Leitsatz (amtlich)
Nutzt ein Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG 1967 einen Gegenstand bei Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit und auch im nichtunternehmerischen Bereich (sog. gemischte Nutzung), ist eine Zugehörigkeit des Gegenstands zum Unternehmen nur anzunehmen, wenn die nichtunternehmerische Nutzung nicht mehr als 25 v. H. beträgt. Auf die ertragsteuerrechtliche Behandlung kommt es nicht an.
Normenkette
UStG 1967 §§ 19, 1 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger ist selbständiger Zahnarzt. Er unterhält eine Praxis in A mit einer Nebenpraxis in B, die er an zwei Tagen in der Woche ausübt. Für die beruflichen Fahrten zwischen den beiden Praxen benutzt er einen eigenen Personenkraftwagen. Im Jahre 1968 betrug der berufliche Anteil der Verwendung des Wagens 40 v. H. und der private 60 v. H. Der Kläger ermittelte in diesem Jahr seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und versteuerte seine Umsätze nach § 19 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG 1967). In seiner Einkommensteuererklärung 1968 gab er den Privatanteil der Autokosten mit 2810,05 DM an.
Das Finanzamt (Beklagter) hat bei der Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 1968 die private Verwendung des Kraftwagens als Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 beurteilt und diesen mit einer abgerundeten Bemessungsgrundlage von 2 800 DM neben anderen steuerpflichtigen Umsätzen zur Umsatzsteuer herangezogen.
Mit der auf Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuer 1968 um 112 DM gerichteten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die private Verwendung des Personenkraftwagens unterliege nicht der Eigenverbrauchsbesteuerung nach Buchstabe b des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967, da dieser Steuertatbestand auf ihn als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG 1967 nicht anzuwenden sei.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen: Ungeachtet des Umstandes, daß der Personenkraftwagen des Klägers zum Privatvermögen gehöre und der Kläger wegen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG das Fahrzeug nicht zum gewillkürten Betriebsvermögen ziehen könne, sei der Kraftwagen umsatzsteuerrechtlich betrachtet ein dem Unternehmen des Klägers dienender Gegenstand, dessen private Verwendung den Eigenverbrauchstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 erfülle. Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung komme es auf die ertragsteuerliche Zuordnung des Gegenstands nicht an, sofern dessen unternehmerische Nutzung nicht von untergeordneter Bedeutung sei (so auch Finanzgericht Berlin, Urteil vom 10. Juni 1971, Entscheidungen der Finanzgerichte 1971 S. 516 - EFG 1971, 516 -). Mache man für eine unternehmensfremde Verwendung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen zur Voraussetzung, führe dies bei der Umsatzsteuer zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung privater Verwendung von Gegenständen, die ungeachtet ihrer ertragsteuerlichen Behandlung in wesentlichem Umfang dem Unternehmen dienten. Auch die Eigenschaft des Klägers als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG 1967 hindere die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 nicht; denn die Steuerbarkeit des Eigenverbrauchs habe nicht zur gesetzlichen Voraussetzung, daß der Gegenstand vorher im Wege des Vorsteuerabzugs steuerlich entlastet worden sei. Dies habe bereits der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 28. Januar 1971 V R 101/70 (BFHE 101, 178, BStBl II 1971, 218) entschieden.
Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen Klageantrag weiter. Er sieht in der Heranziehung eines Kleinunternehmers, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt und den Gegenstand überwiegend privat nutzt, zur Eigenverbrauchsbesteuerung eine Verletzung materiellen Rechts. Die Besteuerung führe nicht zu einer Gleichstellung mit anderen Verbrauchern, sondern zu einer nach der gesetzlichen Zielsetzung nicht zulässigen Schlechterstellung (vgl. Urteil vom 9. Februar 1961 V 66/58 U, BFHE 72, 475, BStBl III 1961, 173). Deswegen werde die hier erfolgte Heranziehung zur Umsatzsteuer von mehreren Oberfinanzdirektionen abgelehnt (vgl. insbesondere Oberfinanzdirektion Hannover, Verfügung vom 12. März 1970, Umsatzsteuer-Rundschau 1970 S. 265 - UStR 1970, 265 -).
