Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung, Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Die Beteiligung eines gemäß § 127 LAG in Verbindung mit § 240 AO zum Verfahren zugezogenen Eigentümers eines belasteten Grundstücks entspricht nur dann den Grundsätzen eines ordnungsmäßigen Verfahrens, wenn der Hinzugezogene auch in den Schriftsatzwechsel der übrigen am Verfahren Beteiligten einbezogen, er über die von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit zur eigenen Stellungnahme gegeben wird.
Hat die obere Finanzbehörde eines Landes als Beschwerdeinstanz die Aussetzung von fälligen Tilgungsleistungen auf Umstellungsgrundschulden im Rahmen der ihr durch § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV gegebenen Befugnisse in einem Sonderfall ausgesprochen, so gelten die ausgesetzten Tilgungsbeträge gemäß § 105 Abs. 2 LAG auch dann als erlassen, wenn die Aussetzung nach den von der oberen Finanzbehörde erlassenen Richtlinien über die Behandlung der Anträge auf Erlaß fälliger Leistungen aus Umstellungsgrundschulden im Regelfall nicht hätte ausgesprochen werden können. Die nachträgliche Umdeutung einer solchen Aussetzung in eine Stundung nach § 127 AO ist nicht zulässig.
Normenkette
AO §§ 240, 234, 241/3; LAG § 105 Abs. 2, § 127; HypSichDV § 5 Abs. 4
Tatbestand
Der Bf. war am Währungsstichtag Eigentümer eines mit drei Hypotheken belasteten Grundstücks in Hamburg. Die Hypotheken und die durch sie abgesicherten RM-Verbindlichkeiten wurden im Verhältnis 10 RM zu 1 DM umgestellt. Auf Antrag des Bf. gemäß § 5 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich (1. HypSichDV) vom 7. September 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets - WiGBl - 1948 S. 88) wurden mit berichtigten Bescheiden vom November 1950 hinsichtlich der aus der Umstellung der Hypothek III entstandenen Umstellungsgrundschuld für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1948 Aussetzung der Tilgung in Höhe von 70,- DM und für die Zeit vom 1. Januar 1949 bis 31. Dezember 1949 Aussetzung der Tilgung in Höhe von 130,- DM, zusammen also in Höhe von 200,- DM gewährt. Mit der gegen diese - seinen weitergehenden Anträgen nicht entsprechenden - Bescheide eingelegten Beschwerde erreichte der Bf. schließlich eine Entscheidung der Finanzbehörde der Stadt Hamburg, Steuerverwaltung, vom März 1951, in der diese ausführte, sie bedauere "nach wie vor, den beantragten Erlaß von Zinsen bzw. Aussetzung von Tilgung aus sozialen Härtegründen nicht zugestehen zu können". In Würdigung der vom Bf. geschilderten Verhältnisse sei sie "jedoch ausnahmsweise bereit, die Tilgung auf die Hypotheken I bis III für die Zeit vom 1. Juli 1948 bis 31. Dezember 1950 in voller Höhe auszusetzen. Voraussetzung für dieses Entgegenkommen" sei, "daß die Zinsen an das jeweils zuständige Institut abgeführt" würden.
