Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Wird eine GmbH von zwei Gesellschaftern gegründet und wird dabei einer dieser Gesellschafter im Auftrag und für Rechnung des anderen tätig, so tritt im Sinn des § 1 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG eine Vereinigung aller Anteile an der GmbH in der Hand des letztgenannten Gesellschafters ein, sobald die GmbH in das Handelsregister eingetragen ist.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3
Tatbestand
I. - Die Beschwerdeführerin (Bfin.) und der Kaufmann A. gründeten durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 22. Dezember 1952 eine GmbH. Das Stammkapital der GmbH betrug 200.000 DM. Die Stammeinlage der Bfin. belief sich auf 150.000 DM, die des Gesellschafters A. auf 50.000 DM.
Der Gesellschafter A. wurde bei der Gründung im Auftrag und für Rechnung der Bfin. tätig. Seine Mitwirkung sollte es der GmbH ermöglichen, in ihrer Firma den Namen A. zu führen. Die dem Gesellschafter A. obliegende Stammeinlage wurde von der Bfin. entrichtet.
Im Anschluß an die Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages bot der Gesellschafter A. am gleichen Tag in notariell beurkundeter Form der Bfin. an, ihr seinen Geschäftsanteil an der neu gegründeten GmbH zu übertragen. In dieser Erklärung heißt es:
"Ich mache hiermit der Firma (Name der Bfin.) das Angebot auf Abschluß des folgenden Vertrages mit der Maßgabe, daß ich mich an dieses Vertragsangebot bis zum 1. Dezember 1953 gebunden halte, ohne daß bis zu diesem Tage die Zustellung des notariellen Annahmeprotokolls an mich erforderlich ist.
Vertrag § 1
Herr A. ist an der in Gründung befindlichen und in das Handelsregister des Amtsgerichts einzutragenden A. & Co. Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 50.000,- beteiligt.
Auf diesen Geschäftsanteil sind bis zum Tage der Abgabe dieses Angebots 25 % in bar eingezahlt.
§ 2 Herr A. überträgt hiermit diesen Geschäftsanteil mit allen Rechten und Pflichten und dem eventuellen Anspruch auf Gewinn, und zwar mit Wirkung ab Annahme des Angebots, auf (Name der Bfin.), die diese übertragung hiermit entgegennimmt ..."
Die GmbH wurde am 31. Dezember 1952 in das Handelsregister eingetragen. Das Angebot des Gesellschafters A. auf übertragung seines Geschäftsanteils wurde von der Bfin. am 24. November 1953 angenommen.
Das Finanzamt erblickte in der Annahme des Angebots eine Vereinigung aller Anteile der GmbH in der Hand der Bfin. und zog diese unter Zugrundelegung der Verhältnisse am 24. November 1953 auf Grund des § 1 Abs. 3 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zur Grunderwerbsteuer heran. Die Bfin. macht geltend, daß eine Anteilsvereinigung bereits seit dem 22. Dezember 1952 gegeben sei, so daß für die Steuerberechnung die Verhältnisse in diesem Zeitpunkt maßgebend seien.
Die Sprungberufung wurde vom Finanzgericht als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
II. -
Unstreitig ist, daß alle Anteile an der GmbH in der Hand der Bfin. vereinigt wurden. Unstreitig ist auch, daß der Gesellschafter A. bei der Gründung zwar im eigenen Namen, aber im Auftrag und für Rechnung der Bfin. tätig wurde; er war somit hinsichtlich des Anteils als Treuhänder, die Bfin. als Treugeberin anzusehen. Streitig ist dagegen, in welchem Zeitpunkt der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht wurde, das heißt in welchem Zeitpunkt die Steuerschuld entstand. Lediglich die Grundstücke, die in diesem Zeitpunkt der neugegründeten Gesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen sind, kommen für eine Besteuerung in Betracht.
