Entscheidungsstichwort (Thema)
Legalisierung des dauernden Wohnens durch öffentlich-rechtlichen Vertrag
Leitsatz (NV)
Ein Bauvorhaben, dessen Übereinstimmung mit dem Baurecht zwischen dem Eigenheimzulage beanspruchenden Steuerpflichtigen und der Bauordnungsbehörde streitig ist und dessen Nutzung zunächst untersagt wurde, kann durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 54 Satz 2, § 55 VwVfG zwischen der Bauordnungsbehörde und dem Steuerpflichtigen zur dauernden Nutzung zu Wohnzwecken legalisiert werden.
Normenkette
EigZulG §§ 2, 11; VwVfG §§ 54-55; NVwVfG § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete im Jahr 2005 auf dem (ehemals landwirtschaftlich genutzten) Grundstück ein Gebäude, das er mit seiner Familie selbst bewohnt.
Mit dem Gebäude hatte es baurechtlich folgende Bewandtnis: Der Kläger stellte im Dezember 2003 einen Bauantrag für den Neubau eines Einfamilienhauses. Der Landkreis erteilte ihm im Jahr 2004 eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben "Umbau einer Scheune zum Wohnhaus mit Garage". Im August 2006 erließ die Bauaufsichtsbehörde eine Nutzungsuntersagungsverfügung für das errichtete Objekt. Es sei festgestellt worden, dass die Baumaßnahme nicht entsprechend der Baugenehmigung durchgeführt worden und mit dem ursprünglich vorhandenen Scheunengebäude nicht vergleichbar sei. Im Oktober 2006 schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit der Baubehörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, wonach sich der Kläger verpflichtete, das errichtete Gebäude auf die Kubatur des Scheunengebäudes zurückzubauen. Nach Rückbau aufgrund der freigegebenen Pläne sollte der Landkreis die erlassene Nutzungsuntersagung aufheben und "das zurückgebaute Gebäude baurechtlich dulden, nicht aber genehmigen". Der Kläger baute entsprechend zurück und der Landkreis nahm die Nutzungsuntersagungsverfügung zurück.
Der Kläger beantragte im Jahr 2006 Eigenheimzulage ab dem Jahr 2005, die zunächst gewährt wurde (Bescheid ab 2005 über Eigenheimzulage vom 13. April 2006). Nach Bekanntwerden der baurechtlichen Umstände hob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 28. September 2006 den Bescheid über Eigenheimzulage nach § 11 Abs. 3 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) auf und forderte die gezahlte Eigenheimzulage zurück.
Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1935 veröffentlichten Urteil die Auffassung, es liege ein nicht förderbares, formell und materiell illegales Bauwerk vor. Daran ändere auch der öffentlich-rechtliche Vertrag nichts; denn danach dulde die Baubehörde lediglich das Vorhaben, was aber nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Dezember 2004 III B 156/03 (BFH/NV 2005, 512) nicht ausreiche.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf Verletzung von § 2 EigZulG stützt. Das Bauvorhaben, um das es hier gehe, sei nach seiner Korrektur seit Fertigstellung und Abnahme durch den Landkreis weder formell noch materiell illegal.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2007 und den Aufhebungsbescheid vom 28. September 2006 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das FG hat unzutreffend den Anspruch des Klägers auf Eigenheimzulage verneint. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage durch Verpflichtung des FA stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), Eigenheimzulage entsprechend dem aufgehobenen Bescheid festzusetzen.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Eigenheimzulage im begehrten Umfang; denn er hat mit der Wohnung im eigenen Haus, die keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist, ein nach § 2 EigZulG begünstigtes Objekt hergestellt.
Entgegen der Auffassung des FG scheitert die Wohnraumförderung im Streitfall nicht daran, dass der Kläger die Wohnung baurechtswidrig errichtet hatte (vgl. zu dieser Voraussetzung die BFH-Urteile vom 22. Januar 2004 III R 39/02, BFHE 205, 146, BStBl II 2004, 487, und vom 22. Januar 2004 III R 52/01, BFHE 205, 132, BStBl II 2004, 542, m.w.N.).
Zwar mag es sein, dass es zunächst dem materiellen Baurecht widersprach. Indes haben es der Kläger und der Landkreis als zuständige Bauaufsichtsbehörde durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag zur dauernden Nutzung zu Wohnzwecken im Sinne des Eigenheimzulagenrechts legalisiert. Wenn die Vertragsparteien in § 3 dieses Vertrages den Ausdruck "Duldung" verwenden, so ist dies darin begründet, dass keine nachträgliche Genehmigung erteilt werden sollte (s. Schreiben des Landkreises vom 26. September 2006).
Zu Unrecht setzt die Vorinstanz insoweit das vertraglich ausbedungene "Dulden" mit dem Hinnehmen eines nicht genehmigten Verhaltens durch eine Baubehörde gleich, wie es in dem vom BFH im Beschluss in BFH/NV 2005, 512 zugrunde liegenden Sachverhalt der Fall war (nämlich das dauernde Wohnen in einem Wochenendhaus).
Der Senat muss nicht entscheiden, ob und inwieweit das Bauvorhaben mit dem formellen und materiellen Baurecht übereinstimmt. Der Vertrag ist nicht nichtig; dazu führende Gründe gemäß § 59 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Damit bindet der Vertrag die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit bei ihrer Entscheidung über den Förderanspruch.
2. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif; der Klage ist stattzugeben. Da der Kläger Anspruch auf Eigenheimzulage im begehrten Umfang hat, ist sie gemäß § 11 Abs. 1 EigZulG wie in dem --durch den angefochtenen Bescheid aufgehobenen-- Bescheid ab 2005 über Eigenheimzulage vom 13. April 2006 festzusetzen. Der erkennende Senat darf sich aber nicht entsprechend des Antrags des Klägers darauf beschränken, den Aufhebungsbescheid aufzuheben (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 2007 IX R 21/05, BFH/NV 2007, 2077). Er verpflichtet deshalb das FA nach § 101 FGO, die Eigenheimzulage wie beantragt (und wie im aufgehobenen Bescheid geschehen) festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 2136763 |
BFH/NV 2009, 722 |