Leitsatz (amtlich)
Eine Abfindungszahlung an den Arbeitnehmer-Ehegatten anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist unter bestimmten Voraussetzungen steuerrechtlich als Betriebsausgabe anzuerkennen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Pächter einer Kantine. Seine Ehefrau war als Arbeitnehmerin in dem Kantinenbetrieb neben weiteren Arbeitnehmern tätig. Am 31. Juli 1978 gab der Kläger seinen Betrieb auf. Das Arbeitsverhältnis der Ehefrau des Klägers endete damit. Die übrigen Arbeitnehmer wurden von dem Nachfolgepächter der Kantine übernommen. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit seiner Ehefrau zahlte der Kläger ihr eine Abfindung von 15 000 DM. Der Kläger hatte sich zur Leistung der Abfindungszahlung seiner damals 61 jährigen Frau gegenüber am 1. Juli 1978 verpflichtet. Er passivierte die Verpflichtung in seiner Schlußbilanz per 31. Juli 1978. Die Erfüllung der Verpflichtung erfolgte im August 1978.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Abfindungszahlung nicht als Betriebsausgaben an. Die Klage hatte im Gegensatz zu dem vorangegangenen Einspruch Erfolg.
Mit der Revision wird die Verletzung materiellen Rechts und mangelnde Sachaufklärung gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger durfte für die seiner Ehefrau zugesagte Abfindung in seiner Schlußbilanz eine Verbindlichkeit ausweisen; denn die Zusage zur Zahlung einer Abfindung an die Ehefrau des Klägers war betrieblich veranlaßt (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), eindeutig vereinbart und ernsthaft gewollt. Mit der tatsächlichen Inanspruchnahme aus der Abfindungsverpflichtung mußte am Bilanzstichtag gerechnet werden.
1. Der Senat ist mit dem FA der Auffassung, daß die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur steuerlichen Anerkennung von Pensionszusagen (zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Mai 1984 VIII R 177/78, BFHE 141, 272, BStBl II 1984, 661 , mit weiteren Rechtsprechungshinweisen) und Direktversicherungen (zuletzt BFH-Urteil vom 21. August 1984 VIII R 106/81, BFHE 142, 231, BStBl II 1985, 124 , mit weiteren Rechtsprechungshinweisen) zugunsten von Arbeitnehmer-Ehegatten auch bei der Beantwortung der Frage, ob eine Abfindungszusage an einen bei Betriebsaufgabe aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer-Ehegatten betrieblich veranlaßt ist, entsprechend anzuwenden sind. Selbstverständlich kann das nur insoweit gelten, wie sich keine Unterschiede aus dem Umstand ergeben, daß Pensionszusagen und Direktversicherung im Rahmen eines laufenden bestehenden Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf dessen Fortbestand gegeben bzw. abgeschlossen werden, während eine Abfindungszusage oder Abfindungszahlung deshalb erfolgt, weil ein Arbeitsverhältnis beendet wird.
2. Pensionszusagen an einen Arbeitnehmer-Ehegatten werden steuerrechtlich anerkannt, wenn und soweit eine Pensionsverpflichtung eindeutig vereinbart und ernsthaft gewollt ist, mit einer tatsächlichen Inanspruchnahme aus der Verpflichtung gerechnet werden muß und die Pensionsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach betrieblich veranlaßt ist (BFH-Urteile vom 15. Juli 1976 I R 124/73, BFHE 120, 167, BStBl II 1977, 112 ; vom 20. März 1980 IV R 53/77, BFHE 130, 316, BStBl II 1980, 450 ; vom 26. Oktober 1982 VIII R 50/80, BFHE 137, 269, BStBl II 1983, 209 ). Die Eindeutigkeit und Ernsthaftigkeit der Pensionszusage sind mit Rücksicht auf die besonderen persönlichen Beziehungen der Vertragspartner nachzuweisen. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BFH-Urteil vom 10. November 1982 I R 135/80, BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173 ). Ob eine Pensionszusage oder eine Direktversicherung zugunsten eines Arbeitnehmer-Ehegatten betrieblich veranlaßt ist, ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Hierfür ist insbesondere bedeutsam, ob und inwieweit eine vergleichbare Altersversorgung auch einem familienfremden Arbeitnehmer mit vergleichbaren Tätigkeits- und Leistungsmerkmalen gewährt worden ist oder mit hoher Wahrscheinlichkeit gewährt worden wäre - betriebsinterner Fremdvergleich - (Urteil in BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173 ; vgl. ferner BFH-Urteile vom 24. November 1982 I R 42/80, BFHE 138, 26, BStBl II 1983, 405 ; vom 24. November 1982 I R 85/82, BFHE 138, 29, BStBl II 1983, 406 ; vom 30. März 1983 I R 162/80, BFHE 138, 351, BStBl II 1983, 500 ). Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von Altersvorsorgemaßnahmen zugunsten eines Arbeitnehmer-Ehegatten ist ferner, daß ein steuerlich anerkanntes Ehegattenarbeitsverhältnis vorliegt und die in Aussicht gestellte Altersversorgung im Verhältnis zu den Aktivbezügen nicht unangemessen hoch ist.
