Entscheidungsstichwort (Thema)
Entwicklung von Computer-Anwendungsprogrammen keine ingenieurähnliche Tätigkeit
Leitsatz (NV)
Ein selbständiger EDV-Berater, der Computer-Anwendungsprogramme entwickelt, übt keinen dem Ingenieur ähnlichen Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus (Anschluß an BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337).
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) studierte im Streitjahr (1985) im 8. und 9. Semester Informatik. Er erzielte einen nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten Gewinn in Höhe von . . . DM. Dieser Gewinn rührte aus der selbständigen Erstellung von Systemanalysen her. Der Kläger prüfte für den jeweiligen Auftraggeber, ob betriebliche Probleme mit Hilfe der Datenverarbeitung gelöst werden könnten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Tätigkeit des Klägers unter Hinweis auf den noch fehlenden Studienabschluß als gewerblich.
Der Kläger ist der Ansicht, seine selbständig ausgeübte Tätigkeit sei als freiberufliche Tätigkeit anzusehen. Seine nach vergeblichem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg.
Hiergegen richtet sich die Revsion des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das FA beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FA hat die streitigen Einkünfte im Ergebnis zu Recht als solche aus Gewerbebetrieb behandelt.
Das FG ist in Anlehnung an das Senatsurteil vom 4. August 1983 IV R 6/80 (BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677) davon ausgegangen, daß ein selbständiger Informatiker eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt, wenn er Systemananlysen erarbeitet, aus denen sich ergibt, ob gewisse betriebliche Vorgänge mit Hilfe von EDV-Anlagen vollziehbar sind.
Der Senat hat die in dem Urteil in BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677 niedergelegten Grundsätze in seinem Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87 (BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337) in der Weise eingeschränkt, daß ein selbständiger EDV-Berater, der Computer-Anwendungsprogramme entwickelt, keinen dem Ingenieur ähnlichen Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt dieser Entscheidung verwiesen.
Nach den Feststellungen des FG bestand die selbständige Tätigkeit des Klägers darin, für den jeweiligen Auftraggeber zu prüfen, ob betriebliche Probleme mit Hilfe der Datenverarbeitung gelöst werden könnten. Der Kläger hat demnach für seine Auftraggeber Anwendungssoftware entwickelt (vgl. Senatsurteil in BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337 unter 1 b cc). Er war mithin nicht auf einem für den Ingenieurberuf typischen Gebiet tätig. Somit stellt sich nicht die zwischen den Beteiligten streitige und vom FG bejahte Frage, ob seine mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse denen eines Ingenieurs oder Diplominformatikers vergleichbar waren.
2. Die Sache ist gleichwohl nicht entscheidungsreif.
Dem Kläger wurde ausweislich der Akten im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1985 ein halber Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 8 EStG gewährt. Nachdem der Kläger vor dem FG zunächst beantragt hatte, die Höhe dieses Freibetrages auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu untersuchen, hat er diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten.
Mit Beschluß vom 12. Juni 1990 1 BvL 72/86 (BStBl II 1990, 664) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) § 32 Abs. 8 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung für verfassungwidrig erklärt.
Das FG hat bisher dazu, ob beim Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung eines Kinderfreibetrages vorliegen - aus seiner Sicht folgerichtig -, keine Feststellungen getroffen. Es wird diese Feststellungen im zweiten Rechtszug nachholen. Sollte dem Kläger - wovon nach Aktenlage auszugehen ist - ein anteiliger Kinderfreibetrag zustehen, so wird das FG sinnvollerweise abwarten, ob der Gesetzgeber die Konsequenzen aus dem genannten Beschluß des BVerfG in der Weise zieht, daß er die Kinderfreibeträge rückwirkend erhöht (vgl. den letzten Absatz des Beschlusses des BVerfG). Sollte das der Fall sein, so wird das FG bei seiner Entscheidung im Wege der Saldierung den erhöhten Kinderfreibetrag zu berücksichtigen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 417243 |
BFH/NV 1991, 442 |