Mit Abgabebescheid über die HGA als öffentliche Last vom Januar 1956 wurde der Bf. zu drei aus der Umstellung der drei Hypotheken entstandenen Abgabeschulden herangezogen. Mit dem Einspruch beanstandete der Bf., daß bei der Berechnung der restlichen Abgabeschuld nach § 106 LAG die Tilgungsleistungen, die nach § 105 Abs. 2 LAG als erlassen zu gelten hätten, bei den drei Abgabeschulden entweder überhaupt nicht oder nicht in dem vorgeschriebenen Umfange abgezogen worden seien. Von der zuständigen Finanzbehörde (Steuerverwaltung) sei ihm durch Erlaß vom März 1951 auf seine Beschwerde hin Aussetzung der Tilgungsleistungen für alle drei Umstellungsgrundschulden in voller Höhe für die Zeit vom 1. Juli 1948 bis 31. Dezember 1950 gewährt worden. Diese Beträge hätten gemäß § 105 Abs. 2 LAG als erlassen abgesetzt werden müssen. Auch sei ihm von der die Umstellungsgrundschulden verwaltenden Stelle durch Kontoauszüge bestätigt worden, daß die auf die Umstellungsgrundschulden aus den Hypotheken I und III zu entrichtenden Tilgungsleistungen für die genannte Zeit erlassen seien. Die im Abgabebescheid als rückständig angeführten Leistungen seien daher unzutreffend ermittelt worden. Im übrigen gehe aus der von der beauftragten Stelle ihm unter dem 31. Dezember 1951 erteilten bankmässigen Saldoabrechnung, die als Novation zu gelten habe, hervor, welche Beträge im einzelnen erlassen worden seien. Dies könne nicht einseitig wieder rückgängig gemacht werden. Auch bei der Umstellungsgrundschuld aus der Hypothek II, die von der Finanzbehörde der Stadt Hamburg (Vermögensverwaltung) als Hypothekengläubigerin selbst verwaltet worden sei, könnten nicht die im Bescheid angegebenen Rückstände aufgelaufen sein. Schließlich hätten die von der Finanzbehörde ausgesetzten Tilgungsbeträge auch aus dem Grunde nicht als Rückstände im Bescheid ausgewiesen werden können, weil ausgesetzte Beträge im Gegensatz zu nur gestundeten Beträgen "hinten angehängt" werden müßten, also die Laufzeit der Schuld verlängern würden.
Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die von der Finanzbehörde Hamburg gewährte Aussetzung der Tilgungsleistungen vom 1. Juli 1948 bis 31. Dezember 1950 sei zu Recht nicht als Aussetzung gemäß § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV, sondern nur als Stundung behandelt worden, so daß die ausgesetzten Beträge nicht gemäß § 105 Abs. 2 LAG als erlassen abzuziehen gewesen seien. Die von der Finanzbehörde ausgesprochene Tilgungsaussetzung sei auf Anordnung der Rechnungsprüfungsstelle der Oberfinanzdirektion Hamburg überprüft worden. Dabei sei festgestellt worden, daß die Tilgungsaussetzung nicht nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV, sondern auf Grund allgemeiner Billigkeitsgesichtspunkte ausgesprochen worden sei; solche Stundungen ständen nicht einem Erlaß gemäß § 105 Abs. 2 LAG gleich, sondern seien weiterhin als widerruflich bis zur Klärung der allgemeinen Rechtslage im LAG ausgesprochene, also befristete Stundungen zu behandeln, was dem Bf. auch bereits mit einem Schreiben vom Mai 1954 mitgeteilt worden sei. Die überprüfung habe ergeben, daß für die genannten Jahre über die vom Bezirkssteueramt mit Bescheiden vom November 1950 gewährten Tilgungsaussetzungen hinaus die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV nicht gegeben gewesen seien. Es hätten demnach auch nur die mit Bescheiden vom November 1950 ausgesetzten Beträge als erlassen abgezogen werden können. Für den Erlaßzeitraum 1950 habe nicht einmal ein Erlaßantrag vorgelegen. Die von der Finanzbehörde mit Erlaß vom März 1951 getroffene Entscheidung habe zwar den Ausdruck "Aussetzung einer Tilgung" verwendet; dies sei aber ein technischer Ausdruck in der Praxis der Kreditinstitute und bedeute nur die Nichterhebung der fälligen Leistungen zum Fälligkeitszeitpunkt, also eine Stundung, und könne nicht einer Aussetzung gemäß § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV gleichgesetzt werden, die Voraussetzung für die Rechtsfolge des § 105 Abs. 2 LAG sei. Hinsichtlich der beanstandeten Abrechnung der Zahlungen werde auf die Kontoübersichten der beauftragten Stelle vom August 1954 Bezug genommen.
