Leitsatz (amtlich)
Hat der Kunde einer Hypothekenbank bei Nichtabnahme des Hypothekendarlehens, bei dessen vorzeitiger Rückzahlung oder bei Widerruf einer Darlehenszusage oder Rückforderung des Darlehens als Folge bestimmter, vom Kunden zu vertretender Ereignisse im voraus festgelegte Beträge zu zahlen, handelt es sich - soweit nicht ohnehin Schadensersatz vorliegt - um Entgelt für nach § 4 Nr. 8 UStG 1951 (UStG 1967) steuerfreie Leistungen.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 8; UStG 1967 § 4 Nr. 8
Tatbestand
Die Klägerin vergibt als Hypothekenbank Hypotheken- und Kommunaldarlehen. Die dafür erforderlichen Gelder bezieht sie aus dem Verkauf von Pfandbriefen und Kommunalobligationen. Soweit sie Hypothekendarlehen gewährt, schließt sie mit dem Kreditkunden zunächst einen formularmäßigen Darlehensvorvertrag, der eine Darlehenszusage enthält und den Kreditkunden zur Abnahme des Darlehens verpflichtet. Für die Zeit bis zur Auszahlung des Darlehens hat der Kunde Bereitstellungszinsen zu entrichten. Die Bank ist gemäß Nr. XI der Darlehensvorverträge berechtigt, die Darlehenszusage ganz oder teilweise zu widerrufen und ausgezahlte Darlehensbeträge zurückzufordern, wenn auf seiten des Kreditkunden ein die vertragsgemäße Abwicklung des Kreditverhältnisses hinderndes Ereignis eintritt oder der Kreditkunde das Darlehen nicht abnimmt. In diesen Fällen hat der Kreditkunde unbeschadet der übernommenen Zahlungsverpflichtungen und etwaiger weiterer Ersatzansprüche der Bank eine als Nichtabnahmeentschädigung bezeichnete Gebühr von 1 v. H. der widerrufenen Darlehenssumme zu zahlen.
Die Darlehensvorverträge enthalten sodann sinngemäß folgende Bestimmung (Nr. 3 der von der Klägerin zugrunde gelegten "Allgemeine Bedingungen für Tilgungshypotheken"): Wird das Darlehen vor Ablauf der festgelegten Mindestlaufzeit fällig, so ist im Falle der Rückzahlung für die Zeit von der Fälligkeit bis zum Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Mindestlaufzeit ein als Vorfälligkeitsentschädigung bezeichneter Betrag von jährlich 1/2 v. H. - insgesamt jedoch von höchstens 2 1/2 v. H. - des ursprünglichen Darlehensbetrages an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin, die ihre Umsätze nach allgemeinen Grundsätzen versteuert, vertritt den Standpunkt, die genannten als Entschädigungen bezeichneten Beträge stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kreditgeschäft und seien entweder Entgelt für eine Kreditgewährung i. S. des § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1951) oder stellten pauschalierten Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder positiver Vertragsverletzung dar. Umsatzsteuer werde in keinem Falle ausgelöst.
Demgegenüber ist das Finanzamt der Ansicht, die Beträge würden steuerpflichtige Leistungen abgelten. Es hat daher die Bemessungsgrundlage um diese Beträge erhöht und die Umsatzsteuer durch Bescheide vom 27. Februar 1970 gegen die Klägerin wie folgt festgesetzt (Mehrsteuern in Klammern):
1961 20 244,00 DM (3 155,45 DM)
1962 25 403,00 DM (3 846,35 DM)
1963 21 876,70 DM (3 192,90 DM)
1964 12 283,85 DM (1 218,85 DM)
1965 19 661,30 DM (2 716,30 DM)
1966 22 915,00 DM (2 038,05 DM)
1967 16 095,20 DM (1 315,20 DM)
Für die Jahre 1961 bis 1965 handelt es sich dabei um berichtigte Steuerfestsetzungen gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO a. F.), für das Jahr 1966 um einen Bescheid gemäß § 225 AO a. F. und für das Jahr 1967 um die erstmalige Veranlagung.
Der Einspruch der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Mit der Klage hat die Klägerin weiterhin geltend gemacht, die als Entschädigungen bezeichneten Beträge seien nicht in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer einzubeziehen.
Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Berichtigungsbescheide für 1961 bis 1966 aufgehoben und die Umsatzsteuer für 1966 und 1967 auf 20 876,95 DM bzw. 14 780 DM anderweitig festgesetzt. Nach seiner Auffassung werden die Beträge, sofern das Darlehen noch nicht ausbezahlt war, für eine Kreditzusage oder aber, falls das Darlehen bereits vergeben worden war, zur Anpassung an die geänderte Mindestlaufzeit gezahlt. Wirtschaftlich betrachtet bildeten sämtliche Zahlungen der Bankkunden die Gegenleistung für den einheitlichen Vorgang der Kreditgewährung, auch wenn es vorzeitig zur Beendigung der Vertragsbeziehungen komme. Mit den als Entschädigungen bezeichneten Beträgen werde kein selbständiger wirtschaftlicher Zweck verfolgt. Sie ließen sich nicht dergestalt verselbständigen, daß in ihnen ein Entgelt für die Entlassung aus den Kreditverträgen gesehen werden könnte.
Mit der Revision rügt das Finanzamt (Beklagter) Verletzung der §§ 1 Nr. 1 und 4 Nr. 8 UStG 1951. Nach seiner Meinung stellen beide sog. Entschädigungen ein Entgelt für die vorzeitige Entlassung aus dem Vertragsverhältnis dar. Sie seien deshalb kein Entgelt für eine Kreditgewährung, sondern im Gegenteil für die Beendigung des Kreditverhältnisses. Bei länger dauernden Vertragsverhältnissen sei anerkannt, daß eine steuerpflichtige Leistung vorliege, wenn einer der Beteiligten vorzeitig gegen Entgelt von seinen Vertragspflichten entbunden werde. Dies gelte nicht nur für Miet- oder Dienstverträge, sondern auch für Verträge über eine Kreditgewährung oder Kreditbereitschaft.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Die hier maßgebenden Zahlungen der Kreditkunden stellen, soweit es sich nicht um Schadensersatz handelt, Entgelte für steuerfreie Leistungen der Klägerin im Rahmen einer Kreditgewährung dar (§ 1 Nr. 1, § 4 Nr. 8 UStG 1951). Dabei sind drei Fallgruppen zu unterscheiden: Erwirkt ein Kreditnehmer nach Erhalt der Darlehenssumme das Einverständnis der Klägerin zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens, hat er den von den Beteiligten als Vorfälligkeitsentschädigung bezeichneten Betrag zu zahlen (a). Verweigert der Kreditkunde bereits die Abnahme des vereinbarten Darlehens, muß er die in Nr. XI des Darlehensvorvertrages festgelegte sog. Nichtabnahmeentschädigung von 1 v. H. der vorgesehenen Darlehenssumme entrichten (b). Kommt es schließlich in seinem Bereich zu einem anderweitigen, die Durchführung des Vertrages beeinträchtigenden Ereignis mit der Folge, daß die Klägerin vor Auszahlung des Kredits die Darlehenszusage widerrufen und nach Auszahlung des Kredits das Darlehen zurückfordern kann, hat der Kreditnehmer die sog. Nichtabnahmeentschädigung und ggf. zusätzlich den als Vorfälligkeitsentschädigung bezeichneten Betrag zu entrichten (c).
a) Einigen sich der Kreditnehmer und die Klägerin über die vorzeitige Rückzahlung eines bereits ausbezahlten Darlehens, liegt darin die einvernehmliche Umgestaltung des ursprünglichen Kreditverhältnisses, indem die Mindestlaufzeit des Darlehens verkürzt wird. Die Verkürzung der Mindestlaufzeit bedingt eine Anpassung des bis dahin gezahlten, auf der Grundlage der zunächst vereinbarten Laufzeit kalkulierten Entgelts, um der Klägerin bei nicht oder nur wenig verringerten eigenen Kosten trotz der kürzeren Laufzeit noch einen Ertrag zu ermöglichen. Die Angleichung des Entgelts wird dadurch erreicht, daß die bereits entrichteten Zinsen um die sog. Vorfälligkeitsentschädigung aufgestockt werden. Die Wechselbeziehung zwischen dem derart angepaßten Entgelt und der Kreditgewährung bleibt gewahrt. Eine zusätzliche, neben die ursprüngliche Kreditgewährung tretende Leistung der Klägerin ist mit der Umgestaltung des Vertrages nicht verbunden. Die von den Beteiligten als Vorfälligkeitsentschädigungen bezeichneten Beträge sind daher in diesen Fällen nicht Entgelt für eine vorzeitige Entlassung aus dem Kreditverhältnis, sondern wie die ursprünglich ausgehandelten Zinsen Entgelt für eine nach § 4 Nr. 8 UStG 1951 steuerfreie Kreditgewährung.
