Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohneigentumsförderung für den Rechtsnachfolger?
Leitsatz (NV)
1. Für die Frage, ob eine Wohnung baurechtlich dauernd oder nicht dauernd bewohnt werden darf, kommt es allein auf den Regelungsgehalt der konkreten Baugenehmigung für die betreffende Wohnung an. Ohne Bedeutung sind Willensäußerungen der genehmigenden Behörde oder Gebietskörperschaft, die sich in der Baugenehmigung nicht niedergeschlagen haben, die tatsächlichen Verhältnisse in dem Planungsgebiet und die Duldung planwidriger Zustände durch die Gebietskörperschaft.
2. Eine ausdrückliche Genehmigung als Ferienhaus schließt die Dauernutzung durch ein- und dieselbe Person aus.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1; BauNVO § 10 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben im Jahre 1992 ein Haus, für das sie nach dem Einzug die Wohneigentumsförderung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantragten. Das Haus war vom ursprünglichen Eigentümer aufgrund einer Sammelbaugenehmigung zum Neubau von 142 Ferienhäusern in einem mit "Freizeitwohnen" ausgewiesenen Teil eines Baugebietes errichtet worden, für das ein Bebauungsplan mit dem als Ferienhausgebiet "X" bezeichneten Areal bestand. Der Plan weist das Gebiet als Sondergebiet aus. Nach dem in der Begründung zum Bebauungsplan dargestellten Plankonzept sollten folgende Möglichkeiten angeboten werden: Freizeitwohnen, Kurzzeitwohnen und Ferienwohnen.
Mit Bekanntmachung vom 28. April 1988 trat ein von der Stadt geänderter Bebauungsplan für das Ferienhausgebiet "X" in Kraft. Darin wurde das Gebiet, in dem sich das von den Klägern erworbene Gebäude befindet, als "Sondergebiet-Ferienhausgebiet (§ 10 Abs. 4 Baunutzungsverordnung)" ausgewiesen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte in den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1993 bis 1996 die Förderung nach § 10e EStG unter Hinweis auf die Lage der Wohnung in einem Ferienhausgebiet.
Im Klageverfahren beriefen sich die Kläger auf die Sammelbaugenehmigung und die tatsächliche Dauernutzung nahezu aller Häuser in diesem Ferienhausgebiet.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Aufgrund der Sammelbaugenehmigung vom 26. Mai 1978, die auch für die Kläger als Rechtsnachfolger des Bauherrn gelte, sei das dauernde Wohnen in der erworbenen Immobilie gestattet. Zwar sei in der Baugenehmigung der Neubau von 142 Ferienhäusern als Bauvorhaben genannt worden. Ein an § 10 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) orientiertes Verständnis dieses Verwaltungsakts hätte jedoch vorausgesetzt, dass auch die Baubehörde den Begriff "Ferienhaus" im Sinne der im Jahre 1978 erstmals anzuwendenden Verordnung verstanden hätte. Davon sei nicht auszugehen, denn die Stadt habe in dem hier maßgeblichen Teil des beplanten Gebietes eine Nutzung zum dauernden Wohnen gerade zulassen wollen. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der Stadt vom 29. September 1978 an den Oberkreisdirektor des Kreises "L". Darin habe die Stadt mitgeteilt, sie habe in Übereinstimmung mit den ihr bekannten Bestrebungen der Käufer ein Dauerwohnen ermöglichen wollen. Für diese Interpretation der erteilten Sammelbaugenehmigung spreche auch die Tatsache, dass der im Bebauungsplan vom 30. September 1974 gebrauchte Begriff des "Freizeitwohnens" nach Auskunft der Stadt so zu verstehen gewesen sei, dass eine dauernde Nutzung der in diesem Bereich zu errichtenden Gebäude, anders als bei den Wochenendhäusern, zulässig habe sein sollen. Demgegenüber sei kein Grund ersichtlich, warum die Stadt trotz Übereinstimmung mit den Bestrebungen der Käufer und der aus ihrer Sicht bestehenden planungsrechtlichen Möglichkeit kein Dauerwohnen habe ermöglichen sollen.
Unmaßgeblich sei demgegenüber, dass das Gebäude bei Erwerb durch die Kläger aufgrund der später geänderten Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Ferienhausgebiet i.S. von § 10 Abs. 4 BauNVO gelegen hat, da für die Wohneigentumsförderung die Verhältnisse im Zeitpunkt der Fertigstellung entscheidend seien (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. März 1983 VIII R 181/81, BFHE 138, 220).
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 10e EStG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie führen aus, die dauernde Nutzung zu Wohnzwecken sei aufgrund der Sammelbaugenehmigung legal und von der Stadt in der Praxis auch geduldet, gezielt gefördert und unterstützt worden. Dies zeige die vorhandene Infrastruktur in dem Plangebiet mit Straßenbeleuchtung, Müllabfuhr, Busverbindung und entsprechender Ausweitung der Kapazitäten der Kindergärten und Grundschulen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG bejaht.