Mit der Berufung wurde unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens und unter Anführung weiteren Beweismaterials die Abrechnung der Leistungen im HGA-Bescheid beanstandet. Vor allem aber wandte sich der Bf. gegen die vom Finanzamt herausgestellte Unterscheidung zwischen einer Tilgungsaussetzung nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV und einer nur als Stundung anzusehenden Tilgungsaussetzung aus allgemeinen Billigkeitsgesichtspunkten. Aber selbst wenn die im Abgabebescheid als nicht erlassen behandelten Beträge zutreffend nicht abgezogen worden wären, so hätte die mit Erlaß der Finanzbehörde vom März 1951 ausgesprochene Aussetzung die Folge, daß die Tilgung dieser Beträge frühestens mit der Zustellung des Abgabebescheides vom Januar 1956 wieder hätte einsetzen können, was also eine Verlängerung der Tilgungsdauer bedeuten würde. Im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom Januar 1956 sei das Grundstück aber bereits an den A. übertragen worden. Dieser hätte auf Grund der übertragungsurkunde vom Juni 1955 die seit diesem Tage fälligen sowie etwa rückständigen Leistungen übernommen. Hiernach könnten die seit dem Juni 1955 fällig gewordenen Zins- und Tilgungsraten und auch die nach dem Abgabebescheid vom Januar 1956 genannten Beträge nicht mehr von ihm, dem Bf., sondern nur von A. gefordert werden. Er könne demnach nicht allein, sondern müsse allenfalls neben A. als Schuldner in Anspruch genommen werden. Das Finanzamt hätte nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 339/57 U vom 25. April 1958 (BStBl 1958 III S. 297, Slg. Bd. 67 S. 63) beiden Schuldnern gleichzeitig Bescheide erteilen müssen, auch könne über beide Bescheide nur gleichmäßig entschieden werden. Im vorliegenden Fall habe das Finanzamt es unterlassen, dem A. einen entsprechenden Bescheid zu erteilen. Es werde jedoch hierauf nicht ankommen, weil die Tilgungsraten, auch soweit mit Schreiben der Finanzbehörde Hamburg vom März 1951 eine Aussetzung bewilligt worden sei, abgerechnet und erlassen worden seien, und zwar noch dazu in der Form einer Novation der Schuld, deren durch die Novation errechneter und abgerechneter Restbetrag (Saldo) vom Bf. bezahlt worden sei. Im übrigen bestreitet der Bf., das vom Finanzamt erwähnte Schreiben vom Mai 1954 erhalten zu haben.
Das Finanzgericht hat mit Rücksicht auf die Ausführungen des Bf. über den übergang des Eigentums am belasteten Grundstück auf A. diesen zum Verfahren als Beteiligten gemäß § 127 LAG, §§ 240, 241 Abs. 2 AO hinzugezogen. In der Begründung des Beschlusses hat das Gericht den Streitstand geschildert, außerdem hat es dem Hinzugezogenen eine Abschrift der Einspruchsentscheidung übersandt. Der Hinzugezogene hat mit Schreiben vom Januar 1959 eine Stellungnahme abgegeben, in der er die Ansicht des Bf. über den Erlaß der geltend gemachten Leistungen teilt, gleichzeitig aber darauf hinweist, daß laut Einspruchsentscheidung schon vor übergang des Eigentums auf ihn dem Bf. die Ansicht des Finanzamts über den Charakter der Aussetzung mit Schreiben vom Mai 1954 mitgeteilt worden sei.
Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Die Finanzbehörde Hamburg sei nicht berechtigt gewesen, einen Erlaß nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV auszusprechen, weil weder vom Bf. eine Ertragsschwäche des Grundstücks geltend gemacht worden sei noch eine unbillige Härte habe anerkannt werden können. Wenn die Finanzbehörde trotzdem die Tilgung der Hypotheken ausgesetzt habe, so sei dies nur, wie die Finanzbehörde auch erwähnt habe, mit Rücksicht auf die bedrängte wirtschaftliche Lage des Bf. geschehen, die aber die Voraussetzungen der Ziff. 13 der Richtlinien für die Behandlung der Anträge auf Erlaß fälliger