Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft im Beitrittsgebiet aus Gewinnvortrag 1990: keine Anwendung des StÄndG DDR
Leitsatz (amtlich)
Schüttet eine im Beitrittsgebiet ansässige Kapitalgesellschaft Gewinn für 1991 aus und verwendet sie hierfür einen Gewinnvortrag aus 1990, so ist, auch soweit Gewinn aus 1990 ausgeschüttet wird, § 5 Abs. 2 StÄndG DDR nicht anzuwenden.
Orientierungssatz
Da handelsrechtlich für die Gewinnverteilung des jeweiligen Wirtschaftsjahres der Überschuß des laufenden Jahres und Gewinnvorträge zur Verfügung stehen, kann eine Gewinnausschüttung für 1991 auch Gewinnvorträge aus den vorangegangenen Wirtschaftsjahren erfassen. Eine Rechtsgrundlage dafür, einen Gewinnverteilungsbeschluß für den in der Handelsbilanz 1991 ausgewiesenen Gewinn insoweit in einen Nachtragsbeschluß für vorangegangene Wirtschaftsjahre umzudeuten, besteht nicht. Bei der Herstellung der Ausschüttungsbelastung ist auf ein bestimmtes Ausschüttungsverhalten abzustellen, nicht aber darauf, welche Gewinne ausgeschüttet werden.
Normenkette
KStG 1977 § 54a Nr. 2; StRVÄndG § 5 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine aus einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks hervorgegangene GmbH, erwirtschaftete im 2. Halbjahr 1990 einen Jahresüberschuß in Höhe von 76 364 DM. Ihr im Streitjahr 1990 zu versteuerndes Einkommen betrug 111 210 DM. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschloß am 30. Oktober 1991, Gewinne in Höhe von 65 157 DM auszuschütten und den restlichen Gewinn vorzutragen.
Im Jahresabschluß zum 31. Dezember 1991 wies die Klägerin einen Jahresüberschuß in Höhe von 32 609 DM und einen Bilanzgewinn in Höhe von 43 816 DM aus. Am 4. Juni 1992 faßte die Gesellschafterversammlung u.a. "zur Gewinnverwendung" folgenden Beschluß:
"Der Gewinnvortrag aus 1990 und der Jahresüberschuß 1991 werden wie folgt verwendet: Ausschüttung einer Dividende von DM 43 179 auf das gezeichnete Kapital. Der übersteigende Teil des Bilanzgewinnes ... wird auf das Geschäftsjahr 1992 übertragen."
Diesen Gewinnausschüttungsbeschluß nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zum Anlaß, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Körperschaftsteuerfestsetzung für 1990 zu ändern. Er ging nunmehr von einer Gewinnausschüttung für 1990 in Höhe von insgesamt 76 364 DM aus, die er auf 100/64 hochrechnete und hierauf einen Körperschaftsteuersatz in Höhe von 36 % nach § 5 Abs. 2 des Steueränderungsgesetzes der DDR (StÄndG DDR) anwendete.
Die hiergegen eingelegte Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1996, 1008).
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 5 Abs. 2 StÄndG DDR i.V.m. § 54a Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat formuliert lediglich den Tenor der Entscheidung des FG in einer § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO entsprechenden Weise.
Gemäß § 54a Nr. 2 KStG ist auf Gewinnausschüttungen einer Körperschaft, die am 31. Dezember 1990 ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Beitrittsgebiet hatte, für ein vor dem 1. Januar 1991 endendes Wirtschaftsjahr das Körperschaftsteuergesetz der DDR (KöStG), geändert durch das StÄndG DDR und das Steueranpassungsgesetz der DDR (StAnpG DDR) weiter anzuwenden. Gewinnausschüttungen für spätere Wirtschaftsjahre unterliegen dieser Vorschrift auch dann nicht, wenn in den Gewinnausschüttungsbeschlüssen ganz oder teilweise Gewinne aus dem Veranlagungszeitraum 1990 und früher ausgeschüttet werden.
1. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 54a Nr. 2 KStG, der einer seit jeher gängigen Formulierung im bundesdeutschen Recht entspricht (vgl. z.B. § 19 Abs. 3 KStG 1968; § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG; § 54 Abs. 2 KStG 1977). Die Formulierung "Gewinnausschüttung für ein vor dem 1. Januar 1991 endendes Wirtschaftsjahr" knüpft an den Inhalt des Gewinnverteilungsbeschlusses an. Da handelsrechtlich für die Gewinnverteilung des jeweiligen Wirtschaftsjahres der Überschuß des laufenden Jahres und Gewinnvorträge zur Verfügung stehen, kann eine Gewinnausschüttung für 1991 auch Gewinnvorträge aus den vorangegangenen Wirtschaftsjahren erfassen (vgl. z.B. Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 29 Rdnr. 25). Eine Rechtsgrundlage dafür, einen Gewinnverteilungsbeschluß für den in der Handelsbilanz 1991 ausgewiesenen Gewinn insoweit in einen Nachtragsbeschluß für vorangegangene Wirtschaftsjahre umzudeuten, besteht nicht (a.A. Seifert D-spezial 47/94, S. 1). In diesem Sinne hat der Senat auch Gewinnverteilungsbeschlüsse, die nach dem 1. Januar 1977 gefaßt worden waren, aber Gewinne aus Wirtschaftsjahren vor dem 1. Januar 1977 betrafen, als Ausschüttungen früherer Gewinne anerkannt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 1983 I R 178/79, BFHE 138, 236, BStBl II 1983, 512; vom 5. Juni 1985 I R 276/82, BFHE 144, 348, BStBl II 1986, 81; vom 31. Oktober 1984 I R 95/80, BFHE 142, 446, BStBl II 1985, 225; vom 11. April 1990 I R 38/89, BFHE 161, 443, BStBl II 1990, 998; vgl. auch Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG Rdnr. 156; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 27 Anm. 29). Im Beschluß vom 25. Mai 1988 I B 116/87 (BFH/NV 1988, 742) hat der Senat ferner klargestellt, daß zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung auf ein bestimmtes Ausschüttungsverhalten abzustellen ist, nicht aber darauf, welche Gewinne ausgeschüttet werden. Hätte das Gesetz im Rahmen der Übergangsregelung darauf abstellen wollen, aus welchem Wirtschaftsjahr der Gewinn stammt, der ausgeschüttet werden soll, so hätte es, vergleichbar mit § 54a Nr. 2 KStG, von Gewinnen "aus einem Wirtschaftsjahr" gesprochen.
