Leitsatz (amtlich)
Zur Bewertung eines eigengenutzten Einfamilienhauses, das mit öffentlichen Mitteln nach dem I. WoBauG gefördert worden ist.
Normenkette
BewG 1965 § 79 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines im Jahre 1955 mit öffentlichen Mitteln errichteten Einfamilienhauses. Das Haus hat eine Wohnfläche von 57,95 qm und wird vom Kläger allein bewohnt.
Im Zuge der Hauptfeststellung (1. Januar 1964) stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den Einheitswert für das Grundstück durch Bescheid vom 13. Oktober 1970 auf 11 800 DM fest. Das FA ging dabei von einer Richtsatzmiete It. Bewilligungsbescheid des Amtes für Wohnung und Siedlung von 1,05 DM/qm aus, die es gemäß § 30 a des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 25. August 1953 (BGBl I 1953, 1047) in der Fassung der Änderungen vom 23. Juni 1960 (BGBl I 1960, 397) - I. WoBauG - noch um 0,10 DM erhöhte. Auf dieser Grundlage errechnete es eine übliche Miete von 996 DM, wobei es eine Betriebskostenpauschale von 60 DM, sowie Zuschläge von 5 % für Schönheitsreparaturen und 12 % wegen Grundsteuervergünstigung berücksichtigte. Die übliche Miete multiplizierte es mit dem gesetzlichen Vervielfältiger von 11,9.
Mit dem Einspruch und der Klage wandte sich der Kläger gegen die vorgenannten Berechnungsfaktoren. Außerdem machte er Baumängel geltend.
Die Klage hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Das FG erkannte zwar einen Abschlag wegen Baumängel als berechtigt an. Dieser wirkte sich jedoch nicht aus, weil das FG die übliche Miete höher ansetzte als das FA. Das FG ging statt von der Richtsatzmiete von dem Einzelfinanzierungsantrag der ... Baugesellschaft vom 14. April 1966 aus, in dem die Gesamtbelastung für das Grundstück mit 1,17 DM/qm angegeben ist. Das FG führte dazu aus: Die im pauschalierten Verfahren nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz entwickelte Richtsatzmiete sei nur anzuwenden, wenn Einzelabrechnungen fehlten. Eine solche liege im Streitfall aber vor. Die im Einzelfinanzierungsantrag ausgewiesene Belastung liege im Rahmen der Mietpreisbindung, sonst wären die öffentlichen Mittel nicht bewilligt worden. Eine Berechnung anhand der tatsächlichen Belastung habe auch den Vorteil, daß eine geschätzte Pauschale für Nebenkosten entfalle, da diese in ihrer tatsächlichen Höhe im Finanzierungsplan enthalten seien (im Streitfall mit 55 DM). Das FG kam bei seiner Berechnung auf einen Einheitswert von 12 300 DM. Durch die Differenz von 500 DM zum Einheitswert des FA sah es die Bauschäden als abgegolten an. Im übrigen hielt das FG die vom FA angesetzten Zuschläge für Schönheitsreparaturen und wegen Grundsteuerbefreiung für zulässig.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er macht geltend: Nachdem das FG seine Bauschäden anerkannt und seinen Einwand gegen die Höhe der Betriebskostenpauschale wenigstens teilweise als berechtigt angesehen habe, hätte der Einheitswertbescheid vom 13. Oktober 1970 zu seinen Gunsten geändert werden müssen. Statt dessen habe das FG die übliche Miete anders, und zwar höher als das FA berechnet und dagegen mit dem Abschlag wegen Bauschäden und der Betriebskostenpauschale aufgerechnet. Ein solches Verfahren sei nicht zulässig. Da ihm das FG in mehreren Punkten recht gegeben habe, hätte der Einheitswert herabgesetzt werden müssen, und es hätten ihm die Verfahrenskosten nicht auferlegt werden dürfen.
Der Senat geht davon aus, daß der Kläger nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen an seinem bisherigen Antrag im finanzgerichtlichen Verfahren festhält, der dahin geht, den Einheitswert auf 8 700 DM festzustellen und zusätzlich noch einen angemessenen Abschlag für Bauschäden zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FG hat die Revision wegen der Frage des Zuschlags für Schönheitsreparaturen in Fällen, in denen bei eigengenutzten Grundstücken die übliche Miete durch mietpreisrechtliche Vorschriften begrenzt ist, zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Das Grundstück des Klägers ist nach den Feststellungen der Vorinstanz gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 4 BewG 1965 im Ertragswertverfahren zu bewerten. Der Grundstückswert umfaßt nach § 78 BewG den Bodenwert, den Gebäudewert und den Wert der Außenanlagen. Er bestimmt sich durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete, wobei in besonderen Fällen noch Zu- und Abschläge möglich sind.