Leistungen aus Umstellungsgrundschulden vom 7. Juni 1949 (Amtlicher Anzeiger - Beiblatt zum Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt - 1949 S. 373) nicht erfüllt habe. Es handele sich also um eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 127 Abs. 1 AO. Der § 105 Abs. 2 LAG sei nach alledem nicht anwendbar, ohne daß noch auf die Frage eingegangen zu werden brauche, ob der Bf. für 1950 überhaupt einen Erlaßantrag gestellt habe und nicht schon wegen Fehlens eines solchen ein Anlaß für eine Entscheidung aus § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV nicht bestanden habe. Die Aussetzung der Tilgung könne nicht eine Verlängerung der Laufzeit der HGA zur Folge haben, da die Finanzverwaltung nicht berechtigt sei, die gesetzliche Laufzeit der HGA zu verlängern. Der von der grundschuldverwaltenden Stelle ausgestellten Abrechnung könne nicht die Bedeutung beigemessen werden, die der Bf. ihr beilege. Denn diese Stelle habe in keiner Weise über die öffentliche Last verfügen, insbesondere sie nicht novieren können; auch im bürgerlichen Recht gelte eine bloße Abrechnung noch nicht als Novation. Auch die Einwendungen des Bf. gegen die Abrechnung bei den einzelnen Abgabeschulden seien nicht gerechtfertigt. Hinsichtlich der Abgabenschuld aus der Hypothek I sei die Bank bei ihrer Abrechnung vom 31. Dezember 1951 irrtümlich von falschen Erlaßbeträgen ausgegangen. Auf sie könne sich der Bf. nicht berufen, weil ihm die Erlaßverfügungen des Bezirksamts vom November 1950 bekannt gewesen seien. Auch sei die Bank zu Erlaßverfügungen nicht befugt gewesen, so daß die Bankabrechnung nicht die Funktion eines Erlasses habe übernehmen können. Entsprechendes müsse für die vom Bf. behauptete Schlußabrechnung der Finanzbehörde Hamburg über die aus der Hypothek II entstandene Abgabeschuld gelten. Daß dem Bf. die von ihm behauptete Schlußabrechnung seitens der Finanzbehörde Hamburg im Januar 1951 erteilt worden sei, könne nicht festgestellt werden, ebenfalls nicht, daß der Finanzbehörde damals der Bescheid des Bezirkssteueramts vom November 1950 bekannt gewesen sei und die Finanzbehörde einer Beschwerde des Bf. gegen diesen Bescheid habe stattgeben wollen. Im übrigen habe die Finanzbehörde im Schreiben vom März 1951 den Erlaßantrag des Bf. ausdrücklich abgelehnt und damit auch sachlich den Bescheid vom November 1950 bestätigt. Die vom Bf. eingereichten Fotokopien würden nur die Zahlung der angegebenen Beträge beweisen, nicht aber, daß ihm diese Beträge von der Finanzbehörde als "Restbeträge" aufgegeben worden seien. Ob das Schreiben des Finanzamts vom Mai 1954 dem Bf. zugegangen sei, könne nicht festgestellt werden; es sei sogar zu vermuten, daß es nicht zugegangen sei. Für die Frage, ob dem Bf. die streitigen Beträge erlassen worden seien oder gemäß § 105 Abs. 2 LAG als erlassen zu gelten hätten, sei dies aber unerheblich. Auch eine Verwirkung seitens des Finanzamts hinsichtlich dieses Betrages könne nicht anerkannt werden. Bezüglich der streitigen Abrechnungsbeträge bei der aus der Hypothek III entstandenen Abgabeschuld sei wiederum darauf hinzuweisen, daß die Abrechnungen der beauftragten Stelle keinen rechtsbegründenden Charakter hätten. Lediglich daraus, daß in solchen Abrechnungen Beträge abgesetzt worden seien, könne noch nicht geschlossen werden, daß diese Beträge erlassen worden seien, da die verwaltende Stelle zum Erlaß nicht befugt gewesen sei. Aus den maßgebenden Bescheiden des Bezirkssteueramts vom November 1950 ergebe sich zweifelsfrei, daß aus der Hypothek III nur 200,- DM erlassen oder ausgesetzt worden seien; daß diese Beträge im Abgabebescheid versehentlich bei der Abgabeschuld aus der Hypothek I abgesetzt worden seien, ändere am zahlenmäßigen Endergebnis nichts.
