Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Gewerbesteuerpflicht der Werbeberater.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Gewerbesteuerpflicht 1951 des Beschwerdeführers (Bf.). Er ist bis zum Jahre 1950 nicht zur Gewerbesteuer herangezogen worden. Für die Jahre 1950 und 1951 erfolgte dann die Heranziehung des Bf. zur Gewerbesteuer, gegen die er für das Jahr 1951 Einspruch eingelegt hat.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte aus, der Beruf eines Werbeberaters gehöre nicht zu den "ähnlichen" Berufen im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), auch eine wissenschaftliche, künstlerische oder sonstige Tätigkeit im Sinne der genannten Bestimmungen liege nicht vor. Es gehöre zu den Aufgaben eines Werbefachmannes, daß ihm gewisse rechtliche, volkswirtschaftliche und andere wissenschaftlich erlernbare Fähigkeiten eigen seien. Das Schwergewicht liege aber auch hier in der Gestaltung der Werbemittel unter Berücksichtigung der Konjunktur und der Bedürfnisse der Firmen, für die die Werbemittel geschaffen würden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung habe die Tätigkeit des Werbeberaters als eine gewerbliche Tätigkeit angesehen, da sie nur einen Ausschnitt aus der gewerblichen Gesamttätigkeit des Auftraggebers darstelle. Das Gesamtbild der Tätigkeit und die Verkehrsauffassung seien entscheidend, nicht jedoch die Ansicht des Bf. oder seiner Berufsgruppe. Der Zweck seiner Tätigkeit sei vorwiegend ein gewerblicher, daran ändere auch die wissenschaftliche Vorbildung nichts. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs, betreffend die Gewerbesteuerpflicht der Schaufenstergestalter werde verwiesen (IV 608/53 U vom 26. Mai 1955, Slg. Bd. 61 S. 72, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 225). Ein Vergleich mit der Tätigkeit eines Anwalts, Wirtschaftsprüfers oder Buchsachverständigen sei nicht angängig. Das Ineinanderfließen künstlerischer und gewerblicher Tätigkeit sei zwar möglich, aber deshalb unbeachtlich, weil der eigenschöpferische Arbeitserfolg nur die Voraussetzung des gewerblichen Erfolges sei, also gewissermaßen gewerblichen Zwecken dienstbar gemacht werde. Für die Gewerbesteuer sei nicht die Künstlereigenschaft, sondern das Produkt, das geschaffen werde, entscheidend. Die Einholung eines Gutachtens über die Künstlereigenschaft des Bf. erübrige sich daher.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt der Bf. sein früheres Vorbringen und meint, die Werbeberater könnten steuerlich nicht einheitlich beurteilt werden, da sie nach Begabung, Vorbildung und Arbeitsweise untereinander vollkommen verschieden seien. Manche besäßen weder künstlerische Begabung noch übten sie eine künstlerische Tätigkeit aus. Seine, des Bf., Tätigkeit bestehe jedoch weder in der Anzeigenvermittlung noch in der Vervielfältigung oder im Verkauf von Entwürfen, sondern in der künstlerischen Gestaltung von Werbemitteln, Industrieprodukten und Warenpackungen. Jeder Entwurf sei einmalig und nur für die betreffende Firma brauchbar. Im Rahmen dieser Tätigkeit rage er selbst nach dem Urteil seiner Fachkollegen besonders hervor. Es könne nicht entscheidend sein, welchen Charakter das endgültige Produkt habe, denn sonst müßte man auch alle Architekten als gewerbesteuerpflichtig ansehen, da deren Erzeugnisse nur gewerblichen Zwecken dienten. Zwischen dem Entwurf und der Herstellung eines Gebrauchsgegenstandes müsse scharf unterschieden werden. Das Gewinnstreben sei hierbei ohne Bedeutung; fast alle Künstler arbeiteten, schon um leben zu können, mit Gewinnabsicht. Zu Unrecht begründe das Finanzgericht seine Entscheidung mit der Verkehrsauffassung. über diese bestimme nicht der Finanzbeamte, sondern die Auffassung der beteiligten Kreise. Von diesen werde aber die Tätigkeit des Bf. als künstlerisch anerkannt.
