Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschaffungskosten der vom Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft vor 1992 verdeckt eingelegten wesentlichen Beteiligung
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Gesellschafter seine im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft vor der gesetzlichen Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG durch das StÄndG 1992 verdeckt in eine Kapitalgesellschaft eingelegt, an der er ebenfalls wesentlich beteiligt war, waren die Anschaffungskosten dieser Beteiligung um den gemeinen Wert der eingelegten Beteiligung im Einlagezeitpunkt zu erhöhen.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 2; BewG § 1 Abs. 1, § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 2001, 808) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war mit Geschäftsanteilen im Nennwert von 1 240 500 DM an der G-GmbH (Stammkapital 2 025 000 DM) und mit 98 v.H. des Stammkapitals von 50 000 DM an der 1989 gegründeten L-GmbH beteiligt. Die übrigen Geschäftsanteile an beiden Gesellschaften hielt, soweit sie nicht eigene Anteile der G-GmbH waren, ihr Sohn. Die Geschäftsanteile an der L-GmbH hielt er als Treuhänder für seine Mutter.
Im Anschluss an die Gründung der L-GmbH trat die Klägerin Geschäftsanteile an der G-GmbH im Nennwert von 1 187 200 DM (74,9 v.H. der stimm- und dividendenberechtigten Anteile der G-GmbH) unentgeltlich an die L-GmbH ab; der Verkehrswert der Anteile betrug 88 Mio. DM. Mit notariellem Vertrag vom gleichen Tage veräußerten die Klägerin und ihr Sohn ihre Geschäftsanteile an der L-GmbH an die X-AG. Als Kaufpreis erhielten die Klägerin 88,2 Mio. DM, der Sohn 1,8 Mio. DM.
Zur Begründung der zeitgleichen Gründung der L-GmbH, der verdeckten Einlage der Beteiligung an der G-GmbH und der anschließenden Veräußerung der Beteiligung an der L-GmbH führte die Klägerin aus, dass die L-GmbH als Zwischenholding konzipiert gewesen sei. Diese Konzeption habe die X-AG auch realisiert und weitere Beteiligungen hinzuerworben. Die Beteiligung an der G-GmbH sei im Betriebsvermögen der L-GmbH verblieben. Die Klägerin und ihr Sohn waren auch weiterhin noch mit einem geringen Anteil an der G-GmbH beteiligt.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1989 erklärte die Klägerin einen Veräußerungsgewinn gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 300 715,28 DM. Die Abtretung der Geschäftsanteile an der G-GmbH sei keine Veräußerung, sondern eine verdeckte Einlage gewesen und habe deshalb bei ihr zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung an der L-GmbH in Höhe des gemeinen Werts der eingelegten Beteiligung geführt. Demgemäß sei in Höhe dieses Werts bei der Veräußerung der Anteile an der L-GmbH kein Veräußerungsgewinn entstanden.
Demgegenüber ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 87 429 140 DM. Dabei ging das FA davon aus, dass die Gründung der L-GmbH, die Übertragung der Beteiligung an der G-GmbH auf die L-GmbH und der Verkauf der Anteile an dieser einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) darstellten. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage im Wesentlichen und mit dem Hinweis abgewiesen, dass die verdeckte Einlage bei der Klägerin lediglich zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe der historischen Anschaffungskosten der eingelegten Beteiligung geführt habe. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liege angesichts der von der Klägerin vorgetragenen beachtlichen und glaubhaften Gründe für ihr Vorgehen nicht vor (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 808).
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§§ 17, 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG).
Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1989 vom 16. Oktober 1996 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Einkommensteuer 1989 unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns in Höhe von 300 715,28 DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Klägerin hat durch die Veräußerung der Geschäftsanteile an der L-GmbH einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 300 715,28 DM erzielt (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 EStG).
1. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Klägerin im Zusammenhang mit der Veräußerung der Beteiligung an der L-GmbH Veräußerungskosten in Höhe von 541 286,91 DM und Anschaffungsnebenkosten anlässlich der Gründung der L-GmbH von insgesamt 1 132 997,73 DM entstanden sind. Darüber hinaus sind bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der L-GmbH in Höhe von 88 Mio. DM zu berücksichtigen, die der Klägerin durch die verdeckte Einlage der Geschäftsanteile an der G-GmbH in das Betriebsvermögen der L-GmbH entstanden sind.
a) Die verdeckte Einlage einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft steht erst ab dem Veranlagungszeitraum 1992 einer Veräußerung zum gemeinen Wert gleich (§§ 17 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2, 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes ―StÄndG― 1992). Für vorausgehende Veranlagungszeiträume ist die verdeckte Einlage als unentgeltliche Übertragung der Beteiligung in das Betriebsvermögen der anderen Gesellschaft zu beurteilen (zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, Der Betrieb ―DB― 1997, 1747, unter II. 2. b der Gründe). Das gilt auch für die Abtretung der Geschäftsanteile an der G-GmbH an die L-GmbH; sie ist noch 1989 wirksam geworden.
b) Die verdeckte Einlage führte zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung an der L-GmbH in Höhe des gemeinen Werts der eingelegten Geschäftsanteile im Einlagezeitpunkt.