Mit der Rb. wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Neben der Wiederholung des bisherigen Vorbringens wird ferner geltend gemacht, beim Erlaß der Finanzbehörde vom März 1951 handele es sich um eine Verfügung im Sinne des § 91 AO, die nur nach Massgabe des § 93 AO geändert werden könne. Da keine zur änderung berechtigende Voraussetzung erfüllt gewesen sei, könne auch dem Schreiben des Finanzamts vom Mai 1954, selbst wenn es dem Bf. zugegangen wäre, keine Bedeutung beigemessen werden. In Wahrheit habe jedoch der Bf. dieses Schreiben vom Mai 1954 nie erhalten. Eine Zurücknahme der im Erlaß vom März 1951 ausgesprochenen Vergünstigung könne daher erst durch den Abgabebescheid selbst ausgesprochen worden sein. Dem stehe jedoch die Vorschrift des § 96 AO entgegen; ein Widerruf sei wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 96 AO nicht möglich und die Rücknahme der im Jahre 1951 gewährten Vergünstigung daher unzulässig gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und des HGA-Bescheides.
I. -
Der angefochtene Abgabebescheid ist im Januar 1956 ergangen und ausweislich der Akten nur dem Bf. zugestellt worden. Aus einem Vermerk des Finanzamts vom September 1958 geht hervor, daß der Bf. zwar am Währungsstichtag Eigentümer des belasteten Grundstücks gewesen war, das Eigentum am Grundstück aber bereits am 1. Januar 1953 nicht mehr dem Bf., sondern je zur Hälfte der B. und dem C., und am 1. Januar 1956 dem A. zu 1/1 zugestanden haben soll. Das Finanzgericht glaubte, diesen Umständen dadurch Rechnung zu tragen, daß es den A. am Rechtsmittelverfahren beteiligte. Wie der erkennende Senat im Urteil III 250/61 U vom 18. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 581, Slg. Bd. 77 S. 711), auf dessen Ausführungen verwiesen wird, ausgesprochen hat, muß der Abgabebescheid, wenn er erst nach der Veräußerung des Grundstücks bzw. der Weiterveräußerung des Grundstücks erlassen worden ist, sowohl dem Eigentümer am Stichtag (21. Juni 1948) als auch allen späteren Erwerbern, die zwischenzeitlich, d. h. bis zum Ergehen des Abgabebescheides Eigentümer gewesen oder geworden sind, zugestellt werden. Dies ergibt sich aus § 127 LAG und der entsprechenden Anwendung des § 240 AO. Im Streitfall hätte der Abgabebescheid daher außer dem Bf. auch den zwischenzeitlichen Grundstückseigentümern B. und C., sowie dem A. zugestellt werden müssen, sofern, was das Finanzamt noch zu prüfen haben wird, die Eigentumsübergänge dem Aktenvermerk des Finanzamts vom September 1958 entsprechend wirklich stattgefunden haben. Die seitens des Finanzgerichts erfolgte Zuziehung nur des A. zum Verfahren, der unstreitig durch notariellen Vertrag vom Juni 1955 das Eigentum am Grundstück erworben hat, könnte in diesem Fall im Hinblick auf die Zwischeneigentümer nicht als ausreichend und heilend erachtet werden (vgl. hierzu auch Urteil des erkennenden Senats III 3/61 U vom 25. Oktober 1963, BStBl 1964 III S. 16 f., Slg. Bd. 78 S. 44).
Der Senat ist darüber hinaus der Meinung, daß die Vorinstanz sich mit der Beschlußfassung über die Hinzuziehung des A. und der Zustellung dieses Beschlusses an den Hinzugezogenen nicht hätte begnügen dürfen, sondern den Hinzugezogenen am weiteren Verfahren wirklich hätte teilnehmen lassen müssen. Aus den Akten des Finanzgerichts ist nicht ersichtlich, daß dem Hinzugezogenen die nach seiner Zuziehung zum Verfahren zwischen den übrigen Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Ermittlungsergebnisse des Finanzgerichts zur Kenntnis und Ermöglichung einer Stellungnahme zugeleitet worden seien. Dies hätte um so mehr erfolgen müssen, als der Schriftwechsel zum erheblichen Teil gerade die von dem Hinzugezogenen in seinem Schreiben vom Januar 1959 berührte Frage betraf, ob dem Bf. das Schreiben des