Leitsatz (amtlich)
1. Bescheinigt das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft die Förderungswürdigkeit eines Investitionsvorhabens mit der Einschränkung, daß nur die ab einem bestimmten Zeitpunkt angefallenen Investitionskosten als begünstigt anzuerkennen sind, so sind die Finanzverwaltungsbehörden an diesen Zusatz nicht gebunden.
2. Erstreckt sich die Errichtung einer Betriebstätte über die Jahre von 1971 bis 1975, so ist bezüglich der Verbleibregelung das (günstigere) InvZulG 1969 nur anwendbar, wenn der Investitionsort bereits vor dem 19.Februar 1973 zum Fördergebiet gehörte.
Normenkette
InvZulG 1975 §§ 1-2, 8 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete in den Jahren 1971 bis 1975 in A, Kreis B, ein Kurmittelhaus und ein Bürogebäude. Der Badebetrieb wurde im Jahre 1975 aufgenommen; noch in demselben Jahr wurden die Grundstücke mit den Gebäuden zwangsversteigert.
Am 15.März 1974 stellte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) einen Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 1 Abs.1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) für Teilherstellungskosten des Jahres 1973.
Bereits am 6.Dezember 1973 hatte sie beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft beantragt, das Investitionsvorhaben als volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig anzuerkennen. Der Antrag wurde jedoch mit Bescheid vom 12.September 1974 mit der Begründung abgelehnt, daß der Investitionsort A nicht zu den förderungsbedürftigen Gebieten gehöre. Auf ihren Widerspruch wurde der Klägerin mit erneutem Bescheid vom 16.Februar 1977 die Bescheinigung erteilt. Der Grund für die geänderte Rechtsauffassung des Bundesamts für gewerbliche Wirtschaft war, daß A inzwischen mit Wirkung vom 1.Januar 1975 als zum Fördergebiet gehörig anerkannt worden war. Die Bescheinigung enthält im Zusammenhang mit dem von der Klägerin auf ... DM bezifferten Investitionsvolumen folgenden einschränkenden Zusatz:
"Die volkswirtschaftlich besondere Förderungswürdigkeit
kann nur für die ab dem 1.Januar 1975 angeschafften bzw.
hergestellten Wirtschaftsgüter, Gebäudeteile, Ausbauten und
Erweiterungen bescheinigt werden, da der Investitionsort
... A erst ab diesem Stichtag nach der Förderungsgebiets-
und Fremdenverkehrsgebietsverordnung vom
23.Januar 1976 (BGBl I S. 177) zu den förderungsbedürftigen
Gebieten im Sinne des § 3 Abs.1 Nr.3 InvZulG 1975 bzw. zu
den Fremdenverkehrsgebieten im Sinne des § 3 Abs.2 InvZulG
1975 gehört."
Im Hinblick auf diese Einschränkung lehnte das FA den Antrag auf Investitionszulage mit Bescheid vom 25.Mai 1977 ab. Bei dieser Entscheidung blieb das FA auch in seiner Einspruchsentscheidung, nachdem das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft auf Anfrage mit Schreiben vom 12.Juli 1977 bestätigt hatte, daß die vor dem 1.Januar 1975 angefallenen Investitionskosten nicht begünstigt seien. Die Klage hatte aus dem gleichen Grund keinen Erfolg.
Mit der Revision beantragt die Klägerin sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Bescheides vom 25.Mai 1977 eine Investitionszulage von ... DM festzusetzen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Begehren der Klägerin scheitert an der im InvZulG 1975 für die von ihr angeschafften und hergestellten Wirtschaftsgüter vorgesehenen dreijährigen Bindungsfrist.
1. Mit dem Antrag vom 15.März 1974 begehrt die Klägerin eine Investitionszulage für Teilherstellungskosten des Jahres 1973. Dagegen könnten Bedenken bestehen, weil der Investitionsort A weder im Jahre 1973 noch im Zeitpunkt der Antragstellung zum Fördergebiet gehörte. Diese Voraussetzung war erst mit Wirkung vom 1.Januar 1975 erfüllt. Der Senat hält den Antrag trotzdem nicht bereits aus diesem Grunde für unbegründet. Denn einmal dürfte es vertretbar sein, für Anzahlungen und Teilherstellungskosten einen vorzeitig gestellten Antrag dann zuzulassen, wenn letztlich feststeht, daß das Investitionsvorhaben als solches im Zeitpunkt seiner Fertigstellung zulagebegünstigt ist. Zum anderen kann der Antrag vom 15.März 1974 als vorzeitig gestellter Antrag für das ganze Investitionsvorhaben angesehen werden. Der Senat hat in der Vergangenheit das Investitionszulagengesetz insoweit großzügig ausgelegt und es zugelassen, daß Anträge auch vorzeitig gestellt werden können. Er hat es im übrigen genügen lassen, daß in dem Zulageantrag das Investitionsvorhaben nach Art und Ort ausreichend bezeichnet ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhof --BFH-- vom 25.Februar 1977 III R 90/76, BFHE 122, 207, BStBl II 1977, 782, und vom 30.März 1979 III R 104/75, BFHE 127, 482, BStBl II 1979, 448). Diesem Erfordernis wird der Antrag der Klägerin vom 15.März 1974 gerecht.
