Leitsatz (amtlich)
Bei der Bemessung der Last, die ein Unternehmen, das sich zur Gewährung von Ruhegeldern an seine Arbeitnehmer und deren Angehörige einer rechtsfähigen Unterstützungskasse bedient, nach dem Urteil III 28/61 U vom 22. Oktober 1965 (BFH 84, 4, BStBl III 1966, 3) bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Kapitalwert der laufenden Leistungen und dem gesamten Kassenvermögen abziehen kann, sind in den Kapitalwert der laufenden Leistungen nicht die Anwartschaften der Hinterbliebenen einzubeziehen, und es ist diesem Kapitalwert das gesamte Kassenvermögen, nicht ein diesem Kapitalwert entsprechender Teil des Kassenvermögens, gegenüberzustellen.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin hatte in ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1963 unter den Rückstellungen eine Schuld an die bei ihr bestehende rechtsfähige Unterstützungskasse angesetzt. Den Betrag hatte sie in der Weise errechnet, daß sie von dem Kapitalwert der laufenden Renten das Kassenvermögen für laufende Renten abzog. Bei der vorläufigen Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1963, die durch den Bescheid vom 16. Mai 1966 für endgültig erklärt wurde, ließ das FA den Abzug dieser Rückstellung nicht zu.
Mit der Sprungklage beantragte die Klägerin, die Rückstellung in Höhe von 1 448 000 DM zum Abzug zuzulassen. Das FA hat am 9. November 1966 den angefochtenen Einheitswertbescheid nach § 218 Abs. 4 AO berichtigt. Es hat dem FG eine Abschrift dieses Bescheids nach § 77 FGO übersandt. Die Klägerin hat beantragt, den berichtigten Bescheid nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es führte im wesentlichen aus: Nach der Rechtsprechung des BFH, insbesondere nach dem Urteil III 28/61 U vom 22. Oktober 1965 (BFH 84, 4, BStBl III 1966, 3), sei ein Unternehmen, das sich zur Gewährung von Renten an seine Arbeitnehmer und deren Angehörigen einer rechtsfähigen Unterstützungskasse bediene, bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens zum Abzug des Kapitalwerts der laufenden Rentenleistungen der Unterstützungskasse unter Berücksichtigung des gesamten Kassenvermögens der Unterstützungskasse berechtigt. Ausnahmsweise sei dabei nicht erforderlich, daß eine rechtliche Verpflichtung des Unternehmens zur Auffüllung der Versorgungskasse bestehe. Es genüge eine rechtsähnliche tatsächliche Verpflichtung. Zu dem Kapitalwert der am Stichtag bereits laufenden Rentenleistungen gehöre entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Anwartschaftswert für die Hinterbliebenenversorgung der Pensionäre. Die Entstehung der Rentenansprüche der Hinterbliebenen sei durch den Tod des Pensionärs aufschiebend bedingt. Der Kapitalwert der laufenden Leistungen betrage demnach zum 1. Januar 1963 2 199 060 DM. Diesem Kapitalwert sei nach dem BFH-Urteil III 28/61 U (a. a. O.) das gesamte Kassenvermögen gegenüberzustellen. Es sei zwar richtig, daß die Zuwendungen der Klägerin an die Unterstützungskasse der Deckung künftiger Leistungen der Kasse für bereits laufende Renten und auch für künftig entstehende Renten dienen könnten. Entscheidend sei jedoch, daß durch die Zuwendungen der Klägerin an die Unterstützungskasse ihr Betriebsvermögen in Höhe der Zuwendungen vorweg gemindert werde. Da einerseits der Abzug des Kapitalwerts für laufende Renten bei der Klägerin als Trägerunternehmen nur anerkannt werde, weil diese Last wirtschaftlich das Trägerunternehmen treffe, müßten auf diese Last andererseits sämtliche im Kassenvermögen der Unterstützungskasse angesammelten Zuwendungen angerechnet werden, die die Klägerin auf diese Last vorweg durch Zuweisungen an die Unterstützungskasse erbracht habe. Eine Aufteilung des Kassenvermögens entsprechend dem Verhältnis der Kapitalwerte von laufenden und zukünftigen Renten und der Abzug nur des den laufenden Renten entsprechenden Kassenvermögens von dem Kapitalwert der laufenden Leistungen widerspreche dem in § 62a Abs. 1 BewG enthaltenen Abzugsverbot im Fall nicht rechtsverbindlich zugesagter Pensionsanwartschaften. Auch wirtschaftlich sei eine Aufteilung des Kassenvermögens nicht gerechtfertigt. Das gesamte Kassenvermögen diene in erster Linie zur Deckung der laufenden Leistungen.
