Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung des § 37 Abs. 1 LStDV.
Der Arbeitgeber kann nach Inkrafttreten der Verordnung zur änderung und Ergänzung der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 18. Dezember 1959 (BGBl 1959 I S. 770, BStBl 1959 I S. 1053) Zurechnungen nach § 37 Abs. 1 LStDV nur während des laufenden Lohnzahlungszeitraumes (Kalenderjahr) vornehmen. Das Finanzamt kann bei der Nachberechnung der Lohnsteuer, vor allem bei Lohnsteuer-Außenprüfungen, diese Vorschrift nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Lohnsteuerkarte gilt, nicht mehr anwenden.
EStG 1958/59 §§ 38 Abs. 2 und 3, 46, 47; LStDV 1959 §§ 37 Abs. 1, 46; Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 26. März 1958 (BGBl 1958 I S. 196; BStBl 1958 I S. 173) § 6 Abs. 4; Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 19. Dezember 1959 (BGBl 1959 I S. 772;
Normenkette
LStDV § 37 Abs. 1, §§ 46, 35b; JAV § 6/4, § 6
Tatbestand
Der Bf., ein Gastwirt, beschäftigte in den Streitjahren 1959 und 1960 mehrere Arbeitnehmer. Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, daß er Arbeitnehmer beschäftigt hatte, ohne sich eine Lohnsteuerkarte vorlegen zu lassen. Der Bf. hatte die Lohnsteuer für die Arbeitskräfte zunächst von Januar bis Oktober 1959 unter Anwendung des § 37 Abs. 1 LStDV berechnet, machte das aber im November 1959 rückgängig und berechnete nunmehr die Lohnsteuer pauschal überwiegend mit 8 v. H. des Arbeitslohns. Das Finanzamt forderte von ihm als Arbeitgeber Lohnsteuer mit 1.994,79 DM und Kirchenlohnsteuer mit 199,46 DM nach. Es berechnete dabei die Lohnsteuer unter Anwendung des § 37 Abs. 1 LStDV.
Der Bf. hielt diese Vorschrift für nicht anwendbar. Das Vorgehen des Finanzamts verstoße auch gegen Treu und Glauben, denn ein Lohnsteuerprüfer habe ihm im November 1959 erklärt, er könne die Lohnsteuer pauschal abführen.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und führte aus, § 37 Abs. 1 LStDV sei auch auf abgeschlossene Lohnzahlungszeiträume anwendbar. Der Bf. könne sich ferner nicht auf Treu und Glauben berufen. Er habe nur von einem Lohnsteuerprüfer allgemein die Auskunft erhalten, daß bei der Beschäftigung von Aushilfskräften eine Pauschalierung der Lohnsteuer möglich sei. Er habe indessen keine Aushilfskräfte gehabt, sondern regelmäßig beschäftigte Angestellte. Der Bf. habe auch die Vorschrift des § 37 Abs. 1 LStDV gekannt und sei zunächst danach verfahren. Er habe ferner gewußt, daß er zur Pauschbesteuerung nach § 35 b LStDV eine Genehmigung des Finanzamts brauche. Nach seiner eigenen Angabe habe er einen solchen Antrag nicht gestellt, weil er gewußt habe, daß das Finanzamt derartigen Anträgen von Gastwirten nicht entspreche.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Zutreffend führte das Finanzgericht aus, daß der Bf. als Arbeitgeber für die nicht einbehaltene Lohnsteuer in Anspruch genommen werden kann. Der Bf. hatte mit seinen Arbeitnehmern vereinbart, daß er die Lohnsteuer zu tragen habe (Nettolohn). Die Arbeitnehmer haften danach nur, wenn sie gewußt haben, daß der Bf. die Lohnsteuer nicht abführte und auch einen Antrag auf Pauschalierung bei dem Finanzamt nicht gestellt hatte (Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Haftung für Lohnsteuer" unter 3 c).