b) Verweigert der Kreditkunde bereits die Abnahme des Kredits, erweisen sich die bis zum Zeitpunkt der Weigerung entfalteten Bemühungen der Klägerin um die Kreditvergabe (Prüfung der Kreditunterlagen, Schätzung der zu beleihenden Objekte, Mittelbeschaffung) als nutzlos. Die dabei angefallenen Kosten können, soweit sie nicht anderweitig - etwa durch die Bereitstellungszinsen - gedeckt sind, nicht mehr über die vereinbarten Darlehenszinsen auf den Kunden abgewälzt werden. Um gleichwohl eine ausreichende Vergütung für ihre bereits entfaltete Tätigkeit zu erhalten, verlangt die Klägerin die in Nr. XI der Darlehensvorverträge ausbedungenen Beträge. Die von den Beteiligten als Nichtabnahmeentschädigung bezeichneten Zahlungen sollen folglich die schon erbrachten Leistungen der Klägerin abgelten. Diese Leistungen sind bei vertragsgemäßem Verlauf Nebenleistungen der nachfolgenden Kreditgewährung und damit gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1951 steuerfrei (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 30. August 1962 V 29/60 U, BFHE 75, 764, BStBl III 1962, 544, sowie vom 9. Juli 1970 V R 32/70, BFHE 99, 325, BStBl II 1970, 645). Die Steuerfreiheit dieser Leistungen geht nicht dadurch verloren, daß es zu der beabsichtigten Auszahlung des Darlehens nicht gekommen ist. Die Leistungen behalten trotz der unterbliebenen Hauptleistung ihren die eigentliche Kreditgewährung vorbereitenden und diese fördernden Charakter, ohne daß ihnen nach dem Scheitern der Kreditgewährung von den Beteiligten ein selbständiger wirtschaftlicher Wert zugemessen würde. Sie bleiben auch für sich betrachtet Leistungen, die auf eine Kreditgewährung angelegt waren, weil sie unabdingbare Voraussetzungen für die Auszahlung eines Hypothekendarlehens schaffen sollten. Infolgedessen fallen sie auch für sich allein unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 UStG 1951.
c) Tritt abgesehen von dem unter b) behandelten Fall der Nichtabnahme des Darlehens vor oder nach dessen Auszahlung ein Ereignis ein, das die vertragsgemäße Abwicklung des Kreditverhältnisses gefährdet oder verhindert und das die Klägerin zum Widerruf der Darlehenszusage bzw. zur Rückforderung des Darlehens berechtigt und veranlaßt, sind die dadurch ausgelösten, im voraus vereinbarten Zahlungen, soweit sie nicht ohnehin echten Schadensersatz darstellen, ebenfalls Entgelt für steuerfreie Leistungen der Klägerin. Soweit diesen Zahlungen überhaupt Leistungen der Klägerin gegenüberstehen, können es nur die bis zum Widerruf der Darlehenszusage oder bis zur Rückforderung des Darlehens von der Klägerin bereits erbrachten sonstigen Leistungen sein. Sie bestanden entweder in der Überlassung des Kapitals zur Nutzung, und damit in der eigentlichen Kreditgewährung, oder aber in den schon zu b) gekennzeichneten Tätigkeiten. Beides fällt unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 UStG 1951, wobei für die im Vorfeld der Kreditgewährung erbrachten und mit dieser notwendigerweise zusammenhängenden Leistungen auf die zu b) gegebene Begründung verwiesen werden kann. Die gegenteilige Ansicht des Finanzamts, die Klägerin entlasse den Kreditkunden gegen Entgelt aus seinen vertraglichen Bindungen und erbringe folglich eine eigenständige sonstige Leistung, ist schon deshalb unzutreffend, weil sich die Klägerin in den hier anstehenden Fällen wegen aufgetretener Vertragsstörungen einseitig aus dem Vertrag löst.
Da somit die als Entschädigung bezeichneten Zahlungen der Kreditkunden nur steuerfreie Leistungen der Klägerin abgelten, war die Revision des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1980, 538 |
BFHE 1980, 435 |