Entscheidungsstichwort (Thema)
Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen sind keine Gewinnausschüttungen und andere Ausschüttungen nach §§ 8 Abs. 3, 27 KStG, sondern Gewinnabführungen i.S. der §§ 14 ff KStG
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1, 3, § 14 S. 1 Nr. 5, §§ 17, 27 Abs. 1, 3, § 28 Abs. 3, § 30 Abs. 2 Nr. 4, §§ 36, 37 Abs. 2, § 41; AktG § 291 Abs. 1, §§ 300-301; KStR Abschn. 59 Abs. 4 S. 3; HGB § 272 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob sog. vororganschaftliche Mehrabführungen im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses auf Seiten der Organgesellschaft als Gewinnabführungen den Regelungen der §§ 14 ff. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) oder als Gewinnausschüttungen und andere Ausschüttungen den §§ 8 Abs. 3, 27 ff. KStG (in der jeweils gültigen Fassung) unterfallen.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die im Jahre 1967 gegründet wurde. An ihrem Stammkapital in Höhe von 5 Mio. DM waren die V-AG zu 51 % und die R-AG zu 49 % beteiligt. Im Jahre 1989 wurde das Stammkapital der inzwischen umfirmierten Klägerin erhöht, wobei die vorgenannten Gesellschafter die neuen Stammeinlagen in Höhe ihres jeweiligen Anteils übernahmen und wie folgt erbrachten: Die V-AG verschmolz eine 100 %ige Tochtergesellschaft, die S-GmbH, nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Kapitalerhöhungsgesetzes (KapErhG) zum 1. Januar 1989 auf die Klägerin. Gleiches vollzog die R-AG hinsichtlich ihrer 100 %igen Tochtergesellschaften, der I-GmbH und der V-GmbH. Sie brachte zudem ihre Kommanditbeteiligung an der K-KG, deren alleinige Komplementärin die V-GmbH war, in die Klägerin ein.
Die Anteilseigner der Klägerin sind zugleich Gesellschafter einer mit Wirkung ab dem 1. Januar 1990 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der V-GbR, mit welcher die Klägerin mit Wirkung ab dem gleichen Datum einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abschloss, der im Jahre 1993 in das Handelsregister eingetragen wurde. Durch diesen Vertrag ist die Klägerin als Organgesellschaft mit der V-GbR als Organträgerin organschaftlich verbunden.
In den Jahren 1992 und 1993 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1985 bis 1989 statt. Dabei wurde festgestellt, dass die durch Umwandlung mit Wirkung zum 1. April 1988 entstandene S-GmbH sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz auf den Umwandlungsstichtag einen Firmenwert in Höhe von 807 100 DM aktiviert, jedoch lediglich in der Handelsbilanz auf den 31. Dezember 1988 eine Bewertung mit dem um 93 100 DM niedrigeren beizulegenden Wert vorgenommen hatte. In der Steuerbilanz hatte sie hingegen keine Teilwertabschreibung, sondern nur eine zeitanteilige Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 6 300 DM vorgenommen. Daraus hatte sich für die S-GmbH in 1988 ein um 86 800 DM höherer steuerlicher Gewinn ergeben. Ab 1989 ergab sich daraus für die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der S-GmbH jeweils ein um 8 400 DM geringerer steuerlicher Gewinn, was in den Streitjahren zu gegenüber der steuerrechtlichen Einkommenszurechnung um 8 400 DM höheren handelsrechtlichen Gewinnabführungen (Mehrabführungen) führte.
