Leitsatz (amtlich)
Ist ein Patent am maßgebenden Bewertungsstichtag durch Nichtigkeitsklage angefochten, so muß dies bei der Ermittlung des gemeinen Werts berücksichtigt werden. Wenn die Bewertung auf der Grundlage von Ertragswertüberlegungen erfolgt, muß die Wertminderung durch das Prozeßrisiko auf Grund dieser Nichtigkeitsklage durch einen Abschlag ausgedrückt werden, soweit die Anfechtung nicht bereits zu einem Rückgang der Lizenzeinnahmen geführt hat.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 10
Tatbestand
Der Revisionskläger hat 1954 eine Erfindung zum Patent angemeldet, die er als Arbeitnehmer machte. Er schloß mit Wirkung vom 1. Juni 1957 mit seinem Arbeitgeber einen Lizenzvertrag, in dem die Zahlung von Stücklizenzen vereinbart wurde. Gegen das Patent des Revisionsklägers wurde im Juni 1960 von einem Unternehmen Nichtigkeitsklage erhoben. Der Abschluß dieses Verfahrens war am 1. Januar 1961 nicht abzusehen.
Das FA (Revisionsbeklagter) setzte bei der Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1961 die Erfindung des Revisionsklägers mit dem Kapitalwert von 233 905 DM an.
Der Einspruch hatte insofern Erfolg, als das FA den Kapitalwert des Patents zum 1. Januar 1961 auf 187 124 DM herabsetzte. Bei der Kapitalisierung ging es aufgrund der Reinerträge der Jahre 1959 bis 1963 von einem zukünftigen durchschnittlichen Jahresertrag von 28 000 DM aus und wendete auf diesen Betrag den einer achtjährigen Laufzeit entsprechenden Vervielfacher 6,683 der Hilistafel 2 zu § 15 Abs. 1 BewG an.
Das FG bewertete das Patent zum 1. Januar 1961 mit 131 750 DM. Es schied bei der Schätzung der zukünftigen Lizenzerträge die Einnahmen nach dem Veranlagungszeitpunkt aus und stellte fest, daß der Revisionskläger in den Jahren 1958 mit 1960 Reinerträge in Höhe von 19 746 DM, 26 283 DM und 34 085 DM hatte. Aufgrund dieser Erträge schätzte es die in der Zukunft im Durchschnitt der Jahre zu erwartenden Lizenzreineinnahmen auf jährlich 25 000 DM. Als voraussichtliche Restlaufzeit des Patents nach den Verhältnissen des Veranlagungszeitpunkts 1. Januar 1961 nahm das FG eine Zeitdauer von sechs Jahren an und wendete dementsprechend den Vervielfacher 5,27 der Hilfstafel 2 zu § 15 Abs. 1 BewG für die Kapitalisierung an.
Mit der Revision wird gerügt, das FG habe bei der Ermittlung des Werts des Patents bei der Kapitalisierung der Reinerträge nicht berücksichtigt, daß das Patent am maßgebenden Veranlagungszeitpunkt mit Nichtigkeitsklage angefochten war. Bei einem angefochtenen Patent müßte ein wesentlich geringerer Vervielfacher als der einer Laufzeit von sechs Jahren entsprechende angewendet werden. Das FG habe aber auch die nach den Verhältnissen vom 1. Januar 1961 in Zukunft zu erwartenden Erträge zu hoch veranschlagt, denn es müsse bei seiner Schätzung von einer steigenden Tendenz der Lizenzeinnahmen ausgegangen sein, weil Reineinnahmen in Höhe von 25 000 DM in den folgenden Jahren nicht mehr erzielt worden seien. Die Annahme einer steigenden Tendenz aufgrund der Erträge der Jahre 1958 mit 1960 sei im Hinblick auf die Anfechtung des Patents aber nicht gerechtfertigt.
Der Revisionskläger beantragt, bei der Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1961 den Wert des Patents mit 34 351 DM anzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Die patentierte Erfindung des Revisionsklägers ist nach § 67 Abs. 1 Nr. 5 BewG in der am 1. Januar 1961 maßgebenden Fassung sonstiges Vermögen. Die Tatsache, daß die Erfindung "im Eigentum" des Erfinders selbst stand, schließt die Behandlung als sonstiges Vermögen nicht aus, weil sich die Ausnahme des damaligen § 67 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 BewG nur auf nichtgeschützte Erfindungen, dagegen nicht auf Patente bezieht.
