Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskostenpauschbetrag bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Falle der Berichtigung des Vorsteuerabzugs
Leitsatz (NV)
Obwohl Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes, die aufgrund einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG an das Finanzamt zurückgezahlt werden, nach § 9b Abs. 2 EStG als sofort abziehbare Werbungskosten zu behandeln sind, sind sie nach § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 wie AfA neben dem Werbungskostenpauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG 1997 abziehbar.
Normenkette
EStG § 9b Abs. 2; EStG 1997 § 9a S. 1 Nr. 2 S. 2; UStG § 15a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft, sie erzielte im Streitjahr (1997) Einkünfte aus der Vermietung eines Wohnhauses. Sie zahlte im Streitjahr aufgrund von § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wohnhauses in Höhe von 5 506 DM zurück, da die Option zur steuerpflichtigen Vermietung des Wohnhauses zum 31. Dezember 1993 geendet hatte.
Die deshalb in der Feststellungserklärung für das Streitjahr neben dem Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. April 1997 ―EStG 1997― (BGBl I 1997, 821) als Werbungskosten geltend gemachte Umsatzsteuer berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) nicht, da mit dem Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG 1997 alle Werbungskosten außer Absetzungen für Abnutzung (AfA), Sonderabschreibungen und Schuldzinsen abgegolten seien.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2000, 547).
Mit der Revision macht das FA geltend, die gezahlte Umsatzsteuer sei nach der abschließenden Regelung des § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 nicht neben dem Werbungskostenpauschbetrag abziehbar. Sie gehöre als Vorsteuerrückzahlung nach § 9b Abs. 2 EStG nicht zu den über die AfA zu berücksichtigenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern zu den sofort abziehbaren Werbungskosten. § 9b Abs. 2 EStG gelte auch für Grund und Boden, er sei daher keine besondere Form der AfA. Der Abzug widerspreche auch dem Pauschalierungszweck und damit dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt. Sie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zu Recht die zurückgezahlten Vorsteuerbeträge neben dem Werbungskostenpauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG 1997 berücksichtigt.
1. Nach § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 konnten im Streitjahr im Falle der Vermietung von Gebäuden zu Wohnzwecken neben einem Pauschbetrag von 42 DM pro Quadratmeter Wohnfläche u.a. die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbaren Schuldzinsen, die Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen abgezogen werden. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich diese Werbungskosten einer am Durchschnittsfall orientierten, sachgerechten Pauschalierung entziehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 1. Oktober 2002 IX R 72/99, BFHE 200, 516, BStBl II 2003, 399 unter II. 2. a, m.w.N.).
2. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass auch eine Rückzahlung von Vorsteuerbeträgen aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes gemäß § 15a UStG ―trotz der Regelung des § 9b Abs. 2 Halbsatz 2 EStG― wie AfA abziehbar ist (gl.A. Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, Kompaktkommentar, 3. Aufl., § 9b Rn. 30, Fn. 9; Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, § 9b Rz. 16; Eschenbach in Herrmann/ Heuer/Raupach (HHR), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 9b EStG Anm. 80 "Werbungskosten-Pauschbetrag"; a.A. v. Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9a Rdnr. A 26 und B 100 "Vorsteuerabzug").
a) Unter AfA i.S. des § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 ist die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG berücksichtigungsfähige AfA zu verstehen. § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 hat insoweit ―wie im Bereich der Schuldzinsen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2002 IX R 12/00, BFHE 200, 519, BStBl II 2003, 398 unter II. 1. a)― den dortigen Begriff in seinen Gesetzesbefehl aufgenommen. Abziehbar sind daher ―nach Maßgabe des § 7 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 EStG― die Anschaffungs- und Herstellungskosten des vermieteten Gebäudes.
b) Nach § 9b Abs. 1 Satz 1 EStG gehört der Vorsteuerbetrag nach § 15 UStG, soweit er bei der Umsatzsteuer abgezogen werden kann, nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten (vgl. ausführlich BFH-Urteil vom 17. März 1992 IX R 55/90, BFHE 167, 405, BStBl II 1993, 17, m.w.N.). Die umsatzsteuerrechtlich nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge sind dagegen grundsätzlich den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des betroffenen Wirtschaftsguts zuzurechnen (BTDrucks V/2185, S. 6 f., BTDrucks V/2307, S. 2) und nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG über die AfA als Werbungskosten zu berücksichtigen. Danach müssten bei Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Abziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen durch Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts entsprechend berichtigt werden. Diese Konsequenz führte jedoch nach Auffassung des Gesetzgebers zu erheblichem und für die Steuerpflichtigen nicht zumutbaren Arbeitsaufwand (BTDrucks V/2185, S. 7); deshalb sind nach § 9b Abs. 2 EStG die durch Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG entstehenden Minderbeträge im Bereich der Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 8 ff. EStG) aus Vereinfachungsgründen als sofort abziehbare Werbungskosten zu behandeln; die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts bleiben unberührt. Die abweichende rechtliche Zuordnung dient lediglich dazu, um eine gegenüber der AfA vereinfachte, lediglich zeitversetzte Erfassung der Vorsteuerberichtigungsbeträge zu ermöglichen (BTDrucks V/2185, S. 7; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 9b Rz. 16). § 9b Abs. 2 EStG ist eine Rechtsfolgenverweisung, auf die weiteren Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteile in BFHE 167, 405, BStBl II 1993, 17; vom 8. Dezember 1992 IX R 105/89, BFHE 170, 138, BStBl II 1993, 656).
Diese Auslegung entspricht überdies dem Pauschalierungszweck des § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997. Ist die Herausnahme der AfA aus der Pauschalierung dadurch zu rechtfertigen, dass sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes einer am Durchschnittsfall orientierten, sachgerechten Pauschalierung entziehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 200, 516, BStBl II 2003, 399 unter II. 2. a, m.w.N. bzgl. Schuldzinsen), so gilt dies auch für die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge. Denn Grund und Höhe der Vorsteuerbeträge folgt insoweit aus Art und Umfang der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes. Dies steht auch ―entgegen der Auffassung des FA― nicht in Widerspruch zum Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. September 1997 IV B 3 -S 2214- 40/97 (BStBl I 1997, 895, Tz. 3), denn bei den auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträgen handelt es sich nicht um Erhaltungsaufwendungen früherer Jahre.
Fundstellen
BFH/NV 2004, 766 |
HFR 2004, 613 |