Im Zeitpunkt der handelsgerichtlichen Eintragung der GmbH, das heißt am 31. Dezember 1952, erwarb der Gesellschafter A. bürgerlich-rechtlich seinen Geschäftsanteil an der GmbH. Wirtschaftlich wurde dieser Geschäftsanteil jedoch am gleichen Tage durch die Bfin. als Treugeberin erworben. Wie der erkennende Senat in dem zur Veröffentlichung freigegebenen Urteil II 82/56 U vom 5. Dezember 1956, den Erwerb eines Grundstücks durch einen Treuhänder betreffend, ausgeführt hat, erwirbt der Treugeber auf Grund des zwischen ihm und dem Treuhänder bestehenden Auftragsverhältnisses gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG wirtschaftlich das Grundstück in dem Zeitpunkt, in dem bei dem Treuhänder der Erwerb im Sinn des § 1 Abs. 1 GrEStG eintritt. Das gleiche gilt entsprechend, wenn jemand im eigenen Namen, aber im Auftrag und für Rechnung eines anderen an der Gründung einer GmbH teilnimmt und damit als Treuhänder Anteile an dieser GmbH erwirbt. Die Bfin. konnte auf Grund des zwischen ihr und dem Gesellschafter A. bestehenden Auftragsverhältnisses im wesentlichen die Rechte ausüben, die mit dem Geschäftsanteil an einer GmbH verbunden sind. Der Bfin. standen die Nutzungen an dem Geschäftsanteil zu (ß 667 BGB); sie hatte die Lasten, die mit dem Geschäftsanteil verbunden waren, zu tragen (ß 670 BGB). Sie konnte die übertragung des Geschäftsanteils auf sich verlangen; sie war auch berechtigt, den Treuhänder anzuweisen, den Geschäftsanteil zu verpfänden oder ihn an einen von ihr, der Bfin., zu bestimmenden Dritten zu verkaufen (vgl. § 665 BGB). Der Kaufpreis würde in einem solchen Fall wieder der Bfin. zufließen (vgl. § 667 BGB). Umgekehrt hatte die Bfin., entsprechend der ihr obliegenden Verpflichtung zum Aufwendungsersatz (ß 670 BGB), dem Gesellschafter die Mittel zur Verfügung zu stellen, die dieser brauchte, um seine Verpflichtung zur Errichtung der ihm obliegenden Einlage (§§ 3, 19 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) zu erfüllen; dies ist auch geschehen. Bei einer solchen Rechtslage ist unbedenklich zu bejahen, daß der Geschäftsanteil seit 31. Dezember 1952 wirtschaftlich der Bfin. gehörte.
Jedoch führte dieser wirtschaftliche Erwerb durch den Treugeber nicht zu einer Anteilsvereinigung im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG. Zwar ist, um eine Anteilsvereinigung im Sinn dieser Vorschrift bejahen zu können, nicht erforderlich, daß die Anteile dem der sie in seiner Hand vereinigt, ausschließlich bürgerlich-rechtlich gehören. Eine Vereinigung im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG ist vielmehr auch dann gegeben, wenn dieselbe Person die Anteile wirtschaftlich oder teils bürgerlich-rechtlich, teils wirtschaftlich erwirbt. Auf die Urteile des erkennenden Senats II 138/53 U vom 16. Dezember 1953 (Slg. Bd. 58 S. 315, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 34), II 215/54 S vom 2. Februar 1955 (Slg. Bd. 60 S. 232, BStBl 1955 III S. 90) und II 228/54 U vom 23. März 1955 (Slg. Bd. 60 S. 397, BStBl 1955 III S. 152) wird Bezug genommen. Wie aber der erkennende Senat in den vorerwähnten Urteilen II 138/53 U vom 16. Dezember 1953 und II 228/54 U vom 23. März 1955 entschieden hat, ist eine übertragung oder ein übergang von Anteilen im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG dann nicht gegeben, wenn die Anteile bei der Gründung der Gesellschaft oder bei einer Kapitalerhöhung übernommen werden. Demgemäß kann eine Anteilsvereinigung im Sinn der genannten Vorschrift nicht durch ursprünglichen, sondern nur durch abgeleiteten Erwerb eintreten. Dies gilt auch dann, wenn, wie im Streitfall, die Anteile nicht bürgerlich-rechtlich, sondern wirtschaftlich, und zwar hier durch die Bfin., erworben werden.
Wie bereits ausgeführt wurde, ist der Treuhänder als Beauftragter auf Grund seines Auftragsverhältnisses bürgerlich-rechtlich kraft Gesetzes verpflichtet, das aus dem Auftrag Erlangte herauszugeben (ß 667 BGB).