Finanzamts vom Mai 1954 zugegangen war oder nicht, und der A. darauf hingewiesen hatte, bereits vor dem Eigentumsübergang auf ihn sei dem Bf. durch das vorbezeichnete Schreiben des Finanzamts dessen Auffassung über den Charakter der Aussetzung mitgeteilt worden. Damit zeichnete sich eine gegensätzliche Interessenlage zwischen dem Bf. und A. insofern ab, als ersterer mit der von ihm vertretenen Auffassung über den Charakter der Aussetzung als einer die Laufzeit verlängernden Maßnahme erreichen wollte, daß die ausgesetzten Beträge nicht als rückständig bezeichnet würden und daher nicht von ihm zu entrichten wären, sondern "hinten angehängt" würden und damit den späteren Eigentümer, den Hinzugezogenen, treffen müßten. Im Hinblick hierauf schon hätte der Hinzugezogene in den Schriftsatzwechsel einbezogen werden müssen, zumal er offensichtlich nicht von den Prozeßbevollmächtigten des Bf. im Verfahren vertreten worden ist. Die beschlossene Beteiligung des Hinzugezogenen ist also nicht einem ordnungsmäßigen Verfahren entsprechend durchgeführt worden. Die Akten des Finanzgerichts lassen ferner nicht erkennen, ob dem Hinzugezogenen eine Urteilsausfertigung zugegangen ist. In der Verfügung der Geschäftsstelle vom Oktober 1960 ist zwar der Hinzugezogene als Urteilsempfänger ausdrücklich vorgesehen worden, förmlich zugestellt worden ist aber nur an die Rechtsanwälte in X. als Prozeßbevollmächtigte des Bf. selbst, nicht auch an den Hinzugezogenen in Y.
II. -
Die Vorentscheidungen mußten aber auch aus materiellen Gründen aufgehoben werden. Bei der Berechnung der restlichen Abgabeschuld nach § 106 LAG sind gemäß Abs. 1 Ziff. 3 der genannten Vorschrift die Tilgungsbeträge, die nach § 105 Abs. 2 LAG als erlassen gelten, von der Abgabeschuld am 21. Juni 1948 abzurechnen. Gemäß § 105 Abs. 2 LAG gelten Tilgungsbeträge, die nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV in der Form einer Aussetzung der Leistungen gestundet worden sind, als erlassen. Nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV konnten auf Antrag des Schuldners fällige Leistungen insoweit erlassen werden, als diese aus den Erträgnissen des Grundstücks unter Berücksichtigung der öffentlichen Lasten, der Kosten für die notwendige Unterhaltung und Instandsetzung und der Verpflichtung aus vorhergehenden Rechten Dritter nicht aufgebracht werden konnten, oder ihre Einziehung aus sonstigen Gründen zu offenbarer Härte geführt hätte. über den Antrag entschied das Finanzamt. Lehnte das Finanzamt den Antrag ganz oder teilweise ab, so konnte der Schuldner Beschwerde einlegen. über die Beschwerde entschied die obere Finanzbehörde. Die Vorschriften der AO über das Beschwerdeverfahren waren entsprechend anzuwenden. Daß der Bf. für die Jahre II/1948 und 1949 Anträge auf Gewährung der Vergünstigungen gemäß § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV gestellt hatte, ist unstreitig und wird auch durch die bei den Akten befindlichen Bescheide vom November 1950 bestätigt. Die in diesen Bescheiden vom Bezirkssteueramt für die Umstellungsgrundschuld aus der Hypothek III gewährte Aussetzung der Tilgung in Höhe von 70,- DM für II/1948 und in Höhe von 130,- DM für 1949 beruhte ausschließlich auf § 5 Abs. 4 Satz 1 erster Alternative a. a. O., war also wegen Ertragsschwäche des Grundstücks auf Grund einer Ertragsberechnung gewährt worden. Dies wird durch den Aktenvermerk des Finanzamts vom Mai 1954 bestätigt, in welchem - getrennt für die Erlaßzeiträume II/1948 und 1949 - genaue Aufstellungen über die Grundstückseinnahmen und Grundstücksaufwendungen enthalten sind, die auf den Pfennig genau die Verlustbeträge ergeben, in deren Höhe in den vorgenannten Bescheiden die Aussetzung der Tilgungsleistungen gewährt worden war. Mit der gegen diese Bescheide eingelegten