Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Stadtverwaltung erfüllt mit dem Betriebe einer ihrem Schlachthof angegliederten Freibank auch insoweit öffentlich-rechtliche Aufgaben, als das Freibankfleisch aus Schlachtungen außerhalb des Schlachthofs stammt.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 3; UStDB § 19/1; UStDB § 19/2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Erlöse der Steuerpflichtigen, einer Stadtverwaltung, aus dem Verkaufe von Freibankfleisch auf dem Gelände ihres Schlachthofs sowie die Gebühren für die Benutzung der Freibank und ihrer Einrichtungen (einschließlich evtl. Dämpfen des Fleisches), soweit das Fleisch aus Schlachtungen außerhalb des Schlachthofs stammt, der Umsatzsteuer unterliegen.
Die Steuerpflichtige unterhält auf dem Gelände ihres Schlachthofs eine Freibank, auf der sie im eigenen Namen, aber für Rechnung der Tierbesitzer, für den menschlichen Genuß bedingt taugliches und minderwertiges Fleisch verkauft. Das Fleisch stammt zu etwa 2/3 aus Schlachtungen im Schlachthof, zu etwa 1/3 aus Schlachtungen, die außerhalb des Schlachthofs in Nachbargemeinden stattgefunden haben. Der Erlös aus dem Fleischverkauf wird unter Einbehaltung der Gebühren für die Benutzung der Freibank und ihrer Einrichtungen an die Fleisch- (Tier-) besitzer weitergeleitet. Die Freibank ist keine selbständige Einrichtung der Steuerpflichtigen, sondern untersteht ihrem Schlachthof und wird von Angestellten des Schlachthofs betrieben.
Das Finanzamt hat die Steuerpflichtige mit den Erlösen und Gebühren aus den Verkäufen von Freibankfleisch, das aus Schlachtungen auf dem Schlachthof stammte, nach § 2 Abs. 3 UStG 1934 in Verbindung mit § 18 Abs. 2 UStDB 1938 von der Umsatzsteuer freigestellt. Dagegen hat es auf Grund einer Betriebsprüfung im Wege der Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 AO die Steuerpflichtige mit den Erlösen und Gebühren, die auf Freibankfleisch entfielen, das nicht aus Schlachtungen auf ihrem Schlachthof herrührte, sondern aus Nachbargemeinden in den Freibankbezirk eingeführt worden war, zur Umsatzsteuer herangezogen, weil insoweit keine Ausübung öffentlicher Gewalt vorliege. Die Vorinstanz hat die Steuerpflichtige auf deren Sprungberufung unter Abänderung des angefochtenen Bescheides auch mit den letztgenannten Umsätzen wegen Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 UStDB von der Umsatzsteuer freigestellt.
Mit der gemäß § 285 Abs. 1 AO eingelegten Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts, daß die Vorentscheidung auf unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts beruhe (ß 288 Ziff. 1 AO). Er beharrt auf dem Standpunkt, daß die Steuerpflichtige beim Verkaufe des nicht aus Schlachtungen im Schlachthof stammenden Freibankfleisches keine Hoheitstätigkeit entfalte. Die Freibank befinde sich in den Gebäuden des Schlachthofs und sei in personeller und sachlicher Hinsicht ein Teil der Schlachthofverwaltung. Sie werde auch nach der Verkehrsauffassung als eine unselbständige Einrichtung des Schlachthofs angesehen. Infolgedessen sei für die Entscheidung über die Steuerpflicht ausschließlich § 18 Abs. 2 UStDB 1938 maßgebend. In Satz 2 a. a. O. werde aber ausdrücklich bestimmt, daß diejenigen Leistungen, die nicht regelmäßig mit dem Betrieb eines Schlachthofs verbunden sind, umsatzsteuerpflichtig seien. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs V 342/39 vom 5. Juli 1940 (RStBl 1940 S. 798, Slg. Bd. 49 S. 61) sei der Verkauf von Freibankfleisch nur dann regelmäßig mit dem Schlachthof verbunden, wenn es von dort geschlachteten Tieren stamme. Der Reichsfinanzhof habe die Entgelte für Freibankfleisch aus Schlachtungen außerhalb des Schlachthofs für steuerpflichtig erklärt. Entsprechendes müsse für die Benutzungsgebühren (einschließlich der Dämpfgebühren) gelten, soweit sie auf solche Umsätze entfallen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Die Vorinstanzen haben mit Recht die Anwendung des § 18 Abs. 2 UStDB 1938 auf Umsätze von Freibankfleisch, das nicht von im Schlachthof der Steuerpflichtigen geschlachteten Tieren herrührt, abgelehnt, weil diese Umsätze nicht regelmäßig mit Schlachthofbetrieben verbunden sind. Bedingt taugliches und minderwertiges Fleisch, das nicht im Betrieb eines Schlachthofs anfällt, wird unter bestimmten Voraussetzungen auch anderweitig, zum Teil sogar von privaten Unternehmern, veräußert. Wird es auf die Freibank eines Schlachthofs gebracht und dort veräußert, so haben diese Umsätze mit dem Betrieb des Schlachthofs als solchem nichts zu tun.