1. § 10e Abs. 1 EStG begünstigt die Anschaffung oder Herstellung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung, die keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung --auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird-- z.B. in den Entscheidungen vom 28. März 1990 X R 160/88 (BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815), vom 31. Mai 1995 X R 140/93 (BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720), vom 18. November 1998 X R 110/95 (BFHE 187, 488, BStBl II 1999, 225) und vom 21. Dezember 2000 X B 71/00 (BFH/NV 2001, 772) erkannt, dass unter Ferien- und Wochenendwohnungen i.S. des § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG solche Wohnungen zu verstehen sind, die baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden dürfen oder die sich aufgrund ihrer Bauweise nicht zum dauernden Bewohnen eignen.
2. Darüber, ob eine Wohnung baurechtlich dauernd oder nicht dauernd bewohnt werden darf, entscheidet grundsätzlich die konkrete Baugenehmigung für die betreffende Wohnung (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. November 2001 X R 24/00, BFHE 197, 301, BStBl II 2002, 514). Dabei kommt es im Gegensatz zur Auffassung des FG allein auf den Regelungsgehalt der Baugenehmigung selbst an. Willensäußerungen der genehmigenden Behörde oder Gebietskörperschaft, die sich in der Baugenehmigung nicht niedergeschlagen haben, kommt dagegen keine Bedeutung zu. Die gegenteilige Auffassung des FG geht von einem unzutreffenden Begriff des Verwaltungsakts aus und unterliegt deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung.
a) Im Streitfall hat der ursprüngliche Eigentümer und Bauherr die Wohnung aufgrund der Baugenehmigung vom 26. Mai 1978 zur Errichtung von 142 Ferienhäusern hergestellt. Damit enthält die Baugenehmigung insofern eine Nutzungsbeschränkung im Sinne des Ausschlusses ganzjährigen Wohnens in dem von den Klägern bewohnten Objekt, als sich aus dem Begriff des Ferienhauses ergibt, dass die Wohnung von ein und derselben Person nicht dauernd bewohnt werden darf. Diese ausdrückliche Genehmigung als Ferienhaus schloss gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BauNVO in der damals geltenden Fassung vom 15. September 1977 (BGBl I 1977, 1763) die Dauernutzung durch die Kläger aus.
b) Der Nutzungsbeschränkung bleiben auch die Kläger als Rechtsnachfolger unterworfen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 27. März 1974 VIII C 21.73, BVerwGE 45, 120), solange die Dauernutzung nicht --wie für die Nutzungsänderung erforderlich (BVerwGE 45, 120)-- baurechtlich genehmigt worden ist (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 197, 301, BStBl II 2002, 514).
3. Es bedarf keiner Entscheidung, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine nach der Anschaffung (bzw. der Herstellung) der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung erteilte baurechtliche Genehmigung zur Dauernutzung berücksichtigt werden dürfte oder ob die Förderung ausgeschlossen ist, wenn die erworbene Wohnung --wie im Streitfall-- im Zeitpunkt der Anschaffung (bzw. Herstellung) eine Ferien- oder Wochenendwohnung ist (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt der Qualifizierung des begünstigten Objekts: BFH-Urteile vom 30. April 1985 IX R 49/84, BFHE 144, 36, BStBl II 1985, 513; vom 13. Oktober 1992 IX R 129/88, BFH/NV 1993, 230 zu § 7b EStG, und BVerwG-Urteil in BVerwGE 45, 120 zu § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes). Denn eine Berücksichtigung späterer Ereignisse scheitert bereits daran, dass eine Nutzungsänderung nicht genehmigt worden ist. Die bauplanungsrechtliche Einstufung des Baugebietes ist im Gegenteil noch bevor die Kläger das Haus erworben haben, dahin bestätigt worden, dass das Baugebiet ausdrücklich als "Sondergebiet-Ferienhausgebiet (§ 10 Abs. 4 Baunutzungsverordnung)" ausgewiesen wurde. Etwaige frühere Zweifel sind damit ausgeschlossen worden.
4. Weil der Nachweis der baurechtlich zulässigen Nutzung in der Regel nur durch eine entsprechende --hier wie dargelegt fehlende-- Genehmigung der zuständigen Behörde erbracht werden kann (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1995 X R 245/93, BFHE 178, 144, BStBl II 1995, 875), kann der Senat es ebenso offen lassen, ob der ursprüngliche Bebauungsplan als funktionslos zu behandeln ist und welche Folgen sich bauplanungsrechtlich daraus ergeben. Fest steht, dass ein Bebauungsplan nicht allein deshalb funktionslos wird, weil die Grundstückseigentümer Grundstücke in Abweichung von der erteilten Baugenehmigung entgegen der Nutzungsbeschränkung nutzen; denn rechtlich kann die Behörde die Festsetzungen des Bebauungsplanes gegenüber den baurechtswidrig Nutzenden durchsetzen. Ebenso wenig wird ein Bebauungsplan deshalb wirkungslos, weil die Baurechtsbehörde die nicht genehmigte und deshalb unzulässige Nutzung tatsächlich nur schwer unterbinden kann. Deshalb hat der Hinweis der Kläger auf die tatsächlichen Verhältnisse in dem Planungsgebiet und auf das duldende Verhalten der Stadt keinen Erfolg.
Fundstellen
Haufe-Index 1333660 |
BFH/NV 2005, 885 |
HFR 2005, 413 |
EStB 2005, 177 |