3. Die Zusage einer Abfindungszahlung an einen Arbeitnehmer-Ehegatten ist demzufolge steuerlich anzuerkennen,
a) wenn die Abfindungsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach betrieblich veranlaßt ist,
b) wenn und soweit eine Zahlungsverpflichtung eindeutig vereinbart und ernsthaft gewollt ist und - soweit die Abfindung am Bilanzstichtag noch nicht gezahlt ist - mit einer tatsächlichen Inanspruchnahme aus der Verpflichtung gerechnet werden muß,
c) wenn ein steuerlich anerkanntes Arbeitsverhältnis besteht und
d) wenn die Abfindung im Verhältnis zu den Aktivbezügen nicht unangemessen hoch ist.
Die Eindeutigkeit und Ernsthaftigkeit der Zusage müssen nachgewiesen werden. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.
Die Zusage einer Abfindung an einen Arbeitnehmer-Ehegatten ist betrieblich veranlaßt, wenn auch familienfremde Arbeitnehmer mit vergleichbaren Tätigkeitsund Leistungsmerkmalen unter vergleichbaren Verhältnissen eine entsprechende Abfindung erhalten oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erhalten würden (betriebsinterner Fremdvergleich). Eine Berücksichtigung vergleichbarer Verhältnisse ist hier wegen des unterschiedlichen Zwecks von Abfindungszahlungen gegenüber Pensionszusagen und Direktversicherungen zusätzlich erforderlich. Abfindungen werden nicht zur Alterssicherung, sondern wegen der mit der Auflösung eines Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile, insbesondere des Verlustes des Arbeitsplatzes, gezahlt.
Ein betriebsexterner Vergleich (Branchenüblichkeit von Abfindungszahlungen) ist selbst dann nicht vorzunehmen, wenn keine vergleichbaren Arbeitnehmer beschäftigt waren, so daß ein betriebsinterner Vergleich nicht möglich ist. In einem solchen Fall müssen andere Gründe vorhanden sein, aus denen sich eine betriebliche Veranlassung der Abfindungszusage ergibt. Solche Gründe können z. B. darin bestehen, daß der Arbeitnehmer-Ehegatte besonders herausgehobene Arbeitsleistungen erbracht hat, daß er eine besondere Vertrauensstellung innehatte oder daß er als einziger Arbeitnehmer von einem Betriebsnachfolger nicht übernommen wird.
Der Senat kann sich der vom FA vertretenen Auffassung, wonach hilfsweise ein betriebsexterner Fremdvergleich angestellt werden müsse, nicht anschließen. Es trifft zwar zu, daß der IV. Senat in seinem Urteil in BFHE 130, 316, BStBl II 1980, 450 ausgesprochen hat, daß ein betriebsexterner Fremdvergleich erheblich sein könne, wenn ein betriebsinterner Fremdvergleich nicht möglich sei, und daß bei einem betriebsexternen Vergleich auf die Ergebnisse von statistischen Erhebungen über Verbreitung und Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung zurückgegriffen werden könne. Der I. Senat hat jedoch in seinem Urteil in BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173 zutreffend dargelegt, daß der Hinweis des IV. Senats auf die Ergebnisse von statistischen Erhebungen nicht so verstanden werden könne, daß die betriebliche Veranlassung verneint werden müsse, wenn eine solche statistische Erhebung über die betriebliche Altersversorgung in vergleichbaren Unternehmen nicht ergebe, daß eine solche Regelung üblich ist. Die hilfsweise Anwendung eines betriebsexternen Fremdvergleichs habe vielmehr nur die Bedeutung, daß ein positives Ergebnis aus einem solchen Vergleich ein gewichtiges Indiz für die Bejahung der betrieblichen Veranlassung im Einzelfall sei. In diesem Sinn ist auch die Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 141, 272, BStBl II 1984, 661 zu verstehen.
