Entscheidungsstichwort (Thema)
Sanierungsgewinn eines Kommanditisten/Komplementärs - Voraussetzungen des Sanierungsgewinns
Leitsatz (amtlich)
Der Aufgabegewinn einer sanierungsbedürftigen KG, die ihre gewerbliche Betätigung eingestellt hat, ist, soweit er auf einen Kommanditisten entfällt, grundsätzlich nicht als Sanierungsgewinn steuerfrei.
Orientierungssatz
1. Der Sanierungsgewinn kann jedoch insoweit steuerfrei sein, als durch den Schulderlaß nicht die wirtschaftliche Gesundung der Personengesellschaft, sondern die der persönlich haftenden Gesellschafter bezweckt wird (Abgrenzung BFH-Rechtsprechung; Anschluß an BFH-Urteile vom 14.3.1990 I R 64/85 und I R 106/85).
2. Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns setzt im einzelnen voraus, daß das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, daß die Schuld oder die Schulden ganz oder teilweise erlassen werden, daß die Gläubiger in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen, und daß der Schulderlaß geeignet ist, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Es muß eine bestimmte Maßnahme aller oder einzelner Gläubiger zugrunde liegen, die zwar an keine Form gebunden ist, sich aber im Wege eines allgemeinen Akkords, eines Vergleichs oder einzelner Vereinbarungen als ein Erlaß i.S. des § 397 BGB darstellt (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 3 Nr. 66, § 16 Abs. 3; BGB § 397
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war persönlich haftender Gesellschafter der X-KG (künftig KG). Weitere Gesellschafter waren: G X (persönlich haftender Gesellschafter) und A X (Kommanditistin). Im Jahre 1976 geriet die KG in Zahlungsschwierigkeiten. Nachdem der Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens abgelehnt und das Anschlußkonkursverfahren eröffnet wurde, kam es am 12.April 1978 zu einem gerichtlich bestätigten Zwangsvergleich, der zu einem Erlaß von über 75 v.H. der bestehenden Betriebsschulden durch die Gläubiger führte. Am 15.Mai 1978 wurde der Geschäftsbetrieb der KG eingestellt. Der Forderungsverzicht der Gläubiger ergab einen Vermögenszuwachs von 600 168 DM, den die KG als steuerfreien Sanierungsgewinn ansah. Dementsprechend minderte sie ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb um diesen Betrag und wies in der gesonderten Feststellungserklärung 1978 einen Verlust von 56 285 DM aus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) veranlagte erklärungsgemäß.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung für die Jahre 1976 bis 1978 vertrat das FA die Ansicht, daß ein steuerfreier Sanierungsgewinn nicht angenommen werde könne, wenn der Geschäftsbetrieb im Zusammenhang mit dem Erlaß der Schulden eingestellt werde. Wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung eines steuerfreien Sanierungsgewinns sei die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit des Unternehmens. Da im Streitfall der Betrieb aufgegeben worden sei, läge eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor. Den Aufgabegewinn berechnete das FA mit 486 548 DM und erließ einen entsprechend geänderten Bescheid. Der dagegen eingelegte Einspruch war insoweit erfolgreich, als der Aufgabegewinn nunmehr mit 453 258 DM festgesetzt wurde.
Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf ./. 103 169 DM fest. Das FA habe den von den Gläubigern der KG gewährten Schulderlaß zu Unrecht nicht als steuerfreien Sanierungsgewinn i.S. des § 3 Nr.66 EStG behandelt. Die in dieser Vorschrift geforderten Voraussetzungen seien im Streitfall alle erfüllt. Außer Streit sei, daß die Erfordernisse des Schulderlasses und der objektiven Sanierungsbedürftigkeit der KG vorgelegen hätten. Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns für einen persönlich haftenden Gesellschafter hänge allerdings zusätzlich weiter davon ab, daß die Sanierungsvoraussetzungen auch in seiner Person erfüllt seien. Daß der Kläger und der andere persönlich haftende Gesellschafter sanierungsbedürftig gewesen seien, hätten sie dargetan. Ihr persönliches Vermögen habe nicht annähernd ausgereicht, um gemeinsam die durch das Betriebsvermögen der KG nicht gedeckten Forderungen der Gläubiger der KG zu befriedigen.
Der im Zwangsvergleich ausgesprochene Erlaß von Schulden sei auch geeignet gewesen, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Dem stehe nicht entgegen, daß die KG liquidiert worden sei. Denn die Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn nach § 3 Nr.66 EStG lägen auch dann vor, wenn beispielsweise die Gläubiger einer Personengesellschaft durch den Abschluß eines Liquidationsvergleichs die persönliche Haftung der Gesellschafter begrenzen. Die von der Rechtsprechung benutzte Wendung von der Erhaltung des Unternehmens bedeute in Fällen der Liquidation einer Personengesellschaft die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des persönlich haftenden Gesellschafters.