Im Rahmen der Betriebsprüfung beantragte die Klägerin zudem, die von der R-AG eingebrachten Wirtschaftsgüter der K-KG mit dem Teilwert zu bewerten. Der Betriebsprüfer folgte dem zwar, vertrat aber die Auffassung, die von der Klägerin als immaterielle Wirtschaftsgüter bilanzierten Entsorgungsverträge und Prüfbescheide seien nicht selbständig bewertbar. Auch seien die Teilwerte abweichend von der Handelsbilanz zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern zu verteilen. Der Firmenwert sei mit 5 Mio. DM zu bewerten, woraus sich in den Jahren 1989 bis 1993 ein steuerlicher Mehrgewinn, ab 1994 jedoch ein niedrigerer steuerlicher Gewinn von jährlich 144 843 DM ergebe. Die materiellen Wirtschaftsgüter seien hingegen statt mit 1 344 000 DM mit 3 572 376 DM zu bewerten, woraus sich für die Jahre 1989 bis 1993 entsprechend niedrigere steuerliche Gewinne ergaben.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, das der V-GbR zuzurechnende Einkommen betrage in 1995 2 735 571 DM und in 1996 2 785 530 DM, während sich die Gewinnabführung an den Organträger auf 2 834 488 DM bzw. 2 897 210 DM belaufe. In den Gewinnabführungen seien nämlich Mehrabführungen in Höhe von jeweils 153 243 DM enthalten. Sie zog diese Beträge von dem Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG (EK 02) ab und stellte keine Ausschüttungsbelastung her.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) behandelte die vorgenannten Beträge im Rahmen der Veranlagungen hingegen als Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 KStG und als andere Ausschüttungen i.S. des § 27 KStG, die vom belasteten Teil des vEK und nur im Übrigen vom EK 02 abzuziehen seien.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin vor dem Finanzgericht (FG) Klage, welcher dieses stattgab. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1319 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Anfechtungsklage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die streitbefangenen handelsrechtlichen Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit hatten, nicht als Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 und als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG zu behandeln sind, sondern den Regelungen der §§ 14 ff. KStG unterfallen.
1. Nach § 14 Satz 1 KStG ist ―vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen § 16 KStG― bei Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen. Das von der Organgesellschaft erwirtschaftete Einkommen wird zwar bei dieser selbst ermittelt, jedoch steuerlich beim Organträger erfasst. Die Einkommenszurechnung gemäß § 14 KStG darf allerdings nicht dazu führen, dass das von der Organgesellschaft erzielte und dem Organträger zugerechnete Einkommen beim Organträger doppelt besteuert wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. Juli 1996 I R 41/93, BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614; vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; vom 20. August 1986 I R 150/82, BFHE 149, 25, BStBl II 1987, 455; vom 29. Oktober 1974 I R 240/72, BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 14 Anm. 90; Walter in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 891). Daraus folgt, dass weder die Gewinnabführung noch die Zurechnung des Organeinkommens als solche bei der Organgesellschaft eine Ertragsbesteuerung auslöst.
Gewinnabführungen und Ausschüttungen unterfallen unterschiedlichen Regelungskonzepten. Die körperschaftsteuerlichen Organschaftsregeln gehen der Anwendung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens vor. Demgemäß ist weder die Gewinnabführung noch die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft eine Ausschüttung. Die Ausschüttungsbelastung ist bei organschaftlich bedingten Gewinnabführungen nicht herzustellen. Die Gewinnabführung löst keine Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG aus; in diesem Sinne geht § 14 KStG den §§ 27 ff. KStG vor (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks 7/1470, S. 347 ff.; BFH-Urteile vom 5. April 1995 I R 156/93, BFHE 177, 429, und vom 8. August 2001 I R 25/00, BFHE 196, 485, BFH/NV 2001, 461; für § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auch BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 I B 38/90, BFH/NV 1991, 121, m.w.N.; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 14 KStG Rz. 9; Schneck/Hirsch, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 1999, 898, 899; Preißer/Seeliger, Betriebs-Berater ―BB― 1999, 393, 395).
2. Für die vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen ist allerdings umstritten, ob sie als Gewinnabführungen den §§ 14 ff. KStG unterfallen oder aber als Ausschüttungen nach § 27 KStG zu behandeln sind.
a) Die Finanzverwaltung (Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien ―KStR― 1995; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 24. Juni 1996, BStBl I 1996, 695, und vom 28. Oktober 1997, BStBl I 1997, 939, anders aber BMF-Schreiben vom 10. Januar 1981, BStBl I 1981, 44, 47; ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2001 6 K 5206/98 K, EFG 2001, 917) vertritt in Übereinstimmung mit einem Teil der Literatur (Hübel, Die steuerliche Betriebsprüfung ―StBp― 1984, 78, 82; Schröder, StBp 1986, 269, 273; Dötsch, Der Betrieb ―DB― 1993, 752, 755; Dötsch/Witt, DB 1996, 1592, 1595; Starke, DB 1996, 1490, 1492; Müller-Gatermann in Festschrift für W. Ritter, 1997, 457, 468; Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft, 5. Aufl., Rz. 643; Streck, a.a.O., § 14 Anm. 60; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungsteuergesetz, § 14 KStG Rz. 279; Witt in Dötsch/Eversberg/ Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, § 14 KStG Rz. 166 f.; Danelsing in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 14 KStG Rz. 190; Schwarz in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz 1977, Kommentar, § 14 Rz. 439) die Auffassung, dass vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen als andere Ausschüttung i.S. des § 27 KStG zu behandeln seien, für die die Ausschüttungsbelastung herzustellen sei. Danach wird § 27 KStG dann nicht durch die §§ 14 ff. KStG verdrängt, wenn sich der entsprechende Geschäftsvorfall bereits in einem Zeitpunkt ereignet und ausgewirkt hat, in dem noch kein Organschaftsverhältnis bestand.