Die Klägerin hat mit der Revision wiederum beantragt, die Rückstellungen in Höhe von 1 448 000 DM zum Abzug zuzulassen. Sie hat Verletzung des § 62 BewG gerügt und im wesentlichen ausgeführt: Die Unterstützungskasse sei ein Instrument, das dem Trägerunternehmen die Möglichkeit biete, steuerlich Betriebsausgaben vorzuziehen und für künftige Betriebsaufwendungen (Versorgungsleistungen) bei einem anderen Vermögensträger Vermögen anzusammeln. Zwar sei eine rechtliche Aufspaltung des Kassenvermögens nicht möglich, wirtschaftlich sei es aber für die Deckung der künftigen Kassenleistungen bestimmt. Künftige Kassenleistungen seien Weiterzahlungen bereits laufender Renten und erst in Zukunft entstehender Rentenleistungen, also derzeitiger Anwartschaften. Man müsse davon ausgehen, daß das Kassenvermögen sowohl den am Stichtag laufenden Rentenleistungen als auch den Anwartschaften auf künftige Leistungen diene. Daß dies im vorliegenden Fall so sei, habe die Klägerin durch ihre Zuweisungen bewiesen. Dem gesamten Kassenvermögen stehe die Verpflichtung zur Zahlung der bereits laufenden Renten und der Anwartschaften gegenüber. Eine Gegenüberstellung des gesamten Kassenvermögens sei deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn man auf der Verpflichtungsseite sowohl den Wert der laufenden Renten als auch den Wert der Anwartschaften ansetze. Das BFH-Urteil III 28/61 U (a. a. O.) führe deshalb zu einem unlogischen und wirtschaftlich unrichtigen Ergebnis.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG hat seiner Entscheidung das Urteil des Senats III 28/61 U (a. a. O.) zugrunde gelegt. In diesem Urteil hat der Senat entschieden, daß ein Unternehmen, das sich zur Gewährung von Ruhegeldern an seine Arbeitnehmer und deren Angehörige derart einer rechtsfähigen Unterstützungskasse bediene, daß es durch Zuweisungen das Kassenvermögen der Unterstützungskasse immer wieder auffülle, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum Abzug einer Last in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Kapitalwert der laufenden Leistungen und dem Kassenvermögen berechtigt sei. Er hat ferner entschieden, daß dies auch dann gelte, wenn das Unternehmen der Kasse gegenüber keine rechtliche Verpflichtung eingegangen sei, aber nach den Umständen eine rechtsähnliche tatsächliche Verpflichtung vorliege. Das FG ist der Meinung, daß der Senat es hinsichtlich dieser Frage auf das Verhältnis des Unternehmens zu den Arbeitnehmern abgestellt habe. Diese Auffassung ist jedoch in dieser Form nicht ganz richtig. Aus den Gründen des Urteils geht vielmehr hervor, daß es der Senat auf das Verhältnis des Trägerunternehmens zur Unterstützungskasse abstellen wollte. Er hat darauf hingewiesen, daß die an die Unterstützungskasse regelmäßig zur Auffüllung geleisteten Zuwendungen keine Rentenzahlungen seien. Er hat aber andererseits eine Gleichstellung dieser Zuweisungen mit den tatsächlich gezahlten, aber ohne förmlichen Rechtsanspruch geleisteten Renten für gerechtfertigt gehalten. Der Frage kommt im übrigen, wie auch das FG hervorhebt, keine entscheidende Bedeutung zu. Denn auch wenn man von einer rechtsähnlichen tatsächlichen Verpflichtung des Unternehmens gegenüber der Unterstützungskasse ausgeht, ist bei der Berechnung der Höhe dieser Last von dem Kapitalwert der laufenden Leistungen auszugehen, d. h. von dem Kapitalwert der von der Unterstützungskasse tatsächlich zu zahlenden laufenden Renten.
2. Das FG hat zu Recht in den Kapitalwert der laufenden Leistungen nicht die Anwartschaften der Hinterbliebenenversorgung einbezogen. Die Klägerin stützt sich bei ihrer gegenteiligen Auffassung auf Ausführungen von Heissmann (vgl. - DB 1963, 42 und 1136 -). Heissmann ist der Meinung, daß der Begriff der "laufenden Leistungen" dem Zuwendungsgesetz vom 26. März 1952 (- BGBl I 1952, 206 -, BStBl I 1952, 227) zu entnehmen sei. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a dieses Gesetzes könne für bereits laufende Leistungen das jeweilige Deckungskapital zugewendet werden, das nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes nach der dem Gesetz beigegebenen Tabelle zu berechnen sei. Die Vervielfältiger dieser Tabelle umfaßten aber auch die Hinterbliebenenanwartschaften. Hieraus könne zwingend geschlossen werden, daß unter den laufenden Renten im Sinne des Zuwendungsgesetzes nicht nur die laufenden Mannesrenten, sondern auch die Hinterbliebenenanwartschaften der Rentner zu verstehen seien. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Das Zuwendungsgesetz betrifft nur die Steuern vom Einkommen und Ertrag. Es regelt die Frage, inwieweit Zuweisungen an betriebliche Pensions- und Unterstützungskassen als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Im Streitfall handelt es sich aber um die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens. Der Begriff "laufende Leistungen" kann daher auch nur dem BewG entnommen werden. Danach umfaßt er nur Leistungen aus Pensionsverpflichtungen gegenüber den Personen, bei denen der Versorgungsfall bereits eingetreten ist. Er steht im Gegensatz zu den in § 62a BewG geregelten Pensionsanwartschaften. Der Kapitalwert der laufenden Leistungen wird nach § 15 Abs. 2 BewG ermittelt. Dieser Kapitalwert umfaßt nicht die Anwartschaften auf Hinterbliebenenversorgung. Eine zusätzliche Berücksichtigung dieser Anwartschaften nach § 62a Abs. 4 BewG ist nicht möglich, weil Leistungen an die Hinterbliebenen tatsächlich nicht erbracht werden, so daß die Rechtsprechung über die rechtsähnlichen Verpflichtungen auf Grund tatsächlicher wiederkehrende Leistungen nicht anwendbar ist.