Gegen diese wortgetreue Auslegung spricht auch nicht Sinn und Zweck des § 54a Nr. 2 KStG. Nach Art. 8 des Einigungsvertrages (EinigVtr) i.V.m. Anlage 1 Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 14 sollte das Steuerrecht der DDR nur noch für den Veranlagungszeitraum 1990 gelten. Danach sollte bundesdeutsches Recht, d.h. auch § 27 Abs. 3 KStG, Anwendung finden. § 54a Nr. 2 KStG weicht insoweit von diesem Grundsatz ab, als er Tatbestandsverwirklichungen nach dem 1. Januar 1991 rückwirken läßt. Als Sonderregelung ist diese Bestimmung jedoch eng auszulegen.
Den Regelungen in § 30 Abs. 3, § 54a Nrn. 1 und 7 KStG läßt sich nichts für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung entnehmen. Diese Bestimmungen sehen vor, daß die vor dem 1. Januar 1991 von einer GmbH im Beitrittsgebiet erwirtschafteten Einkunftsteile dem EK 04 zuzuweisen sind, die bei Gewinnausschüttungen "für 1990" abweichend von der Verwendungsfiktion des § 28 Abs. 3 KStG vorrangig als verwendet gelten. Die Ausschüttungen sind dementsprechend beim Anteilseigner steuerfrei (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--; vgl. auch BFH-Urteil vom 22. Dezember 1993 I R 75/93, BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578; s. aber auch BFH-Urteil vom 15. November 1994 VIII R 74/93, BFHE 176, 373, BStBl II 1995, 315; Dötsch/ Eversberg/Jost/Witt, a.a.O., Anhang DDR, Rdnr. 83 Beispiele 2 b, 3 c). Eine Anrechnung der Körperschaftsteuer der DDR scheidet nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 f. EStG aus. Die ausgeschütteten Eigenkapitalteile sind bereits mit Körperschaftsteuer nach DDR-Recht belastet, da § 5 Abs. 1 StÄndG DDR das Einkommen, soweit es nicht für Gewinnausschüttungen verwendet wird, einer progressiven Körperschaftsteuer unterwirft. Dementsprechend gehen Eigenkapitalteile, die nicht für eine Gewinnverteilung für das Wirtschaftsjahr 1990 verwendet werden, mit dieser Steuerbelastung in das EK 04 zum 1. Januar 1991 (§ 54a Nr. 7 KStG) ein.
2. Das FA hat festgestellt, daß in der Gesellschafterversammlung vom 4. Juni 1992 beschlossen wurde, Gewinn für 1991 auszuschütten. An diese Feststellung ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Sie widerspricht weder allgemeinen Auslegungsregeln noch Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rdnr. 17, m.w.N.).
Der Tenor der Vorentscheidung ist richtigzustellen. Nach § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO hat das Finanzgericht bei einer auf einen Geldbetrag gerichteten Anfechtungsklage den Betrag selbst festzusetzen. Der Ausspruch im finanzgerichtlichen Urteil, daß die Körperschaftsteuer 1990 unter Berücksichtigung einer Gewinnausschüttung für 1990 in Höhe von 65 157 DM festgesetzt werde, entspricht dem nicht. Die Voraussetzung einer Übertragung der Berechnung des Steuerbetrages nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nicht vor. Da sich die Klägerin lediglich gegen den Ansatz einer Gewinnausschüttung in Höhe von 76 364 DM (statt 65 157 DM) wendet, die übrigen Besteuerungsgrundlagen daher unstreitig sind, ist lediglich der Körperschaftsteueränderungsbescheid vom 10. Februar 1994 aufzuheben. Damit wird der Körperschaftsteuerbescheid vom 19. Januar 1994 wieder wirksam.
Fundstellen
Haufe-Index 66165 |
BFH/NV 1997, 359 |
BStBl II 1997, 468 |
BFHE 183, 91 |
BFHE 1998, 91 |
BB 1997, 1246 (Leitsatz) |
DB 1997, 1315-1316 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 597-599 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 595-596 (Leitsatz) |
StE 1997, 382 (Leitsatz) |