Die Gegenmeinung (Knepper in Festschrift für L. Schmidt, 1993, 725, 734; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 1, 8; Jonas, Steuerberater-Jahrbuch ―StbJb― 1996/1997, 99, 107 ff.; Wassermeyer, StbJb 1996/1997, 139, 151; Preißer/Seeliger, BB 1999, 393, 398; Schneck/Hirsch, GmbHR 1999, 898, 899 ff.; Romani/Maier, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2000, 1944, 1948; Kroppen, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht ―JbFSt― 2000/2001, 673, 675 f.; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz. 31; Walter in Arthur Andersen, a.a.O., § 14 Rz. 894) hingegen sieht in Übereinstimmung mit der Vorinstanz in vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen Gewinnabführungen i.S. der §§ 14 ff. KStG mit der Folge, dass die Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen ist.
b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
aa) Bei einer Gewinnabführung gemäß § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) kann nicht danach differenziert werden, ob Teilbeträge steuerlich gesehen ihre Veranlassung in vororganschaftlicher Zeit haben. Denn was als Gewinnabführung i.S. von § 14 KStG zu verstehen ist, bestimmt sich allein nach Maßgabe des Zivilrechts. § 14 KStG setzt u.a. für die Anerkennung eines körperschaftsteuerlichen Organschaftsverhältnisses den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages nach § 291 Abs. 1 AktG voraus. Ein solcher Gewinnabführungsvertrag verpflichtet das Unternehmen, seinen ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Maßgeblich für den Umfang der Gewinnabführungspflicht ist allein der handelsbilanzielle Jahresüberschuss. Dies ergibt sich zwingend aus § 301 AktG. Danach kann eine Gesellschaft als ihren Gewinn höchstens den ―ohne die Gewinnabführung― entstehenden Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustabzug aus dem Vorjahr und den Betrag, der nach § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, abführen. Die organschaftliche Gewinnabführung hat damit ihre Veranlassung insgesamt ausschließlich in dem abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag.
Im Streitfall verpflichtete der Gewinnabführungsvertrag die Klägerin zur Abführung der "ganzen Gewinne". Diese Gewinne sind der organschaftlichen Zeit zuzuordnen, d.h. die Mehrabführungen sind nicht in vororganschaftlicher, sondern in organschaftlicher Zeit entstanden. Die Ergebnisabweichung ist allein durch die Besonderheiten der steuerlichen Gewinnermittlung bedingt. Die abweichende steuerliche Gewinnermittlung darf jedoch nicht mit der für die Gewinnabführung maßgeblichen wirtschaftlichen Veranlassung verwechselt werden. Zwar ist es richtig, das sich die Organschaft nach ihrem Sinn und Zweck nur auf das innerhalb der organschaftlichen Zeit erwirtschaftete Ergebnis beziehen kann. Dabei kommt es aber allein auf den aus handelsrechtlicher Sicht bestehenden Zeitbezug an.
