegen soll, der die getroffenen tatsächlichen Feststellungen beeinflußt haben könnte.
2. Durch die Verwendung des Wortes ,,kann" in § 152 Abs. 1 AO 1977 kommt zum Ausdruck, daß das FA einen Verspätungszuschlag nicht festsetzen muß, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Es steht vielmehr im Ermessen des FA, ob (Entschließungsermessen) und in welcher Höhe (Auswahlermessen) ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden soll (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 152 AO 1977 Tz. 6). Beide Ermessen hat das FA entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung auszuüben und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens zu beachten (§ 5 AO 1977).
Der gesetzliche Zweck des den FÄ nach § 152 Abs. 1 AO 1977 eingeräumten Ermessens zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen besteht darin, den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Der Verspätungszuschlag hat insoweit zugleich repressiven als auch präventiven Charakter und ist ein Druckmittel eigener Art, das auf die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts zugeschnitten ist (Begründung zum Entwurf einer Abgabenordnung, BTDrucks 6/1982 S. 129 zu § 97).
Die gesetzlichen Grundlagen des Ermessens ergeben sich aus § 152 Abs. 1 und 2 AO 1977.
Das FA hat bei den angegriffenen Festsetzungen der Verspätungszuschläge sowohl den Zweck der Ermächtigung zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen als auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet.
3. Der Kläger irrt, wenn er meint, die Festsetzung des Verspätungszuschlages sei bei erstmaliger Fristüberschreitung ermessensfehlerhaft. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem dargestellten Sinn und Zweck des Verspätungszuschlags kann eine dahingehende Ermessenseinschränkung entnommen werden. Insbesondere dann, wenn - wie im Streitfall - Steuererklärungen erst drei Monate nach ihrer Fertigstellung dem FA eingereicht werden und sich sehr hohe Abschlußzahlungen ergeben, kann wegen des auch präventiven Charakters des Verspätungszuschlags dessen Festsetzung bei erstmaliger Fristüberschreitung nicht fehlerhaft sein.
4. Der Kläger kann sich schon deshalb nicht auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Köln vom 22. März 1983 S 0323 - 1 - 313 berufen, weil das für ihn zuständige FA, das die Verspätungszuschläge festgesetzt hat, nicht zum Bezirk der OFD Köln gehört und mithin nicht an die in der erwähnten Verfügung enthaltenen Verwaltungsanweisungen gebunden ist. In der Verfügung kann auch kein allgemeiner Milderungserlaß gesehen werden, der die Steuergerichte unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung binden würde.
5. Die Höhe der festgesetzten Verspätungszuschläge widerspricht nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit; denn durch die Höhe eines Verspätungszuschlags soll nicht nur der durch die verspätete Abgabe der Steuererklärung erlangte Vorteil rückgängig gemacht werden. Nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ist vielmehr bei der Bemessung des Verspätungszuschlags neben der Dauer der Fristüberschreitung auch die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs und der Zweck zu berücksichtigen, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung in Zukunft anzuhalten.
Unter Berücksichtigung der beiden letztgenannten Merkmale handelt ein FA nicht ermessensfehlerhaft, wenn es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem bei sehr hohen Abschlußzahlungen eine bei Fristablauf fertiggestellte Steuererklärung erst drei Monate später abgegeben wurde, in den Grenzen des § 152 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 Verspätungszuschläge festsetzt, die über den Betrag des durch die verspätete Abgabe erlangten Vorteils hinausgehen.
6. Die Vorinstanz hat sich - entgegen der Auffassung des Klägers - bei ihrer Entscheidung nicht von unsachlichen Motiven leiten lassen, weil sie auf den Abschreckungseffekt abgestellt hat. Wie bereits dargestellt, ist der Abschreckungseffekt (Anhalten des Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung) ein Motiv, das bei der Bemessung des Verspätungszuschlags zu berücksichtigen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 414875 |
BFH/NV 1987, 416 |