Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberechnung bei einem mit nicht abziehbarer Belastung beschwerten Vorerwerb
Leitsatz (NV)
1. Ist ein Erwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit einem früheren Erwerb zusammenzurechnen, der mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwert ist, ist der Vorerwerb mit dem Bruttowert, d.h. ohne Berücksichtigung der Belastung, anzusetzen.
2. Dieser Bruttowert ist auch der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer zu Grunde zu legen.
Normenkette
ErbStG § 14 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist neben ihren zwei Geschwistern Erbin nach ihrem am 9. Juli 1998 verstorbenen Vater. Der Vater und seine vorverstorbene Ehefrau hatten 1990 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin setzten sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben und als Erben nach dem Letztversterbenden ihre drei Kinder ein. Dabei wiesen sie nach dem Letztversterbenden jedem Kind bestimmte Nachlassgegenstände zu, ohne dass dies zu einem Wertausgleich zwischen den Kindern führen sollte. Die Klägerin sollte einen halben Miteigentumsanteil an einem Grundstück erhalten. Im Juni 1997 übertrug der Vater der Klägerin diesen Miteigentumsanteil unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Dabei behielt er sich das Nießbrauchsrecht auf Lebenszeit vor. Die Schenkungsteuer für diesen Vorgang wurde auf 222 015 DM festgesetzt und wegen des Nießbrauchs in Höhe von 100 230 DM gestundet. Nach Ablösung der gestundeten Steuer belief sich die tatsächlich entrichtete Steuer auf 198 460 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 16. Dezember 2003 Erbschaftsteuer gegen die Klägerin in Höhe von 35 245 DM fest. Dabei rechnete das FA ihr ein Drittel des Nachlasses als Erwerb zu und berücksichtigte die Grundstücksübertragung aus 1997 als Vorerwerb.
Die für den Vorerwerb festgesetzte Schenkungsteuer von 222 015 DM rechnete es gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in voller Höhe auf die sich hieraus ergebende Steuer von 257 260 DM an.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage brachte die Klägerin vor, bei der Grundstücksübertragung habe es sich um eine vorgezogene Durchführung der testamentarischen Teilungsanordnung gehandelt. Der Grundstücksanteil sei daher als Bestandteil des Nachlasses zu erfassen und zu einem Drittel des festgestellten Grundstückswerts von 1 568 500 DM, also mit 522 833 DM, dem vom FA im angefochtenen Steuerbescheid angesetzten Anteil am Nachlass von 185 554 DM hinzuzurechnen. Da keine Schenkung vorliege, müsse die vom FA vorgenommene Hinzurechnung eines Vorerwerbs entfallen. Der steuerpflichtige Erwerb betrage nach Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags von 400 000 DM demnach 308 387 DM. Auf die sich hieraus bei einem Steuersatz von 11 % errechnende Erbschaftsteuer von 33 913 DM sei die Schenkungsteuer von 222 015 DM anzurechnen, so dass sich ein Erstattungsanspruch von 188 102 DM ergebe.
Das Finanzgericht (FG) vertrat in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1534 veröffentlichten Urteil die Auffassung, bei der Grundstücksübertragung habe es sich um eine als Vorerwerb zu berücksichtigende Schenkung gehandelt. Eine Auslegung des Testaments der Eltern der Klägerin ergebe aber, dass die Klägerin aufgrund der bereits erfolgten Grundstücksübertragung nur mit 2,5 % am Nachlass ihres Vaters beteiligt sei. Diesem Erwerb von Todes wegen sei die Schenkung als Vorerwerb mit 1 568 500 DM hinzuzurechnen. Auf die sich hieraus ergebende Steuer von 224 656 DM sei lediglich die tatsächlich entrichtete Schenkungsteuer für den Vorerwerb von 198 460 DM anzurechnen.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Steuer für den Vorerwerb sei wie im angefochtenen Steuerbescheid in der festgesetzten Höhe von 222 015 DM anzurechnen.
Die Klägerin beantragt, die Erbschaftsteuer auf 2 641 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG habe die Erbschaftsteuer zutreffend berechnet. Die Schenkungsteuer für den Vorerwerb könne nur in der tatsächlich entrichteten Höhe angerechnet werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die festgesetzte Erbschaftsteuer antragsgemäß herabzusetzen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Entgegen der Auffassung des FG ist die Schenkungsteuer für den Vorerwerb mit dem vollen festgesetzten Betrag von 222 015 DM anzurechnen.
a) Ist ein Erwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit einem früheren Erwerb zusammenzurechnen, der mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwert ist, ist der Vorerwerb mit dem Bruttowert, d.h. ohne Berücksichtigung der Belastung, anzusetzen.
Dieser Bruttowert ist auch der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer zugrunde zu legen. Die Auffassung, es sei lediglich die für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG sofort zu entrichtende Steuer zuzüglich des Ablösebetrags nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG zu berücksichtigen (vgl. H 85 Abs. 3 zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003 i.d.F. der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23. September 2004, BStBl I 2004, 939), führt dazu, dass dem Erwerber der Vorteil aus einer Steuerstundung für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG oder aus einer Ablösung der zu stundenden Steuer mit dem Barwert nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bei einer Zusammenrechnung dieses Erwerbs mit einem späteren Erwerb wieder entzogen wird, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt. Die Milderung der Folgen des Abzugsverbots für die Besteuerung des früheren Erwerbs darf dem Erwerber auch nicht im Rahmen der Besteuerung eines späteren Erwerbs nach § 14 Abs. 1 ErbStG wieder entzogen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. März 2006 II R 10/05, BFHE 213, 106, BStBl II 2006, 785; vom 19. Dezember 2007 II R 34/06, BFHE 218, 419, BStBl II 2008, 260).
Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
b) Die Sache ist spruchreif.
Die Auslegung des Testaments durch das FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; ihr kann gefolgt werden. Auf die vom FG zutreffend berechnete Steuer in Höhe von 224 656 DM ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Steuer auf den Bruttowert des Vorerwerbs in Höhe von 222 015 DM anzurechnen. Die Erbschaftsteuer ist danach in Höhe von 2 641 DM = 1 350,32 € festzusetzen. Die für die Bestimmung der anzurechnenden Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG maßgebenden Umstände haben sich seit dem Zeitpunkt der Schenkung nicht geändert.
2. Über den Antrag der Klägerin nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO war nicht zu entscheiden; hierfür ist allein das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56).
Fundstellen
Haufe-Index 2114393 |
BFH/NV 2009, 587 |