Dagegen trifft § 18 Abs. 1 UStDB 1938 auf die streitigen Umsätze zu. Das Finanzgericht hat überzeugend dargetan, daß die Steuerpflichtige mit ihren strittigen Umsätzen nach den vom Verordnungsgeber in § 18 Abs. 1 UStDB 1938 bestimmten und von Rechtsprechung und Verwaltung herausgebildeten allgemeinen Grundsätzen öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllt. Nach §§ 9 und 10 des Fleischbeschaugesetzes vom 29. Oktober 1940 (RGBl 1940 I S. 1463) darf bedingt taugliches, zum Genuß für Menschen brauchbar gemachtes sowie im Nahrungs- und Genußwert erheblich herabgesetztes (minderwertiges) Fleisch nur unter einer diese Beschaffenheit ausreichend kenntlich machenden Bezeichnung und nur auf Freibänken oder sonst unter Aufsicht der Polizeibehörde (nach Freibankart) vertrieben werden. Gemeinden mit öffentlichem Schlachthaus haben hierfür besondere Verkaufsstellen (Freibänke) zu errichten (ß 57 Abs. 1 Satz 2 der Ausführungsbestimmungen A über die Untersuchung und gesundheitspolizeiliche Behandlung der Schlachttiere und des Fleisches bei Schlachtungen im Inland - AB.A -, Reichsministerialblatt - RMBl - 1940 S. 296), deren Betrieb von der Ortspolizeibehörde zu überwachen ist (ß 57 Abs. 7 Satz 3 AB.A). Die Errichtung von Freibänken kann durch die Gemeinde oder nach Anhörung der Gemeinde durch die höhere Verwaltungsbehörde angeordnet werden (ß 57 Abs. 3 AB.A). Die von der Steuerpflichtigen betriebene Freibank ist auf Grund des § 1 der vom Magistrat der Stadt X. mit Genehmigung des Bezirksausschusses erlassenen Freibankordnung vom ..., die auf § 57 Abs. 7 Satz 1 AB.A beruht, errichtet worden. Die Steuerpflichtige erfüllt daher mit dem Vertrieb von Freibankfleisch auf ihrer Freibank durch eigene Angestellte (Schlachthofsangestellte) und mit der Zurverfügungstellung der Freibank und ihrer Einrichtungen eine ihr durch Gesetz (Fleischbeschaugesetz vom 29. Oktober 1940) und Rechtsverordnung (ß 28 der Verordnung über die Durchführung des Fleischbeschaugesetzes vom 1. November 1940, RMBl 1940 S. 289, in Verbindung mit § 57 AB.A) ausdrücklich zugewiesene und damit öffentlich-rechtliche Aufgabe.
Das gilt auch, soweit die Steuerpflichtige Freibankfleisch vertrieben hat, das an sie aus Nachbargemeinden, die keine Freibank unterhalten, abgegeben worden ist. Denn nach § 57 Abs. 10 AB.A darf bedingt taugliches sowie minderwertiges Fleisch von dem Ort, wo es beanstandet wurde, nur mit Erlaubnis der Ortspolizeibehörde nach Orten verbracht werden, wo es auf der Freibank oder nach Freibankart abgesetzt werden kann. Die Verweisung des Fleisches auf die Freibank oder seinen Vertrieb nach Freibankart hat die Ortspolizeibehörde unter denjenigen Sicherheitsmaßnahmen anzuordnen, die ein Verbringen des Fleisches in den freien Verkehr verhüten (ß 57 Abs. 2 AB.A). Die Zulassung von auswärts beanstandetem Fleisch zur Freibank darf nur im Einzelfalle verweigert werden, wenn das Fleisch nicht abgesetzt werden kann (ß 57 Abs. 11 AB.A).