Das Finanzgericht hat jedoch bei der Besteuerung zu Unrecht die Zurechnung gemäß § 37 Abs. 1 LStDV vorgenommen. Es geht um die Lohnsteuer für Bezüge aus den Jahren 1959 und 1960. Nach Inkrafttreten der Verordnung zur änderung und Ergänzung der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 18. Dezember 1959 (BGBl 1959 I S. 770, BStBl 1959 I S. 1053) - abgekürzt: ändVO - kann § 37 Abs. 1 LStDV nicht mehr angewendet werden, wenn die Lohnsteuer erst nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Lohnsteuerkarte gilt, nachträglich berechnet wird, wie der Senat bereits im Urteil VI 270/62 U vom 5. Juli 1963 (BStBl 1963 III S. 468) angedeutet hat. Das gilt vor allem für Nachberechnungen von Lohnsteuer in Zusammenhang mit Lohnsteuer-Außenprüfungen. Nach § 1 Ziff. 5 c ändVO ist im Verfahren des Lohnsteuer-Jahresausgleichs eine Zurechnung gemäß § 37 Abs. 1 LStDV nicht vorzunehmen, auch wenn der Arbeitnehmer im Laufe des abgelaufenen Ausgleichsjahres seinem Arbeitgeber schuldhaft eine Lohnsteuerkarte nicht vorgelegt hatte. Hat aber der Arbeitgeber bei der laufenden Lohnsteuerberechnung für einen Arbeitnehmer, der ihm schuldhaft keine Lohnsteuerkarte vorgelegt hatte, pflichtgemäß zur Lohnsteuerberechnung die Zurechnung gemacht, so wird die auf die zugerechneten Beträge entfallende Lohnsteuer dem Arbeitnehmer im Lohnsteuer-Jahresausgleich wieder erstattet. Diese Rechtslage ist erst durch die ändVO entstanden. Vorher waren auch bei Nachberechnung von Lohnsteuer die Zurechnungen gemäß § 37 Abs. 1 LStDV zu machen. Eine Erstattung der auf solche Zurechnungen entfallenden Lohnsteuer im Lohnsteuer-Jahresausgleich war ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. z. B. § 6 Abs. 4 der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 26. März 1958, BGBl 1958 I S. 196, BStBl 1958 I S. 173). In der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 19. Dezember 1959 (BGBl 1959 I S. 772, BStBl 1959 I S. 1055) ist diese Vorschrift ersatzlos gestrichen worden.
Durch diese Neuregelung ist der Inhalt des § 37 Abs. 1 LStDV wesentlich geändert worden. Die Vorschrift gibt jetzt nur noch dem Arbeitgeber ein Druckmittel in die Hand, seine Arbeitnehmer zur Vorlage der Lohnsteuerkarte zu veranlassen, damit er den Lohnsteuerabzug richtig vornehmen kann, besonders wenn der Arbeitnehmer in mehreren Dienstverhältnissen steht. Bis zum Inkrafttreten der ändVO hatte § 37 Abs. 1 LStDV dagegen den weitergehenden Zweck, einem Arbeitnehmer, der schuldhaft der ihm gesetzlich obliegenden Mitwirkungspflicht bei seiner Besteuerung durch Vorlage der Lohnsteuerkarte nicht nachkam, eine zusätzliche Steuer aufzuerlegen, die grundsätzlich nicht erstattet wurde. Allerdings wurde Arbeitnehmern, die gemäß § 46 EStG veranlagt wurden, die einbehaltene Lohnsteuer - einschließlich der nach § 37 Abs. 1 LStDV berechneten Mehrsteuer - gemäß § 47 EStG auf die Einkommensteuerschuld angerechnet und, wenn sich dabei eine überzahlung ergab, auch erstattet. Wahrscheinlich hat das Bestreben der Bundesregierung, veranlagte Arbeitnehmer nicht besser zu stellen als die anderen, dazu geführt, auch in diesem Punkt eine Gleichstellung aller Arbeitnehmer herbeizuführen. Jedenfalls hat nunmehr § 37 Abs. 1 LStDV einen wesentlich anderen Inhalt. Jetzt kann nur noch der Arbeitgeber während der laufenden Lohnsteuerberechnung von ihr Gebrauch machen, während das Finanzamt keine Möglichkeit hat, nach Ablauf des Kalenderjahres bei der Nachberechnung der Lohnsteuer die Vorschrift anzuwenden. Es ist nicht zu verkennen, daß § 37 Abs. 1 LStDV damit zu einer nahezu wirkungslosen Vorschrift geworden ist und auch die Stellung des Arbeitgebers, der pflichtgemäß vom Arbeitnehmer die Vorlage einer Lohnsteuerkarte fordert, erschwert. Die Gesetzeslage ist aber eindeutig und damit für den Senat bindend.
Der Vorsteher des Finanzamts will die Anwendung des § 37 Abs. 1 LStDV davon abhängig machen, ob der Arbeitnehmer rechtzeitig einen Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs gestellt hat. Das ist nicht möglich. Wird nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung eine Lohnsteuer nachgefordert, so muß man auch dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, seine Einwendungen zu erheben, besonders muß er die Möglichkeit haben, eine Lohnsteuer, die auf Grund der Lohnsteuer-Außenprüfung für ihn zu Unrecht abgeführt wurde, wieder herauszuverlangen. Auch hier muß die Parallele zu den veranlagten Arbeitnehmern hergestellt werden.
Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das die Lohnsteuer nach den Grundsätzen dieser Entscheidung zu berechnen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 411080 |
BStBl III 1964, 142 |
BFHE 81, 63 |