bb) Handelsrechtlich erstreckt sich die Gewinnabführung auf den bilanziell im jeweiligen Jahr ausgewiesenen Jahresüberschuss vor Gewinnabführung. Von der Gewinnabführung sind nur die vororganschaftlichen Gewinnrücklagen sowie die der Organgesellschaft vor- bzw. innerorganschaftlich zugeführten Kapitalrücklagen ausgeschlossen, während innerorganschaftlich aufgedeckte stille Reserven ―unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung― abgeführt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 196, 485, BFH/NV 2002, 461). Die Behandlung der stillen Reserven in der Steuerbilanz ist für den Umfang der handelsrechtlich zulässigen Gewinnabführung ohne Bedeutung (so auch Jonas, StbJb 1996/1997, 99, 108; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 5; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz. 31 "vorvertragliche stille Rücklagen"). Im Interesse einer klaren Abgrenzung erstreckt sich § 301 AktG nur auf die bilanzielle Substanzerhaltung, nicht hingegen auf die Erhaltung stiller Reserven (Knepper in Festschrift für L. Schmidt, a.a.O., S. 734, m.w.N., zur handelsrechtlichen Literatur; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 5; Preißer/Seeliger, BB 1999, 393, 396; Kroppen, JbFStR 2000/2001, 675; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz. 31).
cc) Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber in §§ 14 ff. KStG einen von § 291 Abs. 1, § 301 AktG abweichenden, originär steuerrechtlichen Umfang der Gewinnabführungsverpflichtung regeln wollte. Den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 7/1470) lässt sich eine derartige Intention nicht entnehmen. Vielmehr enthält schon § 14 KStG durch Verweis auf § 291 Abs. 1 AktG eine Anknüpfung an das Zivilrecht, wenn dort von einem Gewinnabführungsvertrag (GAV) i.S. des § 291 Abs. 1 AktG gesprochen wird. Gleiches ergibt sich aus § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG, wonach Gewinnabführungen den in § 301 AktG genannten Betrag nicht übersteigen dürfen. Dem entspricht es, wenn der Senat mit Urteil in BFHE 196, 485, BFH/NV 2002, 461 ausgeführt hat, dass der nach § 14 Satz 1 KStG abzuführende Gewinn durch einen Mindest- und einen Höchstbetrag begrenzt wird: Danach dürfen Beträge aus dem Jahresüberschuss gemäß § 14 Nr. 5 KStG nur insoweit in die Gewinnrücklagen (§ 272 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs ―HGB―) eingestellt werden, als dies bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist. Andererseits darf die Gewinnabführung gemäß § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreiten.
dd) Dem vorgenannten Ergebnis lässt sich nicht entgegenhalten, es führe zu dem unsystematischen Ergebnis, dass vororganschaftlich gezahlte Körperschaftsteuer ggf. definitiv werden kann (so aber Hübel, StBp 1984, 78, 82; Schröder, StBp 1986, 269, 273). Zwar hat die Finanzverwaltung diesen Bedenken entgegen der eigenen vorherigen Praxis (BMF-Schreiben vom 10. Januar 1981, BStBl I 1981, 44) durch Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 und die dazu ergangenen BMF-Schreiben vom 24. Juni 1996 (BStBl I 1996, 695) und vom 28. Oktober 1997 (BStBl I 1997, 939) Rechnung getragen. Dies geschah jedoch im Ergebnis zu Unrecht. Denn die Belastung mit Körperschaftsteuer kann schon dadurch definitiv werden, dass die Organschaftsregelungen dem Anrechnungsverfahren generell vorgehen. § 37 Abs. 2 KStG zeigt, dass der Gesetzgeber dies bewusst in Kauf genommen hat: Auch in den dort genannten Fällen, in denen die dem Organträger zuzurechnenden Vermögensmehrungen den Gewinnabführungsbetrag unterschreiten und in Höhe der Differenz ―unter Beachtung des § 28 Abs. 3 KStG― eine Verrechnung des vEK der Organgesellschaft zu erfolgen hat, kann es zur Vernichtung von Körperschaftsteuerguthaben kommen (vgl. dazu auch Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 8, m.w.N.). Umgekehrt kann die Auffassung der Finanzverwaltung durch Körperschaftsteuer-Erhöhungen systemwidrige Doppelbelastungen zur Folge haben (vgl. dazu Walter in Arthur Andersen, a.a.O., § 14 Rz. 894.1; Preißer/Seeliger, BB 1999, 393 ff.; Schneck/Hirsch, GmbHR 1999, 898, 901).
