Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfteerzielungsabsicht bei der Vermietung einer historischen Mühle
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist die Einkünfteerzielungsabsicht nicht entgegen der auf § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beruhenden typisierenden Annahme, eine langfristige Vermietung werde in der Regel letztlich zu positiven Einkünften führen, deshalb zu prüfen, weil der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermietungsobjekts sowie anfallende Schuldzinsen mittels Darlehen finanziert, die zwar nicht getilgt, indes bei Fälligkeit durch den Einsatz von parallel laufenden Lebensversicherungen abgelöst werden sollen.
2. Allein die historische Bausubstanz eines denkmalgeschützten Wohngebäudes (hier: einer alten Mühle) schließt es nicht aus, dass die am Wohnungsmarkt erzielbare Miete den besonderen Wohnwert angemessen widerspiegelt (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004 IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386).
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahr 1980 eine unter Denkmalschutz stehende Mühle. Er baute den Mühlenstumpf zu einer Wohnung aus, die er ab dem Jahr 1982 vermietete. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten der Mühle betrugen 409 657 DM, die der Kläger ebenso wie Erhaltungsaufwendungen in den Jahren 1986 und 1987 fremdfinanzierte. Im Jahr 1990 schuldete er um; die Darlehen über insgesamt 680 000 DM sollen in den Jahren 2006 und 2018 durch die Auszahlung von Lebensversicherungen getilgt werden.
Der Kläger erzielte aus seiner Vermietungstätigkeit bislang ausschließlich Werbungskostenüberschüsse. In den Jahren 1983 bis 1992 nahm er erhöhte Absetzungen nach § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Anspruch. Auch im Streitjahr (1993) ergaben sich negative Einkünfte in Höhe von 52 905 DM, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) mangels Überschusserzielungsabsicht nicht anerkannte.
Die Klage war erfolgreich (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2004, 728). Das Finanzgericht (FG) sah keine Umstände, die gegen die bei der auf Dauer ausgerichteten Vermietungstätigkeit des Klägers grundsätzlich anzunehmende Einkünfteerzielungsabsicht sprächen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stützt. Gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht spreche das vom Kläger praktizierte Finanzierungsverfahren wie auch die im Vergleich zu üblichen Einfamilienhäusern gegebene und Schwierigkeiten bei der Nutzung bedingende besondere Gebäudestruktur.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
1. Das FG hat § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zutreffend angewandt, indem es die vom Kläger erwirtschafteten Werbungskostenüberschüsse der Besteuerung unterworfen hat.
Einkünfte aus der Vermietung der Mühle, die der Kläger nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, unterliegen der Einkommensteuer. Er muss diese Einkünfte durch eine zielgerichtete Vermögensnutzung erwirtschaften, um auf Dauer einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erreichen.
a) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, grundlegend Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; gleicher Ansicht das Bundesministerium der Finanzen ―BMF―, Schreiben vom 8. Oktober 2004, BStBl I 2004, 933). Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten nur, wenn besondere Umstände gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sprechen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 2. d; BFH-Urteile vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 ―Ferienwohnung―; vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646 ―verbilligte Vermietung―; vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695; vom 9. Juli 2002 IX R 47/99, BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580 ―befristete Vermietungstätigkeit―; vom 6. Oktober 2004 IX R 30/03, BFHE 208, 142 ―aufwendig gestaltetes Wohngebäude―).
b) Das FG hat zutreffend in der vom Kläger gewählten Finanzierungsart keinen besonderen Umstand gesehen, der zu einer Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht führte. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob der Kläger mit seiner auf Dauer angelegten Fremdvermietung tatsächlich einen Totalüberschuss erzielen konnte. Denn zu einer dies überprüfenden Prognose kommt es nicht. Es ist für die in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angelegte typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht gerade kennzeichnend, auf den typischen statt auf den verwirklichten Geschehensablauf abzustellen (vgl. K. Ebling in Kirchhof/Jakob/Beermann (Hrsg.), Festschrift für K. Offerhaus, 1999, 578; vgl. auch Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992, 73 ff.).