Die Gläubiger hätten im Streitfall in Sanierungsabsicht gehandelt. Sie hätten den persönlich haftenden Gesellschaftern den wirtschaftlichen Fortbestand ermöglichen wollen.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "zum Zweck der Sanierung" des § 3 Nr.66 EStG.
Das FA führt aus, sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck des § 3 Nr.66 EStG ergebe sich, daß ein steuerfreier Sanierungsgewinn nur dann vorliege, wenn es sich entweder um eine "fortführende Unternehmenssanierung" oder um eine "übertragende Sanierung" handele. Die Sanierung einer KG erfülle die Voraussetzungen des § 3 Nr.66 EStG nur dann, wenn die Ertragsfähigkeit des ursprünglichen oder des übernehmenden Unternehmens wiederhergestellt werde. Dem Wortsinn "Sanierung" widerspreche es, eine Heilung auch dann anzunehmen, wenn das "kranke Unternehmen" stirbt. Die Erwägungen des Reichsfinanzhofs (RFH) in seinem Urteil vom 16.Dezember 1936 VI A 725/36 (RStBl 1937, 436) und des darauf fußenden FG-Urteils gingen fehl. Der Geschäftsbetrieb einer Personengesellschaft sei ein eigenständiger Faktor und Beitrag zur Summe der Beiträge aller am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmenden Subjekte. Der soziale Zweck des § 3 Nr.66 EStG beschränke sich nicht auf den Unternehmer, sondern habe die volkswirtschaftliche Bedeutung des gesundeten und wieder ertragsfähigen Betriebs zum Ziel. Überdies sei nicht sicher vorhersehbar, ob die von der betrieblichen Schuld befreiten Gesellschafter einer Personengesellschaft einen neuen Betrieb aufmachen oder sich Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit verschaffen könnten.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er hält daran fest, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn im Streitfall gegeben sind.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zu einer anderweitigen Feststellung des steuerfreien Sanierungsgewinns.
1. Der Kläger ist als Gesellschafter der inzwischen erloschenen KG befugt, Revision einzulegen.
2. Nach § 3 Nr.66 EStG sind Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, von der Einkommensteuer befreit.
Der Begriff der Sanierung ist gesetzlich nicht festgelegt. Nach der Rechtsprechung sind unter einer Sanierung Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 22.April 1964 I 62/61 U, BFHE 79, 382, BStBl III 1964, 370, m.w.N.). Es muß eine bestimmte Maßnahme aller oder einzelner Gläubiger zugrunde liegen, die zwar an keine Form gebunden ist, sich aber im Wege eines allgemeinen Akkords, eines Vergleichs oder einzelner Vereinbarungen als ein Erlaß i.S. des § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darstellt (BFH-Urteil vom 26.November 1980 I R 52/77, BFHE 132, 72, BStBl II 1981, 181).
Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns setzt im einzelnen voraus, daß das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, daß die Schuld oder die Schulden ganz oder teilweise erlassen werden, daß die Gläubiger in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen, und daß der Schulderlaß geeignet ist, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (BFH-Urteile vom 22.November 1983 VIII R 14/81, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472, m.w.N.; vom 22.Januar 1985 VIII R 37/84, BFHE 143, 420, BStBl II 1985, 501; vom 20.Februar 1986 IV R 172/84, BFH/NV 1987, 493; vom 28.Februar 1989 VIII R 303/84, BFHE 157, 51, BStBl II 1989, 711).
3. Zu Recht hat das FG entschieden, daß die KG sanierungsbedürftig war und daß die Gläubiger im Rahmen des Zwangsvergleichs in Sanierungsabsicht Schulden erlassen haben. Zutreffend ist auch die Auffassung des FG, daß ein Sanierungsgewinn auch dann steuerfrei sein kann, wenn durch den Schulderlaß nicht die wirtschaftliche Gesundung einer Personengesellschaft, sondern die der persönlich haftenden Gesellschafter bezweckt wird.
Der Senat hat zwar im Urteil in BFHE 143, 420, BStBl II 1985, 501 die Steuerfreiheit des durch einen Forderungsverzicht entstehenden Gewinns verneint, weil die Klägerin in dem dort entschiedenen Fall nicht spätestens im zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulderlaß eine eigene werbende Tätigkeit aufgenommen hatte. Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, bei der keine natürliche Person für die Verbindlichkeiten unbeschränkt haftete. Entsprechendes gilt für das Urteil vom 7.Februar 1985 IV R 177/83 (BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504), das ebenfalls für eine GmbH & Co. KG die Möglichkeit einer "unternehmerbezogenen" Sanierung verneint.