4. Auf den Streitfall angewandt ergeben die vorstehenden Erwägungen, daß die Abfindungszusage des Klägers an seine Ehefrau als betrieblich veranlaßt zu werten ist.
a) Zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau hat ein steuerlich anerkanntes Arbeitsverhältnis bestanden. Die Ehefrau hatte im Betrieb des Klägers eine besondere Vertrauensstellung inne. Der Kläger hatte seiner Ehefrau durch schriftliche Vereinbarung vom 1. Juli 1978 im Hinblick auf die Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses eine Abfindung eindeutig zugesagt. Für die Eindeutigkeit spricht auch der Ausweis der Verpflichtung in der Schlußbilanz auf den 31. Juli 1978.
b) Für die Ernsthaftigkeit der Abfindungszusage spricht, daß der Kläger seiner Frau die Abfindung von 15 000 DM im August 1978, also unmittelbar nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gezahlt hat. Entgegen der Auffassung des FA ist es für die Annahme der Ernsthaftigkeit nicht erforderlich, daß das Unternehmen des Klägers in der Lage war, auch anderen Arbeitnehmern eine Abfindung zu zahlen; denn für das Merkmal der Ernsthaftigkeit kommt es lediglich auf die Wahrscheinlichkeit der Verpflichtungserfüllung gegenüber dem Ehegatten an. Außerdem waren im Streitfall keine anderen Arbeitnehmer mit Abfindungsansprüchen vorhanden.
c) Das FG ist aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die Abfindungszusage betrieblich veranlaßt war.
aa) Zwar ist im Streitfall ein betriebsinterner Fremdvergleich nicht möglich, weil - außer der Ehefrau des Klägers - alle Arbeitnehmer von dem neuen Kantinenpächter übernommen worden sind. Diese Arbeitnehmer haben also ihren Arbeitsplatz nicht verloren, so daß für sie eine Abfindung nicht in Betracht kam.
bb) Es sind im Streitfall aber andere Gründe als ein betriebsinterner Fremdvergleich vorhanden, die zu dem Ergebnis führen, daß die Abfindungszusage, die der Kläger seiner Ehefrau gewährte, betrieblich veranlaßt war.
Der Senat braucht zu der vom FA vorgetragenen Auffassung, das FG hätte die betriebliche Veranlassung nicht nur auf die subjektive Vorstellung des Klägers stützen dürfen, nicht einzugehen, weil das FG seine Überzeugung, es liege eine betriebliche Veranlassung der Abfindungszusage vor, nicht nur aufgrund einer subjektiven Vorstellung des Klägers, sondern "mit Rücksicht auf die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau" erlangt hat. Zu diesen Angaben gehören folgende Umstände: Der Kläger hätte auch familienfremden Arbeitnehmern eine Abfindung gezahlt, wenn sie ihren Arbeitsplatz verloren hätten. Die Ehefrau des Klägers ist nicht von dem Nachfolgepächter übernommen worden. Sie hat wegen ihres Alters auch keinen anderen Arbeitsplatz gefunden. Sie hatte in dem Betrieb des Klägers eine herausragende Stellung. Der Kläger ging irrtümlich davon aus, er sei zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet. Unter diesen Umständen brauchte das FG nicht nach weiteren objektiv feststellbaren Tatsachen zu forschen.
cc) Die Erwägungen des FA, bei der steuerlichen Anerkennung von Pensionszusagen und Direktversicherungen könne großzügiger verfahren werden als bei der steuerlichen Anerkennung von Abfindungszahlungen, weil durch Pensionszusagen und Direktversicherungen die staatliche Rentenversicherung entlastet werde, hingegen durch Abfindungszahlungen nicht, bedürfen keiner Erörterung, weil sie sachfremd sind.
dd) Entgegen der Auffassung des FA setzt die steuerliche Anerkennung der Abziehbarkeit von Abfindungen bei Beendigung eines Dienstverhältnisses keine Rechtspflicht zur Zahlung solcher Abfindungen voraus.
d) Die Höhe der gezahlten Abfindung begegnet keinen Bedenken.
5. Das FG hat die Abfindungszahlung zutreffend vom laufenden Gewinn und nicht vom Aufgabegewinn abgezogen. Die Abfindungszusage war zwar im Hinblick auf die Betriebsaufgabe am 31. Juli 1978 erteilt worden, jedoch unabhängig von ihr bereits am 1. Juli 1978 im laufenden Geschäftsverkehr.
Fundstellen
Haufe-Index 426130 |
BStBl II 1985, 327 |
BFHE 1985, 127 |