Auch die Finanzverwaltung teile offenbar diesen Standpunkt, wie sich aus einer Verfügung des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1953 und der Tatsache ergebe, daß auch in München nach Verhandlungen mit dem Bayerischen Finanzministerium eine Jury gebildet worden sei, die über die Künstlereigenschaft von Gebrauchsgraphikern entscheide. Zu Unrecht habe daher das Finanzgericht die Einholung eines Gutachtens über die Künstlereigenschaft des Bf. abgelehnt.
Der Bf. meint schließlich, sein Beruf sei deshalb nicht unter den in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG genannten Berufen aufgeführt worden, weil zur Zeit der Schaffung des EStG dieser Beruf noch selten und weithin unbekannt gewesen sei; die Werbung als wissenschaftliche Disziplin und künstlerische Form sei erst in den letzten drei Jahrzehnten entwickelt worden.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs, zuletzt zusammengefaßt im Urteil I 206/53 U vom 25. Oktober 1955 (Slg. Bd. 61 S. 484, BStBl 1955 III S. 386), hat daran festgehalten, daß die Tätigkeit des Werbeberaters nach typischer Betrachtungsweise in der Regel keine künstlerische Gestaltung erfordere, daß sie vielmehr als gewerblich selbst dann anzusehen sei, wenn es sich um einen sogenannten qualifizierten Werbeberater handle. Diese Beurteilung war jedoch auf den Regelfall beschränkt. Dies geht aus dem Gebrauch der Worte "im allgemeinen" und "grundsätzlich" in den Urteilen des Reichsfinanzhofs V 335/37 vom 9. Dezember 1938 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 373), VI 420/41 vom 10. Dezember 1941 (RStBl 1942 S. 78) und des Bundesfinanzhofs I 206/53 U vom 25. Oktober 1955 (a. a. O.) eindeutig hervor.
An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat grundsätzlich fest. Ausnahmen müssen sich auf solche Fälle beschränken, in denen bei Anlegung eines strengen Maßstabs unter dem Gesichtspunkt eigenschöpferischer Begabung und schöpferischer Gestaltung eigener Ideen eine künstlerische Tätigkeit anzuerkennen ist (Urteile des Reichsfinanzhofs VI 292/39 vom 24. Mai 1939 - RStBl 1939 S. 941 -, VI 363/42 vom 3. März 1943 - RStBl 1943 S. 411 -). Maßgebend ist die eigenschöpferische Begabung im Gegensatz zu der durch Schulung und übung erlernbaren handwerksmäßigen Fähigkeit. Die Schöpfungen müssen nach Inhalt, Form und Ziel künstlerisch gestaltet sein. Die Entwicklung der gerade auch für den Werbeberater wichtigen Phantasie allein genügt nicht (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs V 335/37 vom 9. Dezember 1938, a. a. O.). Andererseits erscheint es dem Senat nicht vertretbar, wenn das Finanzgericht im Anschluß an Vangerow (Steuer und Wirtschaft 1955 Spalte 748/749) und an das Urteil des Bundesfinanzhofs V 134/56 S vom 15. November 1956 (Slg. Bd. 64 S. 158, BStBl 1957 III S. 60) den Schluß zieht, daß für die Frage der Gewerbesteuerpflicht nicht die Künstlereigenschaft, sondern die endgültige Verwendung des Geschaffenen entscheidend sei und damit der Begriff der künstlerischen Tätigkeit objektiviert werden müsse. Das würde praktisch bedeuten, daß ein künstlerisch Schaffender nicht mehr als Künstler im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG anerkannt werden könnte, wenn - was für den Werbeberater nach der Art seines Berufs stets zutreffen wird - sein Erzeugnis auf dem gewerblichen Sektor der Wirtschaft Verwendung findet und sein Schaffen aus dieser Zielsetzung heraus erfolgt.