2. Der Streitfall ist --was die zulagerechtliche Beurteilung angeht-- nach dem InvZulG in der Fassung vom 24.Februar 1975 zu beurteilen. Das ergibt sich aus dessen § 8 Abs.1, wonach diese Gesetzesfassung (vorbehaltlich der Abs.2 bis 4) erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden ist, das nach dem 31.Dezember 1974 endet. Wie sich aus § 1 Abs.1 InvZulG 1975 ergibt, ist damit das Wirtschaftsjahr gemeint, in dem die Betriebstätte errichtet (fertiggestellt) wird und in dem die damit in Zusammenhang stehenden Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt, d.h. gemäß § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) geliefert oder fertiggestellt werden. Diese Vorgänge fallen hier nach den Feststellungen des FG in das Jahr 1975. Die Absätze 2 bis 4, deren Anwendung in § 8 Abs.1 InvZulG 1975 vorbehalten ist, kommen hier nicht zur Anwendung, wie in anderem Zusammenhang noch darzulegen sein wird.
Für die Erteilung der Bescheinigung kann dagegen eine frühere Fassung des InvZulG in Betracht kommen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 7.Mai 1975 VII C 37,38/73, abgedruckt in Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Investitionszulagengesetz 1969, § 1, Rechtsspruch 3). Das hängt damit zusammen, daß in der Regel die Bescheinigung bereits zu Beginn des Investitionsvorhaben, die Zulage dagegen an dessen Ende beantragt wird. So wird nach § 5 Abs.3 die Zulage nach Ablauf des Kalenderjahres gewährt, in dem das Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird, während nach § 2 Abs.3 die Bescheinigung nur für Investitionsvorhaben erteilt werden darf, die nach Lage, Art und Umfang hinreichend bestimmt sind.
3. Nach § 1 InvZulG 1975 erhalten Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) für ein im Zusammenhang mit der Errichtung einer Betriebstätte durchgeführtes Investitionsvorhaben eine Investitionszulage, wenn sie durch eine Bescheinigung des Bundesamts für gewerbliche Wirtschaft nachweisen, daß die Betriebstätte in einem förderungsbedürftigen Gebiet errichtet wird und daß die Errichtung volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist und den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung entspricht. Die Bescheinigung ist eine materielle Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage. An ihren Inhalt sind die Finanzverwaltungsbehörden gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 29.August 1986 III R 71/82, BFHE 147, 572, BStBl II 1986, 920).
Diese Bindung gilt allerdings nur, soweit die Wirtschaftsbehörde im Rahmen ihrer Sachkompetenz geblieben ist. Sind in der Bescheinigung Fragen entschieden, die in die Regelungskompetenz der Finanzverwaltungsbehörden fallen, so sind diese insoweit an die Bescheinigung nicht gebunden. Streitig ist in diesem Zusammenhang zwischen den Verfahrensbeteiligten, welche Tragweite dem von der Wirtschaftsbehörde in der Bescheinigung vom 16.Februar 1977 gemachten einschränkenden Zusatz zukommt.
Der Wortlaut der Bescheinigung, der von nach dem 1.Januar 1975 hergestellten Wirtschaftsgütern spricht, ist mißglückt. Aus dem Gesamtinhalt der Bescheinigung ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, daß die Wirtschaftsbehörde mit ihrem Zusatz alle Investitionskosten von der Förderung ausschließen wollte, die vor dem 1.Januar 1975 angefallen waren. Dazu gehörten alle von der Klägerin in ihrem Antrag vom 15.März 1974 geltend gemachten Herstellungskosten. Eine Einschränkung mit diesem Inhalt bindet aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz das FA nicht, weil sich die Wirtschaftsbehörde damit nicht innerhalb ihrer Sachkompetenz gehalten hat.