Bei vermieteten Grundstücken ist Jahresrohmiete das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Benützung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten haben (§ 79 Abs. 1 BewG). Dabei sind Umlagen und alle sonstigen Leistungen des Mieters einzubeziehen.
Bei Grundstücken, die nicht vermietet sind, sondern die wie hier vom Eigentümer selbst genutzt werden, gilt die übliche Miete als Jahresrohmiete (§ 79 Abs. 2 BewG). Dabei ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Außerdem kommen als Vergleichsgrundstücke nur solche Objekte in Betracht, die den gleichen mietpreisrechtlichen Bestimmungen wie das zu bewertende Grundstück unterliegen. Da das Einfamilienhaus des Klägers mit öffentlichen Mitteln errichtet ist und diese Mittel vor dem 31. Dezember 1956 bewilligt worden sind, gelten dafür die Bestimmungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes und der Neubaumietenverordnung 1962 vom 19. Dezember 1962 - NMVO - (BGBl I 1962, 753).
Wie sich aus dem Wortlaut des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG ergibt, ist die übliche Miete in erster Linie anhand geeigneter Vergleichsgrundstücke zu schätzen. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. die Urteile vom 11. Oktober 1974 III R 103/73, BFHE 113, 382, BStBl II 1975, 54, vom 29. November 1974 III R 81/73, BFHE 114, 257, BStBl II 1975, 188, und vom 13. Dezember 1974 III R 82/73, BFHE 114, 264, BStBl II 1975, 191). Können solche Vergleichsgrundstücke nicht festgestellt werden, so ist die übliche Miete anderweitig zu schätzen. Dafür bieten sich die hier geltenden mietpreisrechtlichen Vorschriften als Maßstab an.
2. Die Vorinstanz hat die übliche Miete nicht an Hand von Vergleichsgrundstücken ermittelt, sondern ist von dem Einzelfinanzierungsantrag der ... Baugesellschaft ausgegangen, während das FA seiner Berechnung die Richtsatzmiete zugrunde gelegt hat. Dazu ist folgendes zu bemerken:
Für das vom Kläger errichtete Einfamilienhaus ist die Einzelmiete maßgebend, wie sie sich aus § 2 NMVO in Verbindung mit §§ 11, 12, 13 dieser Verordnung ergibt. Das FG muß die Frage klären, welche dieser Bestimmungen im vorliegenden Fall in Betracht kommt. Das FA hat angenommen, daß von der Bewilligungsstelle gemäß § 29 Abs. 2 I. WoBauG eine Miete/Mietwert festgesetzt worden sei. Dafür spricht der sich bei den Akten befindliche Teilbewilligungsbescheid. Demgegenüber scheint das FG von einer fehlenden Mietfestsetzung ausgegangen zu sein und angenommen zu haben, daß der Bewilligung der öffentlichen Mittel die effektive Belastung des Klägers als "Miete" zugrunde gelegen hat. Je nach dem Beweisergebnis wäre die Einzelmiete auf der Basis von 1,05 DM/qm oder von 1,17 DM/qm zu berechnen. Die Einzelmiete darf dann noch erhöht werden um die im einzelnen in §§ 4, 5 und 20 NMVO aufgeführten Umlagen, Zuschläge und Vergütungen sowie um die vom FA und FG bereits vorgenommene Anhebung von 0,10 DM/qm gemäß § 30 a I. WoBauG (vgl. zur Berechnung der mietpreisrechtlich zulässigen Miete die Zusammenstellung bei Rössler-Troll-Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 10. Aufl., § 79 BewG Anm. 19 unter II 2 a und Anm. 22).
Ergibt sich, daß die Einzelmiete auf der Grundlage des § 13 NMVO zu errechnen ist, so wäre dieses Verfahren entsprechend der Regel des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG allerdings erst anwendbar, wenn zuvor feststeht, daß geeignete Vergleichsgrundstücke nicht vorhanden sind. Dagegen hätte der Senat keine Bedenken, auf die Heranziehung von Vergleichsgrundstücken im Falle einer festgesetzten Miete (§§ 11, 12 NMVO) zu verzichten. Denn diese Mieten sind von den obersten Landesbehörden auf Landesebene als Mietrichtsätze festgesetzt (vgl. § 29 Abs. 1 I. WoBauG). Außerdem handelt es sich um relativ niedrige Mieten, von denen anzunehmen ist, daß sie auf dem Wohnungsmarkt jederzeit erzielbar sind. Auch steht der Gegenbeweis dem Grundstückseigentümer ohnehin offen (vgl. Urteil des BFH III R 82/73).
3. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß die vom Mieter zu erbringenden Schönheitsreparaturen als sonstige Leistungen in die Jahresrohmiete einzubeziehen sind und daß der Eigentümer, der sein Grundstück selbst nutzt, insoweit als Vermieter an sich selbst gilt (vgl. BFH-Urteile vom 2. Juni 1971 III R 105/70, BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675, vom 29. März 1974 III R 59/73, BFHE 112, 288, BStBl II 1974, 445, vom 26. Juli 1974 III R 87/73, BFHE 113, 304, BStBl II 1974, 766, und vom 6. Dezember 1974 III R 136/73, BFHE 114, 261, BStBl II 1975, 189). Zwischen der Jahresrohmiete und der üblichen Miete besteht begrifflich und inhaltlich kein Unterschied.
Das FG, das von der effektiven Grundstücksbelastung des Klägers als einer Miete ausgegangen ist (§ 13 NMVO), hat von seinem Standpunkt aus zu Recht einen Zuschlag wegen Schönheitsreparaturen zur Jahresrohmiete vorgenommen, weil nach seinen Feststellungen im Einzelfinanzierungsantrag unter den Belastungen solche Kosten nicht enthalten sind. Ergeben die weiteren Ermittlungen jedoch, daß von der Bewilligungsstelle eine Richtsatzmiete festgesetzt worden ist, so gilt folgendes:
Aus § 6 NMVO schließt der Senat, daß in der dem Vermieter vorgeschriebenen Richtsatzmiete die Kosten für Schönheitsrepraturen enthalten sein können, daß dies aber nicht der Fall zu sein braucht. Das FG muß auch insoweit noch Feststellungen treffen. Ergibt sich dabei, daß in der Richtsatzmiete von 1,05 DM entsprechende Kosten nicht berücksichtigt sind, so dürfte dies seinen Grund darin haben, daß die Bewilligungsstelle von der heute weithin anzutreffenden Übung ausgegangen ist, wonach entgegen der gesetzlichen Regel des § 536 BGB im Einzelmietvertrag dem Mieter die Schönheitsreparaturen auferlegt werden. Der Senat hätte in diesem Fall keine Bedenken, diesem Umstand auch in Fällen der vorliegenden Art dadurch Rechnung zu tragen, daß die anzusetzende Barmiete noch um einen Zuschlag von 5 % erhöht wird.
4. Nicht zu beanstanden sind der Zuschlag wegen Grundsteuerbegünstigung von 12 % und der Vervielfältiger von 11,9. Beide entsprechen dem Gesetz.
Der Kläger hat im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht, von der ermittelten Grundfläche seines Einfamilienhauses noch einen Betrag von 10 % abzuziehen. Dieses Verlangen ist auf Abschn. 23 Abs. 2 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens vom 19. September 1966 (BStBl I 1966, 890) in Verbindung mit § 44 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen (Zweite Berechnungsverordnung) in der Fassung vom 1. August 1963 (BGBl I 1963, 594) gestützt und unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Selbstbindung der Verwaltung als berechtigt anzusehen (vgl. dazu die in Steuererlasse in Karteiform - Steuererlaßkartei - zu § 79 BewG unter Nr. 19 abgedruckten übereinstimmenden Ländererlasse).
Von dem so gefundenen Wert ist dann noch ein Abschlag wegen Baumängel zu machen. Dabei ist es möglich, daß das FG bei seiner Berechnung zu keinem geringeren Einheitswert kommt, als er vom FA in seinem Bescheid vom 13. Oktober 1970 festgestellt worden ist. Dieses Verfahren wäre jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Denn das FG hat den angefochtenen Bescheid innerhalb der Grenzen des festgestellten Einheitswerts und des vom Steuerpflichtigen gestellten Antrags insgesamt auf seine Rechtmäßigkeit nachzuprüfen und ist nicht auf eine Überprüfung der vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte beschränkt.
Da das angefochtene Urteil den dargelegten Rechtsgrundsätzen nicht entspricht, war es aufzuheben, und die nicht spruchreife Sache war zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71777 |
BStBl II 1976, 283 |
BFHE 1976, 76 |