Entscheidungsstichwort (Thema)
Hälftiges Abzugsverbot für Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften ist verfassungsgemäß
Leitsatz (amtlich)
Das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG ist mit dem GG vereinbar.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
BVerfG (Beschluss vom 09.02.2010; Aktenzeichen 2 BvR 2221/07) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist mit 25 v.H. am Stammkapital der X GmbH beteiligt. Diese Beteiligung wurde durch vier Darlehen fremdfinanziert. Im Streitjahr 2002 floss dem Kläger für das Geschäftsjahr 2001 eine Gewinnausschüttung in Höhe von 59 186,75 € zu. Für die zur Finanzierung des Geschäftsanteils aufgenommenen Darlehen zahlte der Kläger Schuldzinsen in Höhe von 10 444,80 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Einnahmen aus dem Geschäftsanteil ebenso wie die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen nur zur Hälfte. Den hiergegen eingelegten Einspruch, mit dem die Kläger verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die lediglich hälftige Berücksichtigung der Werbungskosten erhoben, wies das FA zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 1404).
Mit ihrer Revision rügen die Kläger, die Vorschrift des § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei verfassungswidrig. Das Halbabzugsverbot für den Beteiligungsaufwand von natürlichen Personen verstoße gegen das objektive Nettoprinzip. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens eine Belastungsentscheidung getroffen, in der er die körperschaftsteuerliche und die einkommensteuerliche Belastung unabhängig vom Steuersubjekt auf der Seite der Erwerbseinnahmen zusammenziehe. Er sei daher nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht mehr frei, die korrespondierenden Kosten ohne sachliche Rechtfertigung teilweise vom Abzug auszuschließen.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil des Niedersächsischen FG aufzuheben und die vollen Finanzierungskosten der Beteiligung an der GmbH für das Jahr 2002 als Werbungskosten bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 3c Abs. 2 EStG dürfen u.a. Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden, und zwar unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen.
Die vom Kläger zur Finanzierung seiner GmbH-Beteiligung geleisteten Schuldzinsen erfüllen --was zwischen den Beteiligten nicht strittig ist-- die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift. Das Halbabzugsverbot ist auch bereits auf Werbungskosten des Streitjahres 2002 anwendbar. Nach den Anwendungsregelungen (§ 52 Abs. 4a Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung --heute § 52 Abs. 4b Satz 1 Nr. 1 EStG--; § 34 Abs. 10a Satz 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung --Steuersenkungsgesetz (StSenkG 2001/2002)-- vom 23. Oktober 2000, BGBl I 2000, 1433 --heute § 34 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 KStG--) gilt das Halbeinkünfteverfahren erstmals für offene Ausschüttungen, die dem Gesellschafter im Jahr 2002 zugeflossen sind. Dementsprechend besteht ein die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG eröffnender wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. von § 52 Abs. 8a EStG mit solchen Gewinnausschüttungen für Ausgaben, die der Gesellschafter im Jahr 2002 geleistet hat.
2. Das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG ist mit dem GG vereinbar.
a) Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird für den Bereich des Steuerrechts und insbesondere für den des Einkommensteuerrechts vor allem durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98und 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, 46, BStBl II 2003, 534, 540).
Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Lastengleichheit (vgl. Urteile des BVerfG vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 268,BStBl II 1991, 654, 664; vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, 309, BStBl II 2000, 162, 166) hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den beruflichen Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip; vgl. Beschluss des BVerfG vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290 f., BStBl II 1999, 502, 505). Zum objektiven Nettoprinzip hat das BVerfG bisher offen gelassen, ob die Geltung dieses Prinzips des Einkommensteuerrechts auch verfassungsrechtlich geboten ist; jedenfalls aber kann es der Gesetzgeber beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und darf sich generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23. Januar 1990 1 BvL 4/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483). Hiernach entfaltet das objektive Nettoprinzip Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen: Zu ihnen gehört die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer (vgl. Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502); Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung bedürfen eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes (vgl. Beschlüsse des BVerfG in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502; BVerfGE 107, 27, 48, BStBl II 2003, 534, 540).
b) Der Revision ist grundsätzlich darin beizupflichten, dass das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG für die mit laufenden Gewinnausschüttungen zusammenhängenden Ausgaben das objektive Nettoprinzip durchbricht und die Vorschriften des Halbeinkünfteverfahrens insoweit nicht folgerichtig ausgestaltet sind.