Nach dem Gesetzeswortlaut des § 1 Abs.1 InvZulG 1975 hat sich die Bescheinigung grundsätzlich auf die Betriebstätte als solche zu beziehen. Die Beurteilung der mit der Betriebstättenerrichtung angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter obliegt dagegen dem FA. Der Senat hält es zwar für möglich, daß die Wirtschaftsbehörde von ihrer Aufgabenstellung her berechtigt ist, innerhalb eines geplanten Investitionsvorhabens einen bestimmten Komplex (z.B. ein Gebäude oder bestimmte Betriebsvorrichtungen) von der Förderung auszunehmen. So liegt der Fall hier aber nicht. In der Bescheinigung wird das Investitionsvorhaben vielmehr in zwei zeitliche Abschnitte zerlegt. Es wird auf den Zeitpunkt abgestellt, zu dem für die einzelnen Wirtschaftsgüter Anschaffungs- oder Herstellungskosten angefallen sind. Hierbei handelt es sich aber nicht mehr um eine Frage, welche die Förderungswürdigkeit der Betriebstätte betrifft. Es sind vielmehr Fragen zu entscheiden, die sich im Zusammenhang mit der Beurteilung der angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter ergeben, nämlich inwieweit Wirtschaftsgüter in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung einer Betriebstätte stehen. Dafür sind aber die FÄ zuständig.
4. Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, daß das Investitionsvorhaben der Klägerin 1971 begonnen und 1975 beendet wurde, daß A aber erst ab dem 1.Januar 1975 die Eigenschaft als Förderort zuerkannt wurde. Das InvZulG 1975 enthält für eine solche Fallgestaltung keine Regelung. Es spricht jedoch viel dafür, insoweit die Regelung im InvZulG 1969, mit dem erstmals die Regionalförderung eingeführt wurde und die gesamten förderungsbedürftigen Gebiete erstmals in den Genuß der Investitionszulage kamen, auf das InvZulG 1975 zu übertragen. Das hätte zur Folge, daß die Klägerin Anspruch auf eine Investitionszulage auch für Gebäude hätte, mit deren Errichtung sie vor dem 1.Januar 1975 begonnen hat, die jedoch erst nach diesem Zeitpunkt fertiggestellt wurden. Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil die Revision unter einem anderen Gesichtspunkt keinen Erfolg hat.
5. Die Gewährung der Zulage kommt letztlich nicht in Betracht, weil die Wirtschaftsgüter bereits im Jahre 1975 im Wege der Zwangsversteigerung veräußert wurden. Nach § 1 Abs.3 InvZulG 1975 wird eine Investitionszulage nur gewährt, wenn bewegliche Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in der Betriebstätte des Investors verbleiben und wenn unbewegliche Wirtschaftsgüter (insbesondere Gebäude) während des gleichen Zeitraums von Steuerpflichtigen mindestens zu 90 v.H. zu eigengewerblichen Zwecken verwendet werden (vgl. BFH-Urteil vom 25.Oktober 1985 III R 79/82, BFHE 145, 479, BStBl II 1986, 150). Diese Voraussetzung ist durch die Zwangsversteigerung im Oktober 1975 entfallen. Allerdings hat der Senat für den Geltungsbereich des InvZulG 1969 von dem dreijährigen Verbleiben in der Betriebstätte des Investors eine Ausnahme gemacht und Veräußerungen und Verpachtungen zugelassen unter der Voraussetzung, daß die Betriebstätte vom Erwerber oder Pächter unverändert fortgeführt wird. Die Klägerin verweist insoweit zutreffend auf die Senatsurteile vom 8.Oktober 1976 III R 162/73 (BFHE 120, 438, BStBl II 1977, 168) und III R 87/75 (BFHE 120, 444, BStBl II 1977, 171). In seinem Urteil vom 5.November 1976 III R 66-67/75 (BFHE 121, 266, BStBl II 1977, 363) hat es der Senat für unbewegliche Wirtschaftsgüter sogar genügen lassen, daß sie in dem Fördergebiet errichtet wurden. Eine dreijährige Bindung an eine Betriebstätte wurde nicht verlangt. Die Klägerin kann sich auf diese Urteile jedoch nicht berufen, denn entgegen ihrer Auffassung findet das InvZulG 1969 auf die von ihr hergestellten Wirtschaftsgüter (hauptsächlich Gebäude) keine Anwendung.
Zwar ist gemäß § 8 Abs.2 Nr.1 InvZulG 1975 die Regelung des § 1 InvZulG 1969 weiter anzuwenden auf Wirtschaftsgüter, Ausbauten und Erweiterungen, die nachