Leitsatz (amtlich)
Für die Ermittlung des Verlustes i. S. des § 9 Abs. 3 AbsichG sind die einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften maßgebend.
Normenkette
AbsichG § 9 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Ihre Gesellschafter waren bis zum 30. April 1969 die A-GmbH als Komplementärin mit einer Einlage von 50 000 DM und Frau K als Kommanditistin mit einer Einlage von 1 450 000 DM. Alleiniger Gesellschafter der A-GmbH mit einem Stammkapital von 50 000 DM war gleichfalls Frau K. Mit Wirkung vom 1. Mai 1969 veräußerte Frau K ihre Kommanditbeteiligung an die vier Geschwister B, die hierdurch anstelle von Frau K Gesellschafter der KG mit einer Einlage von je 365 000 DM wurden. Als weitere persönlich haftende Gesellschafterin trat ab 1. Mai 1969 die B-GmbH in die KG ein. Gesellschafter dieser GmbH sind Dr. B und dessen Ehefrau, die Eltern der vier Kommanditisten. Daneben blieb auch die A-GmbH bis zum 31. Dezember 1970 Gesellschafterin der KG. Wegen des Gesellschafterwechsels wurden von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) für das Jahr 1969 unter Bildung zweier Rumpfwirtschaftsjahre zwei einheitliche Gewinnfeststellungen durchgeführt. Für das gesamte Kalenderjahr 1969 betrug der im Rahmen dieser Gewinnfeststellungen einheitlich und gesondert festgesetzte Gewinn (unter Einbeziehung des von Frau K erzielten Veräußerungsgewinns von 365 142,60 DM) 172 618,76 DM. Er setzt sich wie folgt zusammen:
einheitlich festgestellter Verlust für den Feststellungszeitraum
1. Januar bis 30. April 1969 (unter Berücksichtigung des
Veräußerungsgewinns der Frau K von 365 142,60 DM) ./. 74 151,24 DM
einheitlich festgestellter Gewinn für den Feststellungszeitraum
1. Mai bis 31. Dezember 1969 246 770,- DM
Gewinn im Umsatzsteuer-Veranlagungszeitraum 1969 172 618,76 DM
Die Klägerin bewirkte im Veranlagungszeitraum 1969 unter das Absicherungsgesetz fallende Umsätze in Höhe von 1 589 866 DM. Von ihnen entfielen insgesamt 595 904 DM auf Lieferungen, denen vor dem 23. November 1968 abgeschlossene Verträge zugrunde lagen ("Altverträge"), so daß insoweit gemäß § 2 AbsichG eine Sonderumsatzsteuerschuld von 23 836,16 DM entstanden ist.
Unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 3 AbsichG und den hierzu ergangenen Erlaß des BdF vom 22. Juli 1969 IV A/2 - S 7715 - 32/69 (BStBl I 1969, 383) beantragte die Klägerin im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 1969 den Nichtansatz dieser Sonderumsatzsteuer (in Höhe von zunächst 20 714,53 DM). Sie stützte diesen Antrag auf die Erwägung, daß der von einem Gesellschafter und nicht vom Unternehmer selbst erzielte Veräußerungsgewinn aus umsatzsteuerlicher Sicht - im Gegensatz zu der Behandlung bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung - außer Ansatz bleiben müsse. Das FA lehnte diesen Antrag ab und legte die auf die in Betracht kommenden Ausfuhren entfallende Sonderumsatzsteuer der Steuerfestsetzung im Steuerbescheid für das Jahr 1969 zugrunde. Es vertrat die Ansicht, daß für die Ermittlung des Verlustes i. S. des § 9 Abs. 3 AbsichG ausschließlich ertragsteuerrechtliche Grundsätze anzuwenden seien, so daß ein Veräußerungsgewinn nicht aus dem Betriebsergebnis ausgeschieden werden könne.
Hiergegen richtet sich die unmittelbar zum FG erhobene Klage, mit der beantragt wird, die Umsatzsteuer 1969 um den Betrag von 23 836,16 DM Sonderumsatzsteuer niedriger festzusetzen. Das FG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt.
Da das Umsatzsteuergesetz keine Verlustermittlung kenne, sei die Frage, ob ein Unternehmer einen Verlust erlitten habe, entsprechend dem zu § 9 Abs. 3 AbsichG ergangenen BdF-Erlaß vom 22. Juli 1969 nach den ertragsteuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu beurteilen. Wenngleich bei Personengesellschaften der Unternehmerbegriff des Umsatzsteuerrechts nicht mit demjenigen des Einkommensteuerrechts identisch sei, so sei doch die Anknüpfung an ertragsteuerrechtliche Grundsätze auch bei Personengesellschaften vertretbar und widerspreche nicht der Zielsetzung des § 9 Abs. 3 AbsichG. Da aus diesem Grund ein Ermessensfehlgebrauch nicht vorliege, sei der BdF-Erlaß vom 22. Juli 1969 als eine zur einheitlichen Handhabung der Billigkeitsregelung nach § 9 Abs. 3 AbsichG ergangene Richtlinie für die Finanzverwaltungsbehörden verbindlich. Das FA habe daher zu Recht gemäß § 16 Abs. 1 EStG auch denjenigen Gewinn berücksichtigt, der bei der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters erzielt worden sei.
Da weiterhin das Kalenderjahr 1969 einen Veranlagungszeitraum bilde und der Wechsel in der Kommanditbeteiligung umsatzsteuerrechtlich nicht zu einer Aufteilung in zwei Veranlagungsabschnitte führe, sei es auch nicht gerechtfertigt, zur Prüfung der Billigkeitsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 3 AbsichG den Zeitabschnitt Januar bis April 1969 isoliert zu beurteilen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision, mit der die Klägerin verletzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 und § 9 Abs. 3 AbsichG rügt. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens trägt die Klägerin im wesentlichen vor: FA und FG hätten eine weder vom Gesetz noch vom Erlaßgeber erkennbar gewollte "sklavische" Bindung an den einkommensteuerlichen Gewinnbegriff zugrunde gelegt. § 9 Abs. 3 AbsichG stelle auf den Verlust des Unternehmers ab. Der Begriff des Unternehmers werde durch § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 bestimmt. Daher werde der Verlust des Unternehmers nicht durch den Mitunternehmerveräußerungsgewinn i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG beeinflußt. Auch der BdF wolle mit seiner nur grundsätzlichen Anknüpfung an die ertragsteuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften gegebenenfalls Abweichungen Rechnung tragen, die sich aus den systematischen Unterschieden zwischen Ertragsteuerrecht und Umsatzsteuerrecht ergäben.
Auch wenn der Veräußerungsgewinn des Einzelunternehmers gemäß § 9 Abs. 3 AbsichG anzurechnen sei, so gelte doch für den Mitunternehmergewinn nicht das gleiche. Denn es sei unbillig und nicht mit § 9 Abs. 3 AbsichG vereinbar, einer Mitunternehmergemeinschaft mit betrieblichen Verlusten den Erlaß der Sonderumsatzsteuer nur deshalb zu versagen, weil der betriebliche Verlust durch den Gewinn aus der Veräußerung einer nur bruchteilsmäßigen Beteiligung lediglich eines Mitunternehmers ausgeglichen werde. Sofern man aber angesichts der mehrheitlichen Beteiligung der Frau K an der KG die Veräußerung der Kommanditbeteiligung wirtschaftlich mit der Veräußerung des Betriebs durch die KG gleichsetze, müsse man konsequenterweise den 30. April 1969 als Tag der Beendigung der Unternehmereigenschaft ansehen und für die Berechnung des "Verlustes des Unternehmers" den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April zugrunde legen. Insoweit sei aber für die Klägerin ein Verlust von ca. 74 000 DM festgestellt worden.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen,
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Klägerin konnte gemäß § 45 FGO i. V. m. § 229 AO ohne Durchführung des Vorverfahrens Klage erheben. Denn die Entscheidung über den Antrag auf Nichtansatz der Sonderumsatzsteuer gemäß § 9 Abs. 3 AbsichG bildet einen Bestandteil des Steuerfestsetzungsverfahrens; sie ist daher gemäß § 229 AO mit dem gegen den Steuerbescheid gerichteten Rechtsbehelf des Einspruchs anfechtbar. Diese Eingleisigkeit des Rechtsbehelfsverfahrens folgt daraus, daß der Unternehmer bei Vorliegen der in § 9 Abs. 3 AbsichG aufgeführten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Nichtanwendung der Besteuerungsvorschrift des § 2 AbsichG hat, und daß die Entscheidung des FA über die Anwendung des § 9 Abs. 3 AbsichG der vollen Nachprüfung durch die Gerichte unterliegt (vgl. zu den ähnlich liegenden Fällen des § 16 Abs. 5 EStG 1974 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG Urteile des BFH vom 8. Oktober 1970 IV R 69/70, BFHE 100, 305, BStBl II 1971, 16, und vom 7. Mai 1958 II 14/58 U, BFHE 67, 172, BStBl III 1958, 337).
2. Zutreffend hat das FG die Voraussetzungen für einen Nichtansatz der auf die Altverträge entfallenden Sonderumsatzsteuer mangels Vorliegens eines Verlustes gemäß § 9 Abs. 3 AbsichG und dem hierzu ergangenen Erlaß des BdF vom 22. Juli 1969 IV A/2 - S 7715 - 32/69 verneint. Weder das Umsatzsteuergesetz noch das Absicherungsgesetz kennen einen eigenen Verlustbegriff. Die Vorschrift des § 9 Abs. 3 AbsichG verweist mit ihrer Formulierung auf § 2 EStG. Auch aus dem Sinnzusammenhang der Vorschrift ergibt sich, daß für die Feststellung des Verlustes i. S. des § 9 Abs. 3 AbsichG die einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften maßgebend sind. Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, daß bestimmte Gewinnermittlungsvorschriften dann nicht angewandt werden könnten, wenn sie der Zielsetzung des Gesetzes zuwiderliefen. Der Rückgriff auf die einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften führt jedoch aus nachstehenden Gründen nicht zu der von der Klägerin behaupteten Systemwidrigkeit der Besteuerung der Ausfuhrumsätze aus den Altverträgen.
a) Die Anknüpfung an die einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften verbietet es im Regelfall, bei der Berechnung des Verlustes im Sinne des § 9 Abs. 3 AbsichG die außerordentlichen Erträge und Aufwendungen aus der Gewinnermittlung auszuscheiden und nur die laufenden (ordentlichen) betrieblichen Erträge oder Verluste zugrunde zu legen. Diese Regelung ist nicht sachfremd, da auch die außerordentlichen Erträge und Aufwendungen mit dem Betriebsgeschehen zusammenhängen und infolgedessen in gleicher Weise bei der einkommensteuerrechtlichen, körperschaftsteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Gewinnermittlung zu berücksichtigen sind. Insbesondere ist auf § 16 EStG zu verweisen. Nach ihm gehören u. a. zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch diejenigen Gewinne, die bei der Veräußerung des Anteils eines Mitunternehmers erzielt werden. Das FA hat deshalb zu Recht den von Frau K erzielten Veräußerungsgewinn bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der Klägerin berücksichtigt. Daß bei der Gewinnverteilung zugunsten der Frau K dieser Veräußerungsgewinn als nach den §§ 16, 34 EStG begünstigt berücksichtigt wurde, berührt nur ihre steuerlichen Verhältnisse, nicht aber die der Klägerin.
Die besondere Zielsetzung des § 9 Abs. 3 AbsichG, für nachteilige Folgen aus der Besteuerung von Ausfuhren aufgrund sog. Altverträge einen Härteausgleich zu schaffen (vgl. insoweit die Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 5. Wahlperiode, 197. Sitzung, Stenografische Berichte S. 10615 ff., 10631), rechtfertigt es nicht, den bei Gewinnverteilung der Frau K zuzurechnenden Veräußerungsgewinn aus der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns zu eliminieren. Es sind keine Gründe ersichtlich, einen solchen Veräußerungsgewinn bei der für die Klägerin vorzunehmenden einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung anders zu behandeln als einen außerordentlichen Ertrag, der gleichfalls nicht notwendigerweise mit dem laufenden Geschäft zusammenhängt. Zum anderen würde eine solche Sachbehandlung die Erwägung veranlassen, auch sämtliche außerordentlichen Verluste im Rahmen des § 9 Abs. 3 AbsichG bei der Gewinnermittlung auszuscheiden. Dies würde in gegebenen Fällen zu einer Einengung des Anwendungsbereichs des § 9 Abs. 3 AbsichG führen und unter Umständen den vom Gesetzgeber gewollten Härteausgleich verhindern. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr, wie der Wortlaut des Gesetzes ergibt, für eine vereinfachende und solche Differenzierungen ausschließende Regelung entschieden.
b) Letztlich ist der Auffassung der Klägerin entgegenzutreten, daß es sich bei der Veräußerung des KG-Anteils und des hierdurch realisierten Veräußerungsgewinns lediglich um einen von der Person des Unternehmers losgelösten, nur die ausscheidenden und eintretenden Gesellschafter persönlich betreffenden Vorgang handele. Die Veräußerung des KG-Anteils wirkt sich vielmehr über die Ergänzungsbilanzen der neuen Gesellschafter bei der Klägerin aus. Es sei verwiesen auf die Gewinnminderung bei der Klägerin, die durch die Berücksichtigung der Verlustanteile der neu eingetretenen Kommanditisten verursacht ist, sowie auf die Auswirkungen des Veräußerungsvorganges bei der Gewerbesteuer.
3. Trotz der beiden durch den Gesellschafterwechsel bedingten Gewinnfeststellungszeiträume vom 1. Januar bis zum 30. April 1969 und vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 1969 hat das FG bei der Gewinn- und Verlustermittlung zu Recht das Ergebnis des ganzen Jahres berücksichtigt. Denn § 9 Abs. 3 AbsichG stellt darauf ab, daß der Unternehmer im gesamten Veranlagungszeitraum einen Verlust erlitten hat. Dies war bei der Klägerin nicht der Fall. Ihre umsatzsteuerliche Identität hat sich durch den Gesellschafterwechsel nicht geändert. Die Grundsätze, die der Senat für eine Geschäftsveräußerung im ganzen aufgestellt hat (s. u. a. BFH-Urteil vom 5. März 1970 V R 33/69, BFHE 99, 76, BStBl II 1970, 535), können keine Anwendung finden, weil die A-GmbH mit ihrer bisherigen Alleingesellschafterin Frau K bis zum 31. Dezember 1970 Komplementärin der Klägerin blieb und damit ein vollständiger Gesellschafterwechsel, der sich sukzessive in einem engen zeitlichen Zusammenhang hätte vollziehen müssen, nicht vorlag.
Fundstellen
BStBl II 1977, 108 |
BFHE 1977, 297 |