Gemäß § 3 Nr. 40 EStG sind die dort genannten Einnahmen und Vermögensmehrungen zur Hälfte steuerfrei. Diese Regelung verfolgt den Zweck, die Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer so zu mildern, dass sich zusammen mit der steuerlichen Vorbelastung durch die Körperschaftsteuer eine Gesamtbelastung ergibt, die typisierend der Einkommensteuerbelastung für andere Einkünfte entspricht (sog. Einmalbesteuerung des ausgeschütteten Gewinns; BTDrucks 14/2683, S. 94). Dieses Regelungsziel, das im Grundsatz dem des früheren Anrechnungsverfahrens entspricht, wird nach dem Halbeinkünfteverfahren nunmehr durch eine andere Entlastungstechnik erreicht, nämlich durch die hälftige Steuerbefreiung der Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG. Im Gegensatz zum Anrechnungsverfahren, welches stets eine exakte Senkung der Gesamtbelastung auf die individuelle Einkommensteuerbelastung des Anteilseigners gewährleistete (Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 11 Rz 7) führt das Halbeinkünfteverfahren zwar nur zu einer pauschalen typisierenden Entlastung, die die individuelle Einkommensteuerbelastung des Anteilseigners nur bei einem individuellen Steuersatz von 40 v.H. exakt erreicht; bei einem höheren individuellen Steuersatz als 40 v.H. führt das Halbeinkünfteverfahren zu einer stärkeren Entlastung, bei einem niedrigeren individuellen Steuersatz hingegen zu einer geringeren Entlastung (vgl. Hey in Tipke/Lang, a.a.O., § 11 Rz 15 f.). Das ändert aber nichts daran, dass das Halbeinkünfteverfahren daraufhin angelegt ist, ausgeschüttete Gewinne einer Körperschaft einer Gesamtbelastung zu unterwerfen, die typisierend der Einkommensteuerbelastung anderer Einkünfte entspricht. Die Vorschrift des § 3 Nr. 40 EStG normiert mithin keine echte Steuerbefreiung, mit der, etwa aus sozialen oder subventiven Gründen, auf die Besteuerung (teilweise) verzichtet wird. Vielmehr bedeutet die Vorschrift --als europarechtlich gebotene Alternative zum früheren Anrechnungsverfahren (so ausdrücklich BTDrucks 14/2683, S. 94 f.)-- ein rechtstechnisches Instrument zur typisierenden Berücksichtigung der auf der Gesellschaftsebene angefallenen körperschaftsteuerlichen Vorbelastung. Gemessen an dem Regelungszweck, ausgeschüttete Gewinne einer Gesamtbelastung mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer zu unterwerfen, die annähernd der Belastung anderer Einkünfte des Anteilseigners entspricht, wäre es durchaus folgerichtig gewesen, ebenso wie unter der Geltung des früheren Anrechnungsverfahrens die dem Anteilseigner im Zusammenhang mit seiner Beteiligung zur Erzielung von Gewinnausschüttungen entstandenen Aufwendungen vollständig --wie bei allen anderen Einkünften-- als Werbungskosten abzuziehen. Das Halbabzugsverbot durchbricht mithin insoweit das objektive Nettoprinzip (ebenso Schön, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 2000, 153; ders., Finanz-Rundschau --FR-- 2001, 386; Haep/Nacke in Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform 1999/2000/2002, § 3c EStG Rz R 3; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rz A 141; Blümich/Erhard, § 3c EStG Rz 41; Hundsdoerfer, Betriebs-Berater --BB-- 2001, 2242, 2245; Harenberg, FR 2002, 768, 770; Hey in Tipke/Lang, a.a.O., § 11 Rz 17).
Überdies erscheinen die Vorschriften des Halbeinkünfteverfahrens für die Ausschüttung laufender Gewinne in sich nicht folgerichtig, weil sie für die Erfassung der Einnahmen andere Maßstäbe zugrunde legen als für die Berücksichtigung von Werbungskosten: Während der Gesetzgeber für die steuerliche Belastung der Einnahmen des Anteilseigners die Körperschaft und den Anteilseigner wirtschaftlich als Einheit betrachtet und eine Mehrfachbelastung mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer durch das Halbeinkünfteverfahren verhindern will, wird beim Abzug der damit zusammenhängenden Ausgaben des Anteilseigners die wirtschaftliche Einheitsbetrachtung aufgegeben und stattdessen rein rechtstechnisch darauf abgestellt, dass Körperschaft und Anteilseigner verschiedene Steuersubjekte sind (vgl. Bundesministerium der Finanzen, Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, FR 2001, Beilage zu Heft 11, dort S. 22); bei dieser Sichtweise wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung unberücksichtigt gelassen und dementsprechend die Vorschrift des § 3 Nr. 40 EStG als Steuervergünstigung verstanden, die das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG nach sich zieht.