Nach der Auffassung des erkennenden Senats würde es allerdings an der künstlerischen Eigenschaft fehlen, wenn der Werbeberater die genauen Angaben oder die Grundgedanken für sein Werk von dem auftraggebenden Unternehmen erhielte und nur die praktische Ausgestaltung durchzuführen hätte (siehe auch Urteil des Reichsfinanzhofs VI 420/41 vom 10. Dezember 1941, a. a. O.). Entscheidend muß bleiben, ob es sich bei dem geschaffenen Werk um ein Erzeugnis eigenschöpferischen Denkens handelt oder nicht, während die endgültige Verwendung des Geschaffenen nicht als maßgebend angesehen werden kann (siehe auch Urteil des Reichsfinanzhofs VI 363/42 vom 3. März 1943, a. a. O.). In dieser Auffassung wird der Senat auch noch durch die steuerliche Behandlung der sich in ähnlicher Lage befindenden Gebrauchsgraphiker bestärkt. Nach einem Beschluß der Länderreferenten der Bundesrepublik, der in der Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main L 1400 A - 13 - St II 11 vom 12. August 1957 (Deutsche Steuer-Zeitung Eildienst 1957 Nr. 37 S. 396) seinen Niederschlag gefunden hat, sollen Gutachterkommissionen gebildet werden - in einigen Ländern sind solche bereits vorhanden -, die zu prüfen haben, ob die Gebrauchsgraphiker eine künstlerische Tätigkeit ausüben und damit von der Gewerbesteuer freizustellen sind. Auch die Erzeugnisse dieser Personen werden im Endergebnis unzweifelhaft zu gewerblichen Zwecken, in erster Linie zu Werbezwecken, verwendet. Es erscheint schwer vertretbar, bei Bejahung des künstlerischen Schaffens - diese Vorfrage bleibt natürlich vorab zu prüfen - bei Werbeberatern anders zu verfahren.
Nach alledem kommt es entscheidend darauf an, festzustellen, ob die Tätigkeit des Bf. als künstlerisch bezeichnet werden kann oder nicht. Diese Feststellung liegt im wesentlichen auf dem Gebiet der tatsächlichen Würdigung (siehe auch Urteil des Reichsfinanzhofs VI 420/41 vom 10. Dezember 1941, a. a. O.) und kann ohne Beurteilung durch fachlich dafür geeignete Stellen durch die Gerichte selbst kaum beantwortet werden. Der Bf. hat dem Senat zwar umfangreiches Bild- und Schriftmaterial vorgelegt, das jedoch eine abschließende Beurteilung nicht zuläßt. Es enthält nach Ansicht des Senats zum Teil wohl Entwürfe, denen ein eigenschöpferischer künstlerischer Charakter zuzusprechen sein wird, andererseits aber auch Arbeiten, denen dieser Charakter fehlt. Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden. Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das erneut, eventuell unter Hinzuziehung geeigneter Sachverständiger, zu prüfen hat, ob und inwieweit der Tätigkeit des Bf. künstlerischer Charakter zugesprochen werden kann. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, daß der Bf. allein ohne Mitarbeiter tätig wird. Falls die Arbeiten des Bf. als künstlerisch bezeichnet werden sollten, ist weiter zu beachten, daß eine Freistellung von der Gewerbesteuer nur dann erfolgen kann, wenn seine Tätigkeit hauptsächlich oder überwiegend als künstlerisch angesehen werden kann. Sollte neben einer rein künstlerischen auch eine als solche nicht zu beurteilende Tätigkeit, also eine gewerbliche Tätigkeit, ausgeübt werden, so müßte die Gesamttätigkeit als gewerblich angesprochen werden, da eine Aufspaltung der beruflichen Tätigkeit im vorliegenden Fall nicht möglich ist (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs VI 292/39 vom 24. Mai 1939, a. a. O., und Urteil des Bundesfinanzhofs I 206/53 U vom 25. Oktober 1955, a. a. O.).
Fundstellen
Haufe-Index 409022 |
BStBl III 1958, 182 |
BFHE 1958, 471 |
BFHE 66, 471 |