Allerdings bedarf die Begründung der Verpflichtung, einen Geschäftsanteil abzutreten, nach § 15 GmbHG der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Im Streitfall ergibt sich die Verpflichtung jedoch aus dem Auftragsverhältnis zwischen der Bfin. und dem Gesellschafter A. In diesem Fall entsteht die Verpflichtung des Beauftragten zur Herausgabe des Erlangten an den Auftraggeber, ohne daß es der Innehaltung einer Form bedarf, auch dann, wenn das Rechtsgeschäft, das der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags abschließen soll, formbedürftig ist. Siehe dazu insbesondere das grundlegende Urteil des Reichsgerichts Rep. V. 426/02 vom 28. Februar 1903 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 54 S. 75). Daraus folgt, daß die Anteilsvereinigung im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG unabhängig davon gegeben ist, ob der Treuhänder eine selbständige Verpflichtung zur Veräußerung des Geschäftsanteils besonders übernommen hat oder nicht. § 1 Abs. 3 GrEStG gilt vielmehr auch dann, wenn die Verpflichtung zur übertragung eines oder mehrerer Anteile an der Gesellschaft in sonstiger Weise (z. B., wie im Streitfall, auf Grund eines Auftragsverhältnisses) begründet wird.
Wie der Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG ergibt, setzt die Entstehung der Steuerpflicht voraus, daß eine Gesellschaft der dort bezeichneten Art vorhanden ist. Die GmbH entsteht mit ihrer Eintragung in das Handelsregister (ß 11 GmbHG). Demgemäß ist die Steuerschuld im Streitfall am Tag der handelsgerichtlichen Eintragung der GmbH, das heißt am 31. Dezember 1952, entstanden.
Diese Auffassung steht mit den vorerwähnten Urteilen des erkennenden Senats II 138/53 U vom 16. Dezember 1953 und II 228/54 U vom 23. März 1955 nicht im Widerspruch. Dort wurde verneint, daß bereits der Ersterwerb, das heißt der Erwerb durch den Treuhänder, zu einer Anteilsvereinigung im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG führt. Diese Frage ist auch im Streitfall verneint worden. Bejaht ist dagegen eine am 31. Dezember 1952 entstandene bürgerlich-rechtliche Verpflichtung des Ersterwerbers, den erworbenen Geschäftsanteil an den Treugeber abzutreten.
Der Umstand, daß die Bfin. das Angebot des Treuhänders am 24. November 1953 angenommen und damit an diesem Tag auch bürgerlich-rechtlich dessen Geschäftsanteil erworben hat, ist auf die Besteuerung des nach den obigen Ausführungen am 31. Dezember 1952 eingetretenen Anteilsvereinigungsvorgangs nach § 1 Abs. 3 GrEStG ohne Einfluß. Allerdings hat der erkennende Senat in dem vorerwähnten Urteil II 228/54 U vom 23. März 1955 die Auffassung vertreten, daß dann, wenn durch eine Anteilsübertragung wirtschaftlich alle Anteile in einer Hand vereinigt werden und danach die rechtliche Vereinigung aller Anteile folgt, in sinngemäßer Anwendung des § 1 Abs. 5 GrEStG die Steuer für die zweite Vereinigung insoweit erhoben werden darf, als für die vorangegangene Vereinigung eine Steuer nicht berechnet wurde. Diese Auffassung darf im Streitfall nicht dazu führen, die Annahme der Abtretungserklärung als einen weiteren Erwerbsvorgang im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG anzusehen; denn im vorliegenden Fall sind lediglich Tatbestände gegeben, die denen des § 1 Abs. 1 Ziffern 1 und 3 GrEStG entsprechen. Mit einem derartigen Sachverhalt hat sich der erkennende Senat in dem vorerwähnten Urteil nicht befaßt; damals handelte es sich vielmehr um die Aufeinanderfolge von Tatbeständen, die mit denen des § 1 Abs. 2 und des § 1 Abs. 1 GrEStG vergleichbar waren.
III.- Die Vorentscheidung war somit aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Soweit die GmbH in der Zeit zwischen dem 22. und 31. Dezember 1952 Grundstücke in der Weise erworben hat, daß sie ihr nach § 1 GrEStG zugerechnet werden können (sei es nach Abs. 1, nach Abs. 2 oder nach Abs. 3), ist Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG gegeben. Soweit der Erwerb in die Zeit nach dem 31. Dezember 1952 fällt, kommt eine Steuerpflicht nicht in Betracht. Der Sachverhalt bedarf weiterer Aufklärung. Die Sache war deshalb zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408655 |
BStBl III 1957, 108 |
BFHE 1957, 284 |
BFHE 64, 284 |
StRK, GrEStG:1 R 45 |