c) Gleichwohl ist das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Vorschrift von der dem Halbeinkünfteverfahren zugrunde liegenden wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung der Gesellschafts- und Anteilseignerebene abweicht und das objektive Nettoprinzip durchbricht, ist dafür ein sachlich rechtfertigender Grund gegeben. Eine Durchbrechung des Nettoprinzips ergibt sich gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz EStG nur für solche Betriebsausgaben und Werbungskosten, die im Zusammenhang mit laufenden Einnahmen i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d bis i EStG stehen, nicht jedoch, soweit es um Veräußerungsvorgänge i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c, j EStG geht (dazu unten unter II. 2. c aa der Gründe dieses Urteils). Die systematische Grundentscheidung des Halbeinkünfteverfahrens, Veräußerungsvorgänge den laufenden Gewinnausschüttungen gleichzustellen, bildet die Rechtfertigung dafür, auch die entsprechenden Aufwendungen einheitlich zu behandeln, d.h. in allen Fällen nur den Halbabzug zuzulassen (dazu unten unter II. 2. c bb der Gründe dieses Urteils).
aa) Für Veräußerungsvorgänge i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c, j EStG ist der in § 3c Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG vorgeschriebene nur hälftige Abzug der Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der übrigen dort genannten Werte vor dem Hintergrund des Halbeinkünfteverfahrens und auch des Nettoprinzips folgerichtig (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05, BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171 zur Einkünfteermittlung gemäß § 23 Abs. 3, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG). Wird der Veräußerungspreis, der die erzielten Wertsteigerungen widerspiegelt, nur zur Hälfte steuerrechtlich berücksichtigt, kann ihm auch nur die Hälfte der korrespondierenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten (oder anderen Werte) gegenübergestellt werden (in diesem Sinne auch von Beckerath in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 3c Rz 29, a.E.). Würden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (oder anderen Werte) in vollem Umfang zum Abzug zugelassen, die Veräußerungspreise aber nur zur Hälfte als Einnahmen angesetzt, so könnten realisierte Wertsteigerungen entgegen dem Normzweck nicht vollständig, sondern nur noch erfasst werden, soweit sie die Anschaffungskosten übersteigen (BFH-Urteil in BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171; vgl. dazu im Einzelnen Heuermann, Der Betrieb --DB-- 2005, 2708).
bb) Die sachliche Rechtfertigung, auch solche Betriebsausgaben und Werbungskosten, die im Zusammenhang mit laufenden Einnahmen i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d bis i EStG stehen, nach § 3c Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz EStG nur hälftig zum Abzug zuzulassen, ergibt sich aus der systematischen Parallele von laufenden Ausschüttungen und Veräußerungsvorgängen im Halbeinkünfteverfahren. Dem Halbeinkünfteverfahren liegt die grundsätzliche gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft --auch bei Veräußerungen durch eine natürliche Person-- wie eine Gewinnausschüttung zu besteuern, weil "die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung wirtschaftlich gleichkommt" (BTDrucks 14/2683, S. 96).
Diese gesetzgeberische Prämisse beruht in erheblichem Umfang auf einer --aus der Sicht der Steuerpflichtigen günstigen-- typisierenden Betrachtung. Die Gleichstellung von Veräußerungsgewinn und Gewinnausschüttung entspricht der wirtschaftlichen Realität nämlich nur, soweit mit dem Kaufpreis der Beteiligung die auf der Gesellschaftsebene versteuerten offenen Rücklagen bezahlt werden. Wird der Kaufpreis der Beteiligung hingegen (auch) durch vorhandene stille Reserven bestimmt, so wird der Veräußerungspreis nach § 3 Nr. 40 EStG insoweit ebenfalls nur zur Hälfte als Einnahme erfasst, obwohl die stillen Reserven nicht mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Dies ist nach der oben genannten Gesetzesbegründung deshalb gerechtfertigt, weil der Kaufpreis dann "künftig zu versteuernde" stille Reserven enthält, die auf der Ebene der Kapitalgesellschaft steuerlich verhaftet bleiben. Damit liegt dem Halbeinkünfteverfahren insoweit das auch in anderen Regelungsbereichen, etwa im Umwandlungssteuerrecht, anzutreffende Prinzip zugrunde, dass die Besteuerung ausnahmsweise aus wirtschaftspolitischen Gründen aufgeschoben bleiben kann, wenn sie letztlich gesichert erscheint (Montag in Tipke/Lang, a.a.O., § 18 Rz 453, m.w.N.).
