Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ermittelt der nicht zur Buchführung verpflichtete Steuerpflichtige dem Finanzamt gegenüber seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so ist diese Gewinnermittlungsart der Besteuerung auch dann zugrunde zu legen, wenn der Steuerpflichtige Bücher geführt und einen Abschluß gemacht hat, die Buchführung aber schwerwiegende, ihre Ordnungsmäßigkeit ausschließende Mängel aufweist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagung zu der Einkommensteuerveranlagung 1958 nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) war Bücherrevisor und Steuerbevollmächtigter. Er erklärte, den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG nach dem überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt zu haben. Das Finanzamt (FA) veranlagte ihn entsprechend. Auf Grund einer Betriebsprüfung nahm das FA an, der Stpfl. habe seinen Gewinn tatsächlich durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt und berichtigte entsprechend die bisherige rechtskräftige Veranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Die Sprungberufung des Stpfl. gegen die Berichtigungsveranlagung hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ergibt folgendes: Das FG ging zutreffend davon aus, daß der Stpfl. seinen Gewinn nur dann nach § 4 Abs. 3 EStG durch überschußrechnung ermitteln konnte und tatsächlich ermittelte, wenn er, da er unstreitig zur Führung von Büchern nicht verpflichtet war, tatsächlich keine Bücher führte und auch keine Abschlüsse machte. Eine Buchführung mit anschließender Erstellung von Abschlüssen, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausschließt, liegt nur vor, wenn sie einen Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermöglicht. Ob eine solche Buchführung vorliegt, kann nach dem insoweit einen ähnlich gelagerten Fall entscheidenden Urteil des BFH I 47/58 U vom 24. November 1959 (BFH 70, 499, BStBl III 1960, 188) nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei kann nicht nur die formale äußere Aufmachung der mit der Steuererklärung eingereichten Gewinnberechnung ausschlaggebend sein. Es ist vielmehr das Buchführungswerk im ganzen als Buchführung zu werten. Bestehen Zweifel in dieser Hinsicht, so kann nach dem bezeichneten Urteil auch die Angabe, die der Steuerpflichtige in der Steuererklärung über die Form der Gewinnermittlung gemacht hat, herangezogen werden. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
Maßgebend dafür, ob eine die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausschließende Buchführung mit Abschluß vorliegt, ist das Gesamtbild des Buchführungswerks. Enthalten die äußerlich als Buchführung im Sinne des § 161 Abs. 1 Nr. 1 letzter Teilsatz AO erscheinenden Aufzeichnungen eines Steuerpflichtigen schwerwiegende Mängel, die den Aufzeichnungen die Beweiskraft zur Vornahme eines Vermögensvergleichs im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG nehmen, so kann der Steuerpflichtige, sofern er nicht zur Buchführung verpflichtet ist, den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Das gilt aber nur dann, wenn der Steuerpflichtige auch dem FA gegenüber in seiner Steuererklärung diese Art der Gewinnermittlung von vornherein wählte. Es ist ihm verwehrt, erst später, wenn seine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG wegen mangelnder Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht anerkannt wurde, zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG überzugehen. Denn dann hatte er seine Wahl schon endgültig getroffen.
Mit Recht hob das FG hervor, daß der Stpfl. keine gesonderte Geschäftskasse hatte (vgl. zu diesem Erfordernis das Urteil des Senats IV 68/53 U vom 10. Juni 1954, BFH 59, 227, BStBl III 1954, 298), daß keine Geldbestandsaufnahme gemacht wurde und daß die Abschlußarbeiten des Stpfl. im Journal und auf der Abschlußtafel den Eindruck eines nicht zu Steuerzwecken bestimmten Provisoriums machten. Die Buchführung wies also zumindest schwerwiegende Mängel auf. Bei einfachen Verhältnissen, wie sie vielfach bei den Angehörigen der freien Berufe vorliegen, müssen an die Annahme, daß eine Buchführung mit Abschluß und keine Einnahme-Ausgabe-Aufzeichnungen vorlägen, strenge Anforderungen gestellt werden. Nicht jedes Mehr, das ein Steuerpflichtiger in dieser Hinsicht an Aufzeichnungen macht, kann dazu führen anzunehmen, daß sich der Steuerpflichtige für die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich entschieden habe. Da der Stpfl. dem FA gegenüber seinen Gewinn durch überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelte, war diese Gewinnermittlung seiner Besteuerung zugrunde zu legen.
Fundstellen
Haufe-Index 412431 |
BStBl III 1967, 288 |
BFHE 1967, 47 |
BFHE 88, 47 |
BB 1967, 488 |
DB 1967, 755 |
DStR 1967, 323 |