3. Das FG hat auch zu Recht dem Kapitalwert der laufenden Leistungen das gesamte Kassenvermögen gegenübergestellt. Der Senat hat bereits in dem Urteil III 28/61 U (a. a. O.) hervorgehoben, daß das Kassenvermögen in erster Linie der Deckung der laufenden Renten dient. Das ist auch im vorliegenden Fall so. Das FG weist mit Recht darauf hin, daß im Fall der Auflösung der Unterstützungskasse der Klägerin nach § 21 der Satzung das Kassenvermögen nur an die Betriebsangehörigen fällt, bei denen im Zeitpunkt der Auflösung die Voraussetzungen für die Gewährung einmaliger oder laufender Unterstützungsleistungen erfüllt sind, oder an die früheren Betriebsangehörigen oder deren Hinterbliebene, die in diesem Zeitpunkt bereits laufende Unterstützungen erhalten. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es auch zweckmäßig und sinnvoll, darauf abzustellen, was mit dem Kassenvermögen im Zeitpunkt der Auflösung geschieht. Denn während des Bestehens der Kasse werden nur laufende Leistungen von ihr erbracht. Erst im Zeitpunkt der Auflösung zeigt sich, wem das dann noch vorhandene Kassenvermögen zugute kommt. Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß es allein darauf ankommt, nicht dagegen darauf, daß die Klägerin unbestritten Zuweisungen auch für künftig entstehende Anwartschaften gemacht hat.
Der Senat tritt der Auffassung des FG bei, daß man der Klägerin einen unberechtigten Vorteil gegenüber anderen Unternehmen einräumen würde, wenn man eine der beiden von der Klägerin als allein sinnvoll bezeichneten Lösungen wählen würde, d. h. wenn man entweder auf der Verpflichtungsseite sowohl den Wert der laufenden Renten als auch den Wert der Anwartschaften ansetzen und dieser Verpflichtung das Gesamtkassenvermögen gegenüberstellen oder als Verpflichtung nur den Wert der laufenden Leistung ansetzen, dann aber nur den Teil des Kassenvermögens gegenüberstellen würde, der dieser Teilverpflichtung dient. Denn beide Lösungen liefen im Ergebnis darauf hinaus, daß die Anwartschaften als Last berücksichtigt würden, obwohl keine verbindliche Zusage besteht. Der Senat wollte jedoch, wenn er im Urteil III 28/61 U (a. a. O.) den Abzug einer Last beim Trägerunternehmen zuließ, nur eine Gleichstellung des Trägerunternehmens mit anderen Unternehmen herbeiführen, bei denen - ohne Einschaltung einer Unterstützungskasse - den Arbeitnehmern gegenüber eine rechtsähnliche tatsächliche Verpflichtung zur Zahlung von Renten besteht. Ein solches Unternehmen kann zwar nach der Rechtsprechung auch beim Fehlen einer rechtsverbindlichen Zusage den Kapitalwert der laufenden Leistungen abziehen. Ein Abzug der Pensionsanwartschaften ist jedoch nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 62a Abs. 1 letzter Satz BewG ausgeschlossen. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, daß die Unternehmen, die sich einer Unterstützungskasse bedienen, deshalb besser gestellt werden müßten, weil sie wirtschaftlich gegenüber den anderen Unternehmen sonst benachteiligt seien. Abgesehen davon, daß die an die Unterstützungskasse zugewendeten Beträge, soweit sie nicht für laufende Leistungen beansprucht werden, in der Regel dem Unternehmen in Form von Darlehen wieder zur Verfügung stehen, hat es das Unternehmen auch in der Hand, seine Zuweisungspolitik so zu gestalten, daß ihm keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Es muß deshalb bei der im Urteil III 28/61 U (a. a. O.) vertretenen Auffassung verbleiben, daß dem Kapitalwert der laufenden Leistungen das gesamte Kassenvermögen gegenüberzustellen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 69442 |
BStBl II 1971, 421 |
BFHE 1971, 554 |