Auch der Annahmezwang, den der Verordnungsgeber als besonders wichtiges Kennzeichen für die Ausübung öffentlicher Gewalt in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStDB 1938 hervorhebt, ist im Gegensatz zu der Ansicht des Betriebsprüfers des Finanzamts, der nur Leistungszwang anerkennt, gegeben. Denn nach § 57 Abs. 5 Satz 1 AB.A darf in Gemeinden, für die Freibänke errichtet sind, bedingt taugliches sowie minderwertiges Fleisch nur auf der Freibank feilgehalten und verkauft werden. Im Bereiche der Stadt X. kann also das Käuferpublikum Freibankfleisch nur auf der Freibank der Steuerpflichtigen erhalten. Die Möglichkeit, sich dem Annahmezwang durch den Erwerb von Freibankfleisch außerhalb des Freibankbezirks zu entziehen, schließt - worauf das Finanzgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 578/33 vom 29. Juni 1934, RStBl 1935 S. 631, Slg. Bd. 36 S. 283; Urteil des Bundesfinanzhofs V 85/52 U vom 9. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 86, Slg. Bd. 57 S. 221) zutreffend hinweist - die Hoheitstätigkeit der Steuerpflichtigen ebensowenig aus wie die Möglichkeit, daß der Betrieb der Freibank mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde einem privaten Unternehmer übertragen werden kann (ß 10 der Freibankordnung für die Stadt X.), daß der Verkauf von Freibankfleisch in Gemeinden ohne Freibank unter polizeilicher Beaufsichtigung von privaten Unternehmern vorgenommen wird (ß 57 Abs. 8 AB.A) und daß von auswärts in den Freibankbezirk eingeführtes Freibankfleisch zurückgewiesen werden kann, wenn es nicht absetzbar ist (ß 57 Abs. 11 AB.A). Die Steuerpflichtige erfüllt also mit den streitigen Umsätzen öffentlich-rechtliche Aufgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 UStDB 1938.
Entgegen der Ansicht des Finanzamts schließt die Nichtanwendbarkeit des § 18 Abs. 2 UStDB 1938 nicht aus, daß Ausübung öffentlicher Gewalt nach den allgemeinen Grundsätzen des Abs. 1 dieser Bestimmung vorliegt. Abs. 2 enthält nur Anwendungsfälle des Abs. 1. Der Verordnungsgeber hat einer Gruppe von Anstalten gesundheitspolizeilicher Art, zu denen die Schlachthöfe gehören, wegen der Wichtigkeit ihrer Aufgaben für die Allgemeinheit und wegen der Flüssigkeit der Grenze zwischen öffentlich-rechtlicher und privatwirtschaftlicher Tätigkeit insofern eine Sonderstellung eingeräumt, als bei ihnen die Voraussetzungen für die Annahme einer Hoheitstätigkeit nicht von Fall zu Fall geprüft zu werden brauchen. Der Satz 2 des § 18 Abs. 2 UStDB 1938 "Steuerpflichtig sind diejenigen Leistungen, die nicht regelmäßig mit diesen Betrieben verbunden sind, z. B. bei Schlachthöfen Lieferungen von Vieh" ist mit der Einschränkung zu verstehen, daß nicht aus anderen (allgemeinen) Gründen Ausübung öffentlicher Gewalt anzunehmen ist. Der Verordnungsgeber hat das nur deshalb nicht noch besonders zum Ausdruck gebracht, weil er es für selbstverständlich gehalten hat.