Darüber hinaus gelten die typisierende Gleichstellung von Veräußerungsgewinn und Gewinnausschüttung und die daraus folgende hälftige Steuerbefreiung der Einnahmen beim Anteilseigner selbst dann, wenn überhaupt kein erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Veräußerungsgewinn und einer körperschaftsteuerlichen Vorbelastung besteht, etwa wenn der Kaufpreis durch den Börsenkurs bestimmt wird (dazu Hey in Tipke/Lang, a.a.O., § 11 Rz 12, m.w.N.).
Diese sehr weitgehende begünstigende Typisierung auf der Einnahmenseite ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; denn der Gesetzgeber hat, indem er bei einer Anteilsveräußerung die Vergütung der auf der Gesellschaftsebene versteuerten offenen Rücklagen im Kaufpreis vorausgesetzt hat, keinen atypischen Fall als Leitbild gewählt (vgl. zu den Grenzen der Typisierung im Steuerrecht Beschluss des BVerfG vom 16. März 2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268). Dies gilt umso mehr, als auch bei der Besteuerung laufender Dividenden nach dem Halbeinkünfteverfahren mitunter die gesetzgeberische Prämisse, die Dividenden seien mit Körperschaftsteuer vorbelastet, nicht zutrifft, etwa wenn die Gesellschaft bei ihr steuerfrei gebliebene Betriebseinnahmen an den Anteilseigner ausschüttet.
Die großzügige, zugunsten der Steuerpflichtigen wirkende Typisierung auf der Einnahmenseite rechtfertigt es, auch bei der Berücksichtigung der entsprechenden Aufwendungen einen Gleichlauf von Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen vorzusehen. Da für die mit Veräußerungsgewinnen zusammenhängenden Aufwendungen (Anschaffungskosten und andere Werte i.S. von § 3c Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG) das Halbabzugsverbot sachlich geboten ist (dazu oben unter II. 2. c aa der Gründe dieses Urteils), ist das Halbabzugsverbot auch für die mit laufenden Gewinnausschüttungen zusammenhängenden Aufwendungen (§ 3c Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz EStG) zu rechtfertigen, selbst wenn es insoweit --isoliert betrachtet-- zu einer Durchbrechung des Nettoprinzips führt. Hätte der Gesetzgeber, um insoweit die Durchbrechung des Nettoprinzips zu vermeiden, für die mit laufenden Gewinnausschüttungen zusammenhängenden Aufwendungen den vollen Abzug zugelassen, so hätte er den systematischen Gleichlauf von Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen auf der Ausgabenseite durchbrochen und damit insoweit gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit verstoßen. Dass das StSenkG 2001/2002 stattdessen den systematischen Gleichlauf von Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen auch auf der Ausgabenseite folgerichtig umgesetzt, dafür aber eine teilweise Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips für die mit laufenden Gewinnausschüttungen zusammenhängenden Ausgaben in Kauf genommen hat, ist mithin verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
d) Die Regelung des § 3c Abs. 2 EStG erweist sich erst Recht als mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn für die verfassungsrechtliche Prüfung nicht die vom Gesetzgeber bezweckte wirtschaftliche Belastungswirkung der Vorschriften des Halbeinkünfteverfahrens, sondern ihre rechtstechnische tatbestandliche Ausgestaltung auf der Grundlage des Trennungsprinzips zugrunde gelegt wird. Im Gegensatz zum früheren Anrechnungsverfahren, das die Körperschaftsteuer im Fall der Gewinnausschüttung durch Steuerminderung bei der Körperschaft (§ 27 KStG in der Fassung des Art. 4 des Gesetzes vom 14. Juli 2000, BGBl I 2000, 1034) und Anrechnung beim Anteilseigner (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG in der bis 2000 geltenden Fassung) vollständig entfallen ließ und die Ausschüttung letztlich allein der Einkommensteuer des Anteilseigners unterwarf, entsteht die Körperschaftsteuer unter der Geltung des Halbeinkünfteverfahrens definitiv und unabhängig davon, ob Gewinne thesauriert oder ausgeschüttet werden. Dementsprechend rechnet die Gesetzesbegründung das Halbeinkünfteverfahren den sog. klassischen Körperschaftsteuersystemen zu und betont das Trennungsprinzip, demzufolge sich Körperschaft und Anteilseigner als getrennte Steuersubjekte gegenüberstehen (BTDrucks 14/2683, S. 94). Ginge man allein von diesem tatbestandstechnischen Blickwinkel aus, wären die Einnahmen des Anteilseigners gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG unabhängig davon zu betrachten, ob die Gewinnausschüttung bei der Körperschaft bereits mit Körperschaftsteuer belastet war. Dies vorausgesetzt, wäre die hälftige Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 40 EStG --auch soweit sie laufende Gewinnausschüttungen betrifft-- als echte Steuervergünstigung einzustufen, so dass sich dann das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG als folgerichtig erwiese.
e) Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Kläger in Bezug auf die von ihnen getragenen Zinsen besteht auch dann nicht, wenn man die Regelung für natürliche Personen als Anteilseigner (§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG) der Regelung für Körperschaften als Anteilseigner (§ 8b KStG) gegenüberstellt (a.A. v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3c Rz A 201; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8b KStG Rz 122; Kerssenbrock, BB 2003, 2148, 2156 f.).
aa) Für das Streitjahr (2002) gilt dies schon deshalb, weil Betriebsausgaben, die mit nach § 8b KStG steuerfreien Dividenden oder Veräußerungsgewinnen aus Inlandsbeteiligungen zusammenhingen, gemäß § 3c Abs. 1 EStG in vollem Umfang nicht abziehbar waren (Steinhoff in Erle/Sauter, Reform der Unternehmensbesteuerung, 2000, S. 218 f.; Gosch KStG § 8b Rz 495).
bb) Aber auch im Vergleich zu der Neufassung des § 8b KStG mit Wirkung ab 2004, nach der für Kapitalgesellschaften als Anteilseigner in- und ausländische Dividenden und Veräußerungsgewinne zu 95 v.H. steuerbefreit sind und § 3c EStG nicht mehr anwendbar ist, begegnet § 3c Abs. 2 EStG in Bezug auf natürliche Personen als Anteilseigner keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift des § 8b KStG dient dazu, eine weitgehend steuerfreie Durchschüttung von Gewinnen im Konzern zu ermöglichen und zu vermeiden, dass auf jeder Konzernstufe eine erneute volle Belastung der durchgeschütteten Gewinne mit Körperschaftsteuer (sog. Kaskadeneffekt) eintritt (vgl. BTDrucks 14/2683, S. 120; Gosch, a.a.O., § 8b Rz 1; Herzig, DB 2003, 1459). Erst bei der Ausschüttung auf der letzten Stufe, wenn der Gewinn an eine natürliche Person ausgeschüttet wird, soll das Halbeinkünfteverfahren eingreifen. Dass auf der Konzernebene das Abzugsverbot des § 3c EStG nicht gilt, beeinträchtigt die Rechtfertigung des § 3c Abs. 2 EStG gegenüber natürlichen Personen als Anlegern nicht. Denn auch wenn der Steuerpflichtige als natürliche Person eine Gewinnausschüttung nur von einer einzigen Gesellschaft bezieht, ist der mit dem erwirtschafteten Gewinn zusammenhängende, auf der Gesellschaftsebene anfallende Aufwand dort vollständig als Betriebsausgabe abziehbar. § 8b KStG in der ab 2004 geltenden Fassung erweitert diese Abzugsmöglichkeit auf der Gesellschaftsebene für den Fall, dass die Gewinnausschüttung mehrere hintereinander geschaltete Kapitalgesellschaften durchfließt. Das ist ein gesonderter Regelungsbereich der Konzernbesteuerung, aus dem sich nichts gegen die Rechtfertigung des Halbabzugsverbots (§ 3c Abs. 2 EStG) im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens bei der Ausschüttung an eine natürliche Person herleiten lässt.
f) Schließlich ergibt sich ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht daraus, dass Zinsen für die Beteiligung an einer Personengesellschaft --anders als die vom Kläger für seine GmbH-Beteiligung aufgewendeten Zinsen-- in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbar sind. Die Sachverhalte sind schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Gewinn der Personengesellschaft nur auf der Ebene der Gesellschafter von der Einkommensteuer erfasst wird, so dass eine Doppelbelastung von Ausschüttungen mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer nicht gegeben ist und deshalb weder die hälftige Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40 EStG noch das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG gilt.
Fundstellen
Haufe-Index 1803559 |
BFH/NV 2007, 2173 |
BStBl II 2008, 551 |
BFHE 2008, 251 |
BFHE 218, 251 |
BB 2007, 2222 |
DB 2007, 2178 |
DStR 2007, 1756 |
DStRE 2007, 1345 |
DStZ 2007, 682 |
HFR 2007, 1086 |