Beschwerde vom Dezember 1950 erstrebte der Bf. unmißverständlich weiterhin - über die wegen Ertragsschwäche des Grundstücks bereits gewährte Aussetzung hinaus - eine Billigkeitsmaßnahme wegen offenbarer Härte. Seine Ausführungen über seine Einkommensverhältnisse und seinen Lebensunterhalt lassen darüber keinen Zweifel auftauchen. Zur Entscheidung über die Beschwerde war als obere Finanzbehörde damals die Finanzbehörde der Hansestadt Hamburg in ihrer Eigenschaft als Steuerverwaltung zuständig. In dieser ihrer Eigenschaft erging der Erlaß vom März 1951. Diesen Erlaß gab die Finanzbehörde unter Rückgabe der Akten dem Bezirkssteueramt zur Kenntnis. Damit hatte die Finanzbehörde (Steuerverwaltung) als vorgesetzte Behörde über den gesamten Komplex der Eingaben und persönlichen Vorsprachen des Bf. und damit auch über seine Beschwerde entschieden. Daß der Finanzbehörde dabei die Erlaßbescheide des Bezirkssteueramts vom November 1950 nicht bekannt gewesen sein sollten und sie gar nicht der Beschwerde gegen diese Bescheide habe stattgeben wollen, wie die Vorinstanz meint, findet in den Akten keine Stütze. Die Akten lassen vielmehr erkennen, daß die Finanzbehörde damals in zweierlei Funktionen im Streitfall tätig gewesen ist, einmal als obere Finanzbehörde im Sinne der vorstehenden Ausführungen und ferner als grundschuldverwaltende Stelle. Gläubigerin der Hypothek II war die Freie und Hansestadt Hamburg; nach der Währungsumstellung wurde sie gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 der Anordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich in der Hansestadt Hamburg vom 21. September 1948 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1948 S. 106) insoweit verwaltende Stelle für die daraus entstandene Umstellungsgrundschuld. In dieser ihrer Eigenschaft gingen die Schreiben der Finanzbehörde von ihrer Vermögens- und Schuldenverwaltung aus. Bei dieser Dienststelle wurde auch der Aktenvermerk vom Januar 1951 gefertigt, aus dem hervorgeht, daß die Finanzbehörde als grundschuldverwaltende Stelle bereits im Januar 1951 an dem Tag, an dem der Bf. in Hamburg war, von der Finanzbehörde als Steuerverwaltung über die bevorstehende von ihr auszusprechende Tilgungsaussetzung, nachdem "sich neue Gesichtspunkte ergeben" hätten, unterrichtet worden war. Die Akten der Vermögens- und Schuldenverwaltung, die der Berichterstatter des Finanzgerichts angefordert hatte, waren daher nicht die Beschwerdeakten der Finanzbehörde als Steuerverwaltung und konnten daher auch nicht die Vorgänge enthalten, die sich im Anschluß an die Aussetzungsbescheide des Bezirkssteueramts vom November 1950 entwickelt hatten.
Der Senat vermag auch insoweit der Vorentscheidung und der Verwaltungsauffassung nicht zu folgen, als der Tilgungsaussetzung im Erlaß der Finanzbehörde vom März 1951 die Erlaßfiktion des § 105 Abs. 2 LAG abgesprochen worden ist. Daß die Finanzbehörde (Steuerverwaltung) für die Beschwerdeentscheidung zuständig war, ist bereits unter II 1 dargetan worden. Als obere Finanzbehörde ihres Landes war sie aber grundsätzlich auch befugt, sich über ihre eigenen Richtlinien, die sie für die Behandlung der Anträge auf Erlaß fälliger Leistungen aus Umstellungsgrundschulden am 7. Juni 1949 erlassen hatte (vgl. Amtlicher Anzeiger, a. a. O.), im Einzelfall zugunsten des Schuldners hinwegzusetzen und im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens der ihr untergeordneten Dienststellen zu setzen. Die dies verneinende Auffassung der Vorinstanz ist abzulehnen. Wenn die Finanzbehörde in ihrem Erlaß vom März 1951 am Ende des ersten Absatzes ihr Bedauern darüber erklärt hat, "nach wie vor den beantragten Erlaß von Zinsen bzw. Aussetzung von Tilgung aus sozialen Härtegründen nicht zugestehen zu können", so hat sie damit zum