Der Einwand des Finanzamts, die Freibank sei keine selbständige Dienststelle der Steuerpflichtigen, sondern personell, sachlich und örtlich in den Betrieb des Schlachthofs eingegliedert und deshalb komme beim Verkaufe des Freibankfleisches und bei der Zurverfügungstellung der Freibankeinrichtungen Ausübung öffentlicher Gewalt nur insoweit in Betracht, als der Schlachthof selbst gemäß § 18 Abs. 2 UStDB 1938 öffentlich-rechtliche Aufgaben erfülle - also nach Satz 2 dieser Bestimmung nicht hinsichtlich derjenigen Leistungen, die nicht regelmäßig mit den Schlachthofbetrieben verbunden sind -, geht fehl. Steuerschuldner ist die Stadt als solche. Die einzelnen Abteilungen und Unterabteilungen der Stadt sind entweder Hoheitsverwaltungen oder gewerbliche Betriebe oder beides. Danach ist zu entscheiden, ob und inwieweit Unternehmereigenschaft vorliegt und Lieferungen und sonstige Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen. Wie die Organisation der Stadt gestaltet ist, ob insbesondere die strittigen Tätigkeiten in einer selbständigen Abteilung ausgeübt werden oder in einer unselbständigen Unterabteilung, die personell und sachlich einer Abteilung unterstellt ist, spielt hierbei keine Rolle. Es kommt nur auf die Art der jeweils ausgeübten Tätigkeit an. Die nicht steuerbare Hoheitstätigkeit der einzelnen Abteilung oder Unterabteilung kann sich entweder aus der eng umgrenzten Sondervorschrift des Abs. 2 oder aus der allgemeinen Vorschrift des Abs. 1 des § 18 UStDB 1938 ergeben. Sie ergibt sich im Streitfalle - wie oben ausgeführt - aus § 18 Abs. 1 UStDB 1938. Der Irrtum des Finanzamts besteht darin, daß es den Abs. 1 des § 18 UStDB 1938 in den Fällen, in denen Abs. 2 Anwendung finden könnte (z. B. bei Schlachthöfen), nicht gelten lassen will und den Satz 2 dieser Bestimmung zu eng auslegt.
Das Finanzamt kann sich hierbei nicht auf das oben angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 5. Juli 1940 berufen. Dieses Urteil befaßt sich nur mit der Frage, in welchen Fällen der Verkauf von Freibankfleisch durch einen städtischen Schlachthof im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 2 UStDB 1938 mit dem Schlachthofbetrieb regelmäßig verbunden ist. Auf die Frage, ob Ausübung öffentlicher Gewalt nach § 18 Abs. 1 UStDB 1938 vorliegt, geht es nicht ein. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß das Urteil des Reichsfinanzhof im Geltungsbereich und in der Geltungszeit des Fleischbeschaugesetzes vom 3. Juni 1900 (RGBl S. 547) und des bayerischen Ausführungsgesetzes zum Fleischbeschaugesetz vom 7. Februar 1935 (GVBl. S. 33) ergangen ist, das keine so eindeutigen und ausführlichen Bestimmungen über die Zuweisung des Verkaufes von Freibankfleisch als gesundheitspolizeiliche Maßnahme an die Gemeinden enthielt wie das Fleischbeschaugesetz vom 29. Oktober 1940 und die damit zusammenhängenden Verordnungen und Anordnungen (insbesondere § 57 AB.A). Von keiner Bedeutung für die Frage der Ausübung öffentlicher Gewalt ist schließlich, daß die Steuerpflichtige kein Eigentum an dem ihrer Freibank zugeführten Fleisch erworben, daß sie dieses Fleisch für Rechnung der Fleischbesitzer verkauft und ihnen den Verkaufserlös nach Abzug der Benutzungs- und sonstigen Gebühren erstattet hat.
Da die Steuerpflichtige mit dem Freibankverkauf eine öffentlich-rechtliche Aufgabe erfüllt hat, unterlagen die Verkaufserlöse und Freibankgebühren nach § 2 Abs. 3 UStG 1934 und § 18 Abs. 1 UStDB 1938 auch insoweit nicht der Umsatzsteuer, als das Fleisch nicht aus Schlachtungen auf dem Schlachthof der Steuerpflichtigen stammte.
Fundstellen
BStBl III 1960, 57 |
BFHE 1960, 153 |
BFHE 70, 153 |
StRK, UStG:2/3 R 12 |