Im Streitfall geht es jedoch nicht um einen Erlaß zugunsten eines Kommanditisten, der nur beschränkt haftet, sondern um einen Erlaß zugunsten der Gesellschafter einer Personengesellschaft, die für die Gesellschaftsschulden persönlich unbeschränkt haften.
Der I.Senat des BFH hat in den Urteilen vom 14.März 1990 I R 64/85 (BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810) und I R 106/85 (BFHE 161, 34, BStBl II 1990, 813) entschieden, daß es für die Sanierungseignung genügt, wenn der Forderungserlaß einem Einzelunternehmer ermöglicht, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiter bestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an, die im Ergebnis mit der Rechtsprechung des RFH übereinstimmt (vgl. Urteile in RStBl 1937, 436; vom 12.Oktober 1938 VI 621/38, RStBl 1939, 86; vom 4.Mai 1938 VI 192/38, Steuer- und Wirtschaft ―StuW― 1938, 576; vom 14.November 1938 VI 495/38, RStBl 1939, 117).
Nach Auffassung des Senats gelten diese Grundsätze nicht nur für einen Einzelunternehmer, sondern auch für den Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft, der persönlich unbeschränkt haftet. Der Senat folgt damit auch insoweit der Rechtsprechung des RFH. Dieser hat eine steuerfreie Sanierung auch dann bejaht, wenn sich Gläubiger und Schuldner einigen, daß zwar der Betrieb der Personengesellschaft aufgegeben wird, daß aber dem einzelnen Gesellschafter durch die Einigung ein wirtschaftliches Bestehen als Angestellter oder in irgendeiner anderen Form ermöglicht werden soll (RFH in RStBl 1937, 436 und in StuW 1938, 576).
Der BFH hat zwar stärker als der RFH die Einheit der Personengesellschaft betont. Er geht davon aus, daß eine Personengesellschaft für die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit Steuerrechtssubjekt ist, als sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind (BFH-Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 425 f., BStBl II 1984, 751, 761). Diese Betrachtung erfordert jedoch nicht, bei der Frage der Sanierungseignung ausschließlich auf die Personengesellschaft abzustellen. Die Personengesellschaft als solche unterliegt nicht der Einkommensteuer. Steuerpflichtig und damit Steuerschuldner sind die Gesellschafter als natürliche Personen. Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns kann sich nur bei den Gesellschaftern auswirken.
Durch die Steuerbefreiung der Sanierung soll der Erlaß von Forderungen begünstigt werden, die nicht mehr vollwertig sind, deren Fortbestand jedoch den Schuldner in seiner Existenz bedroht. Bestünde die Steuerfreiheit nicht, könnte es durch den Erlaß zum Anfall von Steuern kommen (BFH in BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810). Diese Situation besteht beim persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft in gleichem Maß wie bei einem Einzelunternehmer.
4. Zu Unrecht hat das FG den Aufgabegewinn auch insoweit als steuerfrei behandelt, als er aufgrund der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Gewinnverteilung in Höhe von 10 v.H. auf die Kommanditistin A X entfällt. Die Voraussetzungen des § 3 Nr.66 EStG sind in Höhe des Anteils der Kommanditistin nicht gegeben, weil die KG ihre gewerbliche Betätigung auf Dauer eingestellt hat und der Schulderlaß insoweit nicht dazu bestimmt und geeignet ist, dem Schuldner ein wirtschaftliches Bestehen als Angestellter oder in irgendeiner anderen Form zu ermöglichen. Die Kommanditistin haftet den Gesellschaftsgläubigern nur mit ihrer Einlage, so daß ihre wirtschaftliche Existenz durch den Fortbestand der Gesellschaftsschulden nicht gefährdet wird.
5. Der vom FG festgestellte Aufgabegewinn in Höhe von 453 258 DM ist somit nur in Höhe von 90 v.H. = 407 933 DM als steuerfreier Sanierungsgewinn zu behandeln. Davon entfallen auf den Kläger und den beigeladenen G X je 45 v.H. = 203 966 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 63183 |
BFH/NV 1991, 62 |
BStBl II 1991, 784 |
BFHE 164, 404 |
BFHE 1992, 404 |
BB 1991, 1704 (T) |
BB 1991, 1913 |
DB 1991, 1959-1960 (LT) |
DStR 1991, 1110 (KT) |
DStZ 1991, 600 (KT) |
HFR 1991, 641 (LT) |
StE 1991, 298 (K) |