2. Die Erfindung des Revisionsklägers ist nach § 10 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Dieser wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Erfindungen sind untereinander regelmäßig nicht vergleichbar. Deshalb hat der für eine bestimmte Erfindung erzielte Veräußerungspreis keinen Aussagewert für den gemeinen Wert einer anderen Erfindung. Außerdem sind Veräußerungsfälle von Patenten, sei es einzeln oder im Rahmen der Veräußerung eines Unternehmens, im Verhältnis zur Zahl der laufenden Patente selten. Damit läßt sich der Wert lizenzierter Erfindungen nicht unmittelbar aus einem Veräußerungspreis ableiten, sondern muß entsprechend dem Sinn des § 10 BewG aufgrund von Ertragswertüberlegungen durch Kapitalisierung der Reinerträge ermittelt werden. Das FG hat deshalb zu Recht den gemeinen Wert der Patente des Revisionsklägers durch Kapitalisierung der Lizenzeinnahmen bestimmt. Es ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß eine Erfindung, wie der Senat im Urteil III 58/62 vom 4. März 1966 (BFH 86, 72, BStBl III 1966, 348) entschieden hat, durch die Lizenzierung nicht zu einem Recht auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen im Sinn des § 67 Abs. 1 Nr. 4 BewG wird. Das FG hat jedoch verkannt, daß damit die Vorschrift des § 15 BewG für die Wertermittlung nicht als verbindlich betrachtet werden kann. Denn die Kapitalisierung der Reinerträge einer lizenzierten Erfindung ist nur ein Hilfsmaßstab, um Rückschlüsse auf den gemeinen Wert dieser Erfindung ziehen zu können. Wegen der Einzelheiten der Bewertung lizenzierter Erfindungen auf der Grundlage von Ertragswertüberlegungen wird auf das Urteil des BFH III R 75/66 vom 20. Februar 1970 (BFH 98, 553, BStBl II 1970, 484) Bezug genommen.
3. Das FG hat die mutmaßliche Restlaufzeit der patentierten Erfindung des Revisionsklägers nach den Verhältnissen vom Veranlagungszeitpunkt 1. Januar 1961 auf sechs Jahre geschätzt. Diese Schätzung liegt im Bereich der Tatsachenfeststellungen. Der Senat kann sie deshalb nur daraufhin überprüfen, ob sie möglich war. Der vom Revisionskläger vorgebrachte Einwand, die Restlaufzeit sei im Hinblick auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren zu hoch veranschlagt, vermag die Schätzung des FG nicht zu erschüttern, weil die Tatsache der Anfechtung des Patents entweder in der Höhe der Lizenz zum Ausdruck kommt, oder wenn das nicht der Fall ist, durch einen besonderen Abschlag vom Patentwert berücksichtigt werden muß. Denn die Nichtigkeitsklage berührt nicht die voraussichtliche Laufzeit des Patents, weil im Falle der Nichtigkeitserklärung der Patentschutz mit rückwirkender Kraft entfällt (Benkard, Patentgesetz, 5. Aufl., § 13 Anm. 1). Auch im übrigen sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze begründen könnten.
Der vom FG angenommenen Restlaufzeit von sechs Jahren entspricht unter Anwendung obiger Grundsätze ein Vervielfacher von 4,05.
4. Durch die Ermittlung des gemeinen Werts einer patentierten Erfindung nach vorstehenden Grundsätzen wird lediglich das Risiko abgegolten, daß das Patent technisch überholt und damit ertraglos werden könnte. Dagegen wird die Wertminderung aufgrund einer am Stichtag gegen das Patent anhängigen Nichtigkeitsklage nicht berücksichtigt. Soweit sich dieses Risiko nicht in einem Rückgang der Lizenzeinnahmen ausdrückt, muß es durch einen besonderen Abschlag von dem nach obigen Grundsätzen ermittelten Wert in Rechnung gestellt werden. Im Falle einer Nichtigkeitsklage, die, wie im Entscheidungsfall, erst im Jahr vor dem Veranlagungszeitpunkt erhoben wurde, kann sich die Wertminderung aufgrund des Prozeßrisikos in den Lizenzeinnahmen noch nicht ausdrücken; damit bedarf es in diesem Fall zur Berücksichtigung dieser Wertminderung eines Abschlags.
Das FG hat festgestellt, die Lizenzeinnahmen seien im Fall einer Nichtigkeitsklage gegen das Patent des Revisionsklägers zur Hälfte auf Sperrkonto zu zahlen und verfielen zugunsten des Linzenznehmers, falls das Patent für nichtig erklärt werden sollte. Diese Feststellung erscheint dem Senat geeignet, für die Schätzung der Wertminderung des Patents durch das Prozeßrisiko auf Grund des im Veranlagungszeitpunkt 1. Januar 1961 schwebenden Nichtigkeitsverfahrens mit herangezogen zu werden.
5. Die Sache ist nicht spruchreif, weil die Tatsachenfeststellungen des FG nicht ausreichen, um die Bewertung des Patents und damit die Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1961 abschließend durchführen zu können. Die Schätzung der Wertminderung des Patents infolge der anhängigen Nichtigkeitsklage ist eine vom FG zu treffende tatsächliche Feststellung, die dem Revisionsgericht verwehrt ist (§ 118 FGO). Die Sache geht deshalb zur erneuten Entscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 69071 |
BStBl II 1970, 636 |
BFHE 1970, 313 |