Die Art von (Gebäude-)Finanzierung unter dem Einsatz von Lebensversicherungen wird im Schrifttum als marktgerechte Finanzierungsart herausgestellt (vgl. Meyer-Scharenberg, Finanzierung mit Lebensversicherungen, 2. Aufl., 1996, Rn. 4; Tischbein, Kreditsicherung durch Lebensversicherungsansprüche, 3. Aufl., 2000, Rz. 46; Loy, Finanzierungen unter Einsatz von Lebens- und Rentenversicherungen, 1996, 21) und auch vom Gesetzgeber (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 55 zu Nummer 9 ―§ 10 EStG―) zur langfristigen Finanzierung eines Mietwohngebäudes akzeptiert. Er hat mit dem Steueränderungsgesetz 1992 (vom 25. Februar 1992, BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146; vgl. dazu Blümich/Hutter, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 10 EStG Rz. 7) lediglich die steuerrechtlichen Vergünstigungen beim Sonderausgabenabzug zurückgeführt (vgl. dazu von Bornhaupt, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. B 850 ―Risiko- und Lebensversicherungsbeiträge―; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10 Rdnr. E 228). Dem entspricht es, wenn auch die Rechtsprechung des BFH dem Steuerpflichtigen die Freiheit zubilligt, unter Einsatz von Eigenmitteln oder Fremdmitteln steuerrechtlich erheblich tätig zu werden (vgl. grundlegend den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193).
Als Umstand, der als Beweis des ersten Anscheins oder als Beweisanzeichen gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht spricht, eignet sich das oben dargestellte Finanzierungskonzept unbeschadet seiner Marktgängigkeit auch deshalb nicht, weil die durch die Refinanzierung von Zinsen bedingten hohen Schuldzinsen am Anfang des Engagements kompensiert werden durch positive Ergebnisse nach der Ablösung der Darlehensverbindlichkeiten (vgl. auch die Beispiele in BTDrucks 12/1108, S. 56; die Übersicht bei Meyer-Scharenberg, a.a.O., 184, und das zu einer vergleichbar finanzierten Leibrentenversicherung ergangene BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267), die regelmäßig ―und auch hier― weit vor dem Ende der Laufzeit einer üblichen Finanzierung zu Standardkonditionen (siehe dazu das BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II. 1. e cc) vorgenommen werden. Umgekehrt kann es aber gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, wenn nach dem Finanzierungskonzept mit der Ablösung der Darlehen ein Rechtsträgerwechsel verbunden ist, der es verhindert, dass es in der Person des Vermieters zu der geschilderten Kompensationswirkung kommt. Hiervon kann aber im Streitfall nicht ausgegangen werden.
c) Gegen die vom FG angenommene Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers sprechen entgegen der Auffassung der Revision auch nicht die besonderen räumlichen Gegebenheiten der vom Kläger in der historischen Mühle errichteten Wohnung. Abgesehen davon, dass die vom FA hervorgehobenen Schwierigkeiten bei deren Nutzung nicht von den tatsächlichen Feststellungen des FG gedeckt werden, kommt es auf sie im Streitfall nicht an; denn das Objekt ist seit 1982 vermietet.
Zwar handelt es sich bei der Mühle um ein typisches Liebhaberobjekt, das der Kläger ersichtlich auch wegen seiner spezifischen Eigenart erwarb. Allein deshalb ist es aber nicht in einer Weise besonders gestaltet, die es ausschließt, dass sich sein Gebrauchswert in der ortsüblichen Marktmiete widerspiegelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 208, 142). Beurteilte man nämlich die historische Bausubstanz eines Gebäudes als Umstand, der gegen die aus § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG folgende typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht spräche, verfehlte man die Wertungen des Gesetzes, das den Erwerb und die Nutzung eines Baudenkmals durch verschiedene Maßnahmen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 2004 IV R 30/02, BFHE 206, 539, BStBl II 2004, 945), die auch der Kläger in Gestalt von erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV (jetzt: § 7i EStG) in Anspruch genommen hat, besonders fördert und steuerrechtlich begünstigt.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 1407222 |
BFH/NV 2005, 1913 |
BStBl II 2005, 692 |
BFHE 2006, 20 |
BFHE 210, 20 |
BB 2005, 1939 |
DB 2005, 1881 |
DStR 2005, 1483 |
DStRE 2005, 1111 |
HFR 2005, 1079 |