Das Schrifttum hat sich zur Frage, wie eine vor 1992 in eine Kapitalgesellschaft verdeckt eingelegte, im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung bei der aufnehmenden Gesellschaft und dem an dieser Gesellschaft ebenfalls wesentlich beteiligten Gesellschafter zu bewerten ist, unterschiedlich geäußert, der erkennende Senat hat die Beurteilung als ernstlich zweifelhaft angesehen (zum Streitstand vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 183, 174, DB 1997, 1747, und vom 9. Juli 1997 VIII B 40/97, BFH/NV 1998, 23). Der Senat entscheidet diese Frage nunmehr im Sinne der überwiegenden Meinung im Schrifttum dahin gehend, dass die verdeckte Einlage auf der Ebene des Gesellschafters mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist. Die insoweit hinsichtlich der Bewertung der verdeckten Einlage einer wesentlichen Beteiligung bestehende Gesetzeslücke ist über § 1 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu schließen. Das entspricht der bisherigen Rechtsprechung zur Bewertung verdeckter Einlagen aus einem Betriebsvermögen (BFH-Urteil vom 26. Juli 1967 I 138/65, BFHE 89, 524, BStBl III 1967, 733; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, unter C. I. 3. d der Gründe, und dazu Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., S. 215) und der Wertung des Gesetzgebers in § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG ab 1992.
Die Bewertung der verdeckt eingelegten Beteiligung mit dem gemeinen Wert hat zwar zur Folge, dass die in der Beteiligung bis zum Einlagezeitpunkt gebildeten stillen Reserven beim Gesellschafter weder im Einlagezeitpunkt noch später erfasst werden; sie führt aber insofern nicht zu einer Besteuerungslücke, als die stillen Reserven auf der Ebene der Gesellschaft zu erfassen sind, bei der die eingelegte Beteiligung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG mit den Anschaffungskosten des einlegenden Gesellschafters anzusetzen ist (BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 89/97, BFHE 186, 25, BStBl II 1998, 691). Dass bei dieser Gestaltung die stillen Reserven auf ein anderes Rechtssubjekt übergehen und ihre Besteuerung bei diesem ggf. nicht in der gleichen Weise sichergestellt ist wie beim einlegenden Gesellschafter, steht dieser ―notwendigerweise typisierenden― Beurteilung nicht entgegen (vgl. bereits Senatsbeschluss in BFHE 183, 174, DB 1997, 1747, unter II. 2. c der Gründe). Es ist Sache des Gesetzgebers, die Gesetzeslücke im Bereich des Veräußerungsbegriffs des § 17 Abs. 1 EStG in der Weise zu schließen, dass die im Privatvermögen des Gesellschafters gebildeten stillen Reserven im Einlagezeitpunkt oder später auch allein bei diesem steuerlich erfasst werden. Ob es durch den Ansatz der nachträglichen Anschaffungskosten mit dem gemeinen Wert ggf. auch zum völligen Ausschluss der Besteuerung der stillen Reserven kommen könnte (vgl. z.B. zur Rechtslage bei der Liquidation einer Gesellschaft Wassermeyer, DB 1990, 855 f., 858; Knobbe-Keuk in Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Steuerberatung, Festschrift für Rose, 1991, S. 153 f., 162; Widmann, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1990/91, 387 f., 390 ff.), hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.
2. Der durch das Urteil des I. Senats des BFH vom 27. Juli 1988 I R 147/83 (BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271) für den Bereich des § 17 EStG eröffnete Gestaltungsspielraum macht allerdings im Einzelfall die Prüfung erforderlich, ob die verdeckte Einlage nicht als Teil eines Gesamtplans zur Vermeidung der Besteuerung der stillen Reserven sowohl auf der Ebene des Gesellschafters als auch auf der Ebene der Gesellschaft als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zu beurteilen ist (§ 42 AO 1977). Auch insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss in BFHE 183, 174, DB 1997, 1747 (dort unter II. 2. c der Gründe). Der Senat geht mit dem FG davon aus, dass im Streitfall ein solcher Missbrauch nicht vorliegt. Der Umstand, dass der Gesellschafter die bei ihm steuerverhafteten stillen Reserven auf die Kapitalgesellschaft überträgt, reicht für eine solche Beurteilung allein nicht aus.
3. Auf der Grundlage des unstreitigen gemeinen Werts der Geschäftsanteile an der G-GmbH von 88 Mio. DM im Zeitpunkt der verdeckten Einlage ergibt sich der von der Klägerin erklärte Veräußerungsgewinn in Höhe von 300 715,28 DM. Die Neuberechnung des festzusetzenden Einkommensteuerbetrags wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 684724 |
BFH/NV 2002, 583 |
BStBl II 2002, 463 |
BFHE 197, 491 |
BFHE 2002, 491 |
BB 2002, 605 |
DB 2002, 614 |
DStRE 2002, 488 |
HFR 2002, 396 |
StE 2002, 151 |