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision. Die betriebliche Nutzung des Personenkraftwagens zu 40 v. H. sei hinreichend, um dessen Unternehmenszugehörigkeit zu bejahen. Eine überwiegend betriebliche Verwendung werde vom Gesetz nicht gefordert. Der Hinweis des Klägers auf seine steuerliche Schlechterstellung treffe nicht den Kern der Sache. Ob wirklich eine Mehrbelastung gegeben sei, lasse sich nur durch eine vergleichende Steuerberechnung unter Zugrundelegung der Regelbesteuerung einerseits bzw. der Kleinunternehmerbesteuerung andererseits ermitteln. Führe letztere für den Kläger zu einer Mehrbelastung, gebe ihm das Gesetz mit § 19 Abs. 4 UStG 1967 die Möglichkeit, dieser Mehrbelastung durch den Übergang zur Regelbesteuerung auszuweichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
1. Beim Übergang zum neuen Umsatzsteuersystem einer Netto-Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug ist für die in § 19 Abs. 1 UStG 1967 definierte Gruppe der Unternehmer mit niedrigem Gesamtumsatz (sog. Kleinunternehmer) das bisherige Brutto-Allphasensystem grundsätzlich beibehalten worden (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, Abschn. Allgemeines Nr. 4, zu Bundestags-Drucksache V/1581; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 1974 1 BvR 416, 767, 779/68, BVerfGE 37, 38, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz 1967, § 19, Rechtsspruch 5). Bei diesen Unternehmern unterliegen einer Umsatzsteuer von (wie bisher) 4 v. H. die Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UStG 1967. Mit dieser Bezugnahme auf die in erster Linie für das neue Umsatzsteuersystem maßgeblichen Steuertatbestände macht das Gesetz deutlich, daß auch § 19 UStG 1967 Teil des neuen Umsatzsteuergesetzes 1967 ist und nicht etwa die weitere Anwendung des Umsatzsteuergesetzes 1951 regelt (so schon Urteil vom 1. Oktober 1970 V R 53/70, BFHE 100, 231, BStBl II 1970, 857). Das Gesetz will die Steuertatbestände bei den dem neuen Umsatzsteuersystem unterworfenen Unternehmern (sog. Regelversteuerer) und bei den Kleinunternehmern gleichermaßen angewendet wissen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bedeutet dies eine ab 1. Januar 1968 allgemein wirksame Ausweitung der Umsatzbesteuerung auf den in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 umschriebenen Steuertatbestand des Eigenverbrauchs durch unternehmensfremde Verwendung eines dem Unternehmen dienenden Gegenstands (sog. Eigenverwendungsverbrauch). Wenn seine Einführung im alten System nicht erwogen wurde, so mag dies damit zusammengehangen haben, daß es wegen der Kumulationswirkung des alten Systems lediglich die (zusätzliche) Belastung der letzten Stufe zu erwägen galt und deshalb die Eigenverbrauchsbesteuerung weitestgehend unter pragmatischen Gesichtspunkten (des Steueraufkommens und der Verwaltungsvereinfachung) betrachtet wurde (vgl. zu ihrer Geschichte Hübschmann/Grabower/Beck/v. Wallis/Schwarz, Umsatzsteuergesetz 1951, 1.-2. Aufl., § 1 Ziff. 2). Im neuen Recht tritt jedoch durch die Heranziehung der Kleinunternehmer zur Eigenverbrauchsbesteuerung im Vergleich zu den regelversteuernden Unternehmern im Regelfall eine höhere steuerliche Belastung ein. Diese steuerliche Folge ist so offensichtlich, daß davon ausgegangen werden muß, daß sie der Gesetzgeber bewußt herbeigeführt hat. Der erkennende Senat muß von dieser Rechtslage ausgehen.