Ausdruck gebracht, daß auch ihrer Meinung nach ein unter Ziff. 13 ihrer Richtlinien fallender Erlaßgrund nicht gegeben sei; sie hat insoweit also die Ablehnung der Vorbehörden gedeckt. Wenn sie aber im zweiten Absatz unmißverständlich erklärt hat, in Würdigung der vom Bf. geschilderten Verhältnisse ausnahmsweise doch zur Aussetzung der Tilgung auf die Hypotheken I bis III für die Zeit vom 1. Juli 1948 bis 31. Dezember 1950 in voller Höhe bereit zu sein unter der Voraussetzung der Zinsenabführung, so hat sie damit im Rahmen ihrer Befugnisse als obere Finanzbehörde in einem Sonderfall trotz Nichtvorliegens der von ihr in Ziff. 13 der Richtlinien für den Normalfall statuierten Voraussetzungen eine Tilgungsaussetzung ausgesprochen. Sie durfte dies tun, wenn ihrer überzeugung nach sonstige Gründe vorgelegen haben, auf Grund deren die Einziehung der Tilgungsleistungen zu offenbaren Härten geführt hätte. Nach Ansicht des Senats ist aus dem Absatz 2 des Erlasses vom März 1951 zu entnehmen, daß die Finanzbehörde diese Voraussetzung als gegeben angesehen hat. Wenn es sich bei dieser Tilgungsaussetzung auch nicht um eine solche nach Ziff. 13 der Richtlinien handelte, so hatte sie doch ihre Grundlage in § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV und war durch diese gedeckt. Nur in diesem Sinn konnte der Erlaß der Finanzbehörde aufgefaßt werden und ist er auch von den Beteiligten aufgefaßt worden, und zwar, nicht nur vom Bf., sondern auch von dem grundschuldverwaltenden Institut, was z. B. auch dadurch zum Ausdruck gekommen ist, daß auf dessen Kontoauszug vom 31. Dezember 1951 die ab II/1948 bis 31. Dezember 1950 ausgesetzten Tilgungsleistungen als erlassen aufgeführt wurden.
Ist hiernach von der Finanzbehörde eine Tilgungsaussetzung nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV ausgesprochen worden, so konnte diese nicht durch eine andere Auslegung oder Umdeutung des Erlasses vom März 1951 im Jahre 1954 rückgängig gemacht oder der ihr gemäß § 105 Abs. 2 LAG beigelegten Erlaßfiktion beraubt werden. Denn letztere war mit dem Inkrafttreten des LAG eingetreten. Ob bis zu diesem Zeitpunkt die Aussetzung - etwa bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 96 AO - hätte zurückgenommen werden können, ist hier nicht zu entscheiden, da ausweislich der Akten erstmals im Jahre 1954 von der Verwaltung der Versuch unternommen worden ist, die Tilgungsaussetzung in eine nicht auf § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV beruhende sonstige Stundung umzudeuten.
III. - Das Finanzamt, an das die Sache zur Durchführung eines ordnungsmäßigen Verfahrens zurückgeht, hat nunmehr den Abgabebescheid, der unter Berücksichtigung der Tilgungsaussetzung der Finanzbehörde vom März 1951 gemäß § 105 Abs. 2 LAG bei den einzelnen Abgabeschulden zu berichtigen ist, an den Bf. und dessen Rechtsnachfolger im Eigentum am Grundstück (vgl. die Ausführungen oben zu I 1) zuzustellen. Für den Fall, daß auch dann noch Unstimmigkeiten zwischen den Abgabeschuldnern und dem Finanzamt über die Berechnung der restlichen Abgabeschuld nach § 106 LAG, über die Berechnung und über die Höhe etwaiger Rückstände bestehen sollten, müßten am Rechtsmittelverfahren von Anfang an Voreigentümer und Rechtsnachfolger beteiligt werden. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß die Ansicht des Bf. über die rechtliche Bedeutung der von den beauftragten Stellen erteilten Abrechnungen vom Senat nicht geteilt wird. Denn der von diesen Stellen erteilten Abrechnung kommt weder die Bedeutung einer Novation zu, noch könnte ihr eine rechtsgestaltende Wirkung beigelegt werden, da die beauftragten Stellen nicht in der Lage sind, Steuerbeträge zu erlassen.
Fundstellen
Haufe-Index 411492 |
BStBl III 1965, 149 |
BFHE 1965, 417 |
BFHE 81, 417 |