Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Abschn. 121 Abs. 5 EStR 1951 gibt keinen vor den Steuergerichten verfolgbaren Anspruch auf Anwendung der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand auf Geschäftsreisen. Ist ein betrieblich veranlaßter Mehraufwand für Verpflegung in Höhe der Pauschsätze offensichtlich nicht entstanden, so ist der Mehraufwand im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu schätzen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Handelsvertreter. Sein Vertretungsbezirk umfaßt das Land Niedersachsen. Er machte für 1952 an Reisekosten geltend:
Für 339 Reisetage pauschal täglich 12 DM .... 4.068 DM, übernachtungskosten ....................... 1.153 DM.
Die Einnahmen des Bf. betrugen 14.385 DM, die geltend gemachten Betriebsausgaben 12.641 DM, so daß nach seiner Steuererklärung ein Gewinn von 1.744 DM verblieb. Das Finanzamt sah einen Teil der geltend gemachten Reisekosten als Kosten der Lebensführung an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Der Bf. sei in A. / Württemberg gemeldet, wo er bei Verwandten wohne. Er habe dort kein eigenes Zimmer. Die meiste Zeit des Jahres sei er auf Reisen. Er halte sich dabei meist längere Zeit an bestimmten Orten seines Vertretungsbezirks auf. So habe er in der Zeit vom Januar bis Mai im Land Niedersachsen in L. 67 mal und von Mai bis Dezember 1952 in B. 153 mal in den gleichen Gasthöfen übernachtet. Die in Abschnitt 121 Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951 vorgesehenen Pauschbeträge sollten nicht, wie der Bf. meine, den vollen Lebensunterhalt abgelten, sondern nur den durch die Reisetätigkeit bedingten Mehraufwand an Verpflegungskosten. Da der Bf. alleinstehend sei und keinen eigenen Haushalt habe, müsse er sich auf jeden Fall selbst verpflegen, gleichviel ob er auf Reisen sei oder nicht. Deshalb entstünden ihm bei seinen Reisen weniger Mehrkosten als einem Verheirateten, dessen Haushalt weiterlaufe. Der tägliche Mehraufwand sei auf 6 DM zu schätzen. Die übernachtungskosten würden gesondert abgesetzt. Der Betrag von 6 DM reiche aus, weil der Bf. ständig im gleichen Bezirk reise und darum seinen Aufenthalt so einrichten könne, wie es für ihn am billigsten sei. Es sei überdies zweifelhaft, ob der Bf. wirklich an 339 Tagen über 12 Stunden unterwegs gewesen sei. In diesem Fall hätte er - was unwahrscheinlich sei - an vielen Feiertagen und Sonnabenden über 12 Stunden arbeiten müssen. Aufzeichnungen über die Reisetätigkeit im einzelnen fehlten. Die Abwesenheit von A. / Württemberg könne der Berechnung der Reisedauer nicht zugrunde gelegt werden, da der Steuerpflichtige nur aus persönlichen Gründen formal dort einen Wohnsitz unterhalte. Ein größerer Teil der Geschäftsreisen habe sich jedenfalls nicht über 12 Stunden erstreckt.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) erstrebt der Bf. die Anwendung der Pauschsätze und trägt vor, ihm sei im Jahre 1951 beim Finanzamt erklärt worden, er könne ohne Einzelnachweis die Pauschbeträge gemäß Abschnitt 121 EStR absetzen. Er habe daraufhin die Ausgaben nicht einzeln aufgezeichnet. Das Finanzamt wolle nunmehr seine Zusage rückwirkend widerrufen. Die Nichtanwendung der Pauschsätze gefährde die gleichmäßige Behandlung aller Steuerpflichtigen. Die EStR unterschieden für die Höhe der Pauschsätze nicht, ob ein Steuerpflichtiger verheiratet sei oder einen eigenen Haushalt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Das Finanzgericht wendet die Pauschsätze des Abschnitts 121 Abs. 5 EStR 1951 nicht an, weil nach seiner Auffassung der Bf. einen entsprechenden Mehraufwand für Verpflegung nicht gehabt hat. Es hat den Mehraufwand auf 6 DM je Reisetag geschätzt. Das Finanzgericht nimmt dabei zutreffend an, der Bf. habe keinen vor den Steuergerichten verfolgbaren Anspruch, daß die Pauschsätze ohne weiteres angewendet würden. Abschnitt 121 Abs. 5 EStR 1951 ist ebensowenig wie die vorangegangene Anordnung der Bundesregierung über die steuerliche Behandlung der Reisekosten vom 20. Dezember 1950, Bundesanzeiger Nr. 247 - ein Milderungserlaß. Es handelt sich vielmehr um eine Verwaltungsanweisung, die der Vereinfachung für die Steuerpflichtigen und die Verwaltung dient (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 342/53 U vom 8. April 1954, Slg. Bd. 58 S. 722, Bundessteuerblatt III S. 188). Sie kann angewendet werden, wenn dabei keine offensichtlich unrichtigen Ergebnisse entstehen. Führt die Anwendung der Pauschsätze zu einem falschen Ergebnis, so muß der betrieblich veranlaßte Mehraufwand im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände geschätzt werden (§ 217 der Reichsabgabenordnung). Nach dem Gesetz haben die Steuerpflichtigen nur einen Anspruch darauf, daß die betrieblich veranlaßten Aufwendungen berücksichtigt werden (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), soweit sie in angemessener Form dargetan sind. Sind sie im Einzelfall nicht einwandfrei festzustellen, so können sie an Hand der Pauschsätze geschätzt werden, wenn dabei nicht offensichtlich unrichtige Ergebnisse entstehen. Vgl. den Hinweis in "Der Betrieb" 1955 S. 132. Die Verwaltung hat in übereinstimmung mit diesen Rechtsgrundsätzen zum Ausdruck gebracht, daß sie die Pauschsätze nicht ohne nähere Prüfung angewendet wissen will. Denn es ist vorgesehen, daß sie nur in der Regel Anwendung finden können, sofern sie nicht zu einer offensichtlich unrichtigen Besteuerung führen (Abschnitt 121 Abs. 5, insbesondere Ziff. 3e EStR 1951). Wollte man die nicht unbeträchtlichen Pauschsätze ohne nähere Prüfung in jedem Fall anerkennen, so würden in vielen Fällen zu hohe Betriebsausgaben anerkannt und gerade dadurch würde - entgegen der Auffassung des Bf. - die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährdet.
Das Finanzgericht konnte nach diesen Rechtsgrundsätzen den Mehraufwand für Verpflegung auf den Geschäftsreisen schätzen und konnte bei der Höhe der Schätzung ohne Rechtsverstoß berücksichtigen, daß bei Zugrundelegung der Pauschsätze ein offensichtlich zu geringer Gewinn ausgewiesen würde; ferner, daß der Bf. keinen eigenen Haushalt hatte und die Reisekosten dadurch senken konnte, daß er meist längere Zeit in denselben Gasthöfen wohnte. Es ist zweifelhaft, ob das Finanzgericht nicht sogar einen zu hohen Betrag berücksichtigte, da es seiner Berechnung 339 Reistage mit vollem Verpflegungsmehraufwand zugrunde legte, obgleich der Bf. keine ausreichenden Aufzeichnungen über die Reisetage und die Dauer der Reisen hatte und das Finanzgericht deshalb mit Recht Bedenken gegen die Zahl und Dauer der Reisen haben konnte. Es ist auch zweifelhaft, ob nicht ein Teil der übernachtungskosten hätte gestrichen werden müssen. Der Bf. hatte keine feste Wohnung. Er hat jeweils längere Zeit in denselben Hotels gewohnt. Man kann diese Unterkunft deshalb teilweise als die normale "Wohnung" ansehen. Von einer auswärtigen Unterkunft kann insoweit keine Rede sein. Die Kosten für die normale Wohnung gehören aber zu den Kosten der Lebensführung (§ 12 Ziff. 1 EStG).
Es kann dahingestellt bleiben, was der Bf. hinsichtlich der Anwendung der Pauschbeträge mit seinem Finanzamt besprochen hat. Die Angaben des Bf. und des Finanzamts decken sich in diesem Punkte nicht. Selbst wenn es zutreffen sollte, daß der Bf. auf Grund seiner Besprechungen beim Finanzamt von der Aufzeichnung der Verpflegungsaufwendungen während der Reisen Abstand genommen hat, führt das nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn auch wenn er solche Aufzeichnungen gemacht hätte, könnten die Ausgaben nur berücksichtigt werden, soweit sie betrieblich veranlaßte Mehraufwendungen sind. Die zu den Kosten der Lebensführung rechnenden Kosten der allgemeinen Verpflegung sind ohnehin nicht abzugsfähig (§ 12 Ziff. 1 EStG). Der nicht abzugsfähige Teil müßte, auch wenn der Bf. die Ausgaben aufgezeichnet hätte, geschätzt werden. Bei dieser Schätzung wäre kein anderes Ergebnis als das vorliegende zu erwarten gewesen. Die Anwendung der Pauschsätze des Abschnitts 121 Abs. 5 EStR 1951 kann der Steuerpflichtige mit seinem Vorbringen jedenfalls nicht erzwingen.
Fundstellen
Haufe-Index 408229 |
BStBl III 1955, 304 |
BFHE 1956, 275 |
BFHE 61, 275 |