3. Nichts anderes ergibt sich aus §§ 27 ff. bzw. 41 KStG.
a) Die Gewinnabführung gemäß § 291 Abs. 1 AktG ist weder eine offene Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG noch eine andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG noch eine sonstige Leistung i.S. des § 41 KStG. Handelsrechtlich ist sie Betriebsausgabe (vgl. Frotscher, a.a.O., § 27 a.F. Rz. 46). Steuerrechtlich ist sie eine Gewinnverwendung eigener Art, für die nach dem zuvor Gesagten die §§ 14 ff. KStG gelten.
b) Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, den Betrag der Gewinnabführung in das zuzurechnende Einkommen und sog. Mehrabführungen aufzuteilen und nur auf letztere § 27 Abs. 1 KStG anzuwenden.
aa) Der Senat entscheidet seit seinem Urteil vom 9. Dezember 1987 I R 260/83 (BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460) in ständiger Rechtsprechung, dass ein tatsächlicher Mittelabfluss das die Herstellung der Ausschüttungsbelastung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG auslösende Moment ist. Mit dieser Auffassung steht die Anweisung in Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 nicht in Einklang. Dort geht die Finanzverwaltung davon aus, dass jede Mehrabführung steuerrechtlich als Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG zu behandeln ist. Eine organschaftliche Mehrabführung bedeutet aber nicht notwendigerweise einen Mittelabfluss. Dies wird deutlich, wenn man an den Fall denkt, dass der "ganze Gewinn" der Organgesellschaft i.S. des § 291 Abs. 1 AktG entweder negativ ist oder aber aus einem nur geringen positiven Betrag besteht. In diesem Fall kann das nach § 14 KStG zuzurechnende Einkommen auf Grund abweichender steuerlicher Gewinnermittlungsvorschriften aus einem höheren negativen Betrag bestehen. Die Finanzverwaltung behandelt dennoch stets die Differenz zwischen den beiden Beträgen (ganzer Gewinn abzüglich zuzurechnendes Einkommen) als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG, obwohl tatsächlich nichts bzw. nur der geringe positive Betrag von der Organgesellschaft an den Organträger abzuführen ist. Die Überlegung macht deutlich, dass sich der Begriff "Ausschüttung" einerseits an dem tatsächlich abgeführten Betrag und andererseits an der Zivilrechtslage orientieren muss. Zivilrechtlich besteht aber keine Verpflichtung des Organträgers, das (steuerliche) Negativeinkommen der Organgesellschaft auszugleichen.
bb) Es kommt hinzu, dass das Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (= die Entstehung der Gewinnabführungsverbindlichkeit) nicht mit dem für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung allein maßgeblichen Mittelabfluss zeitlich zusammenfallen muss. Insbesondere dann, wenn die Gewinnabführung in Teilbeträgen vollzogen wird, die in verschiedenen Wirtschaftsjahren abfließen, lässt sich nicht bestimmen, welcher Teilbetrag die sog. Mehrabführung verkörpert. Dazu hätte es einer gesetzlichen Regelung analog § 28 KStG bedurft. Auch daran erweist sich, dass die von der Finanzverwaltung mit der angenommene Mehrabführung verknüpften Rechtsfolgen nicht den Kriterien entsprechen, an denen der Senat die Herstellung der Ausschüttungsbelastung i.S. des § 27 KStG a.F. in ständiger Rechtsprechung misst.
4. Auch aus § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gilt § 28 Abs. 3 KStG mit der Maßgabe, dass der in Satz 1 bezeichnete Teilbetrag i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG vor den übrigen Teilbeträgen als verwendet gilt. Die Vorschrift regelt mit anderen Worten den hier interessierenden Fall, in dem das dem Organträger zuzurechnende Einkommen den Gewinnabführungsbetrag unterschreitet und in Höhe der Differenz ―unter Beachtung des § 28 Abs. 3 KStG― mit dem vEK der Organgesellschaft zu verrechnen ist. Die entsprechende Anwendung von § 28 Abs. 2 KStG bedeutet jedoch nur, dass die Mehrabführung bei der Organgesellschaft gliederungsrechtlich in einer bestimmten Weise zu erfassen ist. Die Vorschrift erlaubt es dagegen nicht, die Gewinnabführung auch innerhalb des § 27 KStG teilweise als Ausschüttung zu behandeln. Letztlich belegt damit die Existenz des § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG, dass eine entsprechende Regelung auch für den Bereich des § 27 KStG erforderlich gewesen wäre, wenn die in Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 vertretene Auffassung dem gesetzten Recht entsprechen soll.
Fundstellen
Haufe-Index 958919 |
HFR 2003, 991 |