2. Die Eigenverbrauchsbesteuerung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG 1967 greift ein, wenn der Unternehmer einen Gegenstand seinem Unternehmen auf immer oder auf Zeit entnimmt. Mithin ist die Zugehörigkeit des Gegenstands zum Unternehmen Voraussetzung jeder Eigenverbrauchsbesteuerung. Die Zuordnung eines Gegenstands zur gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit eines Unternehmers, die für die Eigenverbrauchstatbestände der Buchst. a und b des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 nur einheitlich erfolgen kann, richtet sich entgegen der durchweg vertretenen Verwaltungsauffassung (vgl. insbesondere Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 12. März 1970, UStR 1970, 265) nicht nach ertragsteuerrechtlichen Kriterien, also nicht nach der Einordnung als Betriebs- oder als Privatvermögen. Das Umsatzsteuerrecht geht nicht von einer Unterscheidung nach Vermögensarten, sondern nach Tätigkeitsarten aus, die es in unternehmerische (gewerbliche oder berufliche) und nichtunternehmerische einteilt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. Oktober 1929 V A 263/29, RFHE 26, 28 RStBl 1930, 122). Für die Eigenverbrauchsbesteuerung ist danach maßgebend, ob der Unternehmer den Gegenstand nach seiner Anschaffung dem einen oder dem anderen Tätigkeitsbereich zuweist. Bei Gegenständen, die sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch genutzt werden sollen (gemischt-genutzte Gegenstände), hat der regelversteuernde Unternehmer unter Grenzen und Voraussetzungen, die hier nicht zu erörtern sind und die durch Auslegung des Tatbestandsmerkmals "für sein Unternehmen" in § 15 Abs. 1 UStG 1967 zu bestimmen sind, die Wahl der Zuordnung.
Beim Kleinunternehmer, der noch nach dem Brutto-Allphasensystem besteuert wird, ist eine solche positivrechtliche Zuordnungsvorschrift nicht gegeben. Zudem ist zu berücksichtigen, daß der Kleinunternehmer Leistungen von Unternehmern bezieht, die schon im neuen System stehen. Der erkennende Senat ist daher der Auffassung, daß dem Kleinunternehmer grundsätzlich die freie Wahl der Zuordnung zuzubilligen ist. Hierbei ist das konkludente Verhalten zu berücksichtigen. Ist die Eingliederung zum Unternehmen aufgrund der tatsächlichen Verwendung des Gegenstands offensichtlich und tritt daneben die nichtunternehmerische Nutzung ersichtlich zurück und überschreitet diese nicht das Maß von 25 v. H., dann ist die Zuordnung zum Unternehmen zu bejahen.
3. Aus vorstehenden Erwägungen ist die Heranziehung des Klägers zur Umsatzsteuer wegen Eigenverwendungsverbrauchs gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 nicht gerechtfertigt. Die nichtunternehmerische Nutzung liegt bei 60 v. H. Ein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger gleichwohl eine Zuordnung zum unternehmerischen Bereich vorgenommen hat, ist nicht ersichtlich. Etwaige Äußerungen, die der Kläger möglicherweise in bezug auf die ertragsteuerrechtliche Behandlung des Personenkraftwagens gegenüber dem Finanzamt abgegeben hat, sind - wie bereits ausgeführt - für die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Zuordnung irrelevant. Soweit der Bundesfinanzhof im Urteil vom 8. Juli 1965 V 25/63 (StRK, Umsatzsteuergesetz, § 1 Ziff. 1, Rechtsspruch 380, Umsatzsteuer-Rundschau 1966 S. 30) für die Zuordnung darauf abgestellt hat, daß ein überwiegend nichtunternehmerisch genutzter Gegenstand schon deswegen zum Unternehmen gehöre, weil er für die unternehmerische Nutzung notwendig sei, wird hieran nicht mehr festgehalten.
Fundstellen
BStBl II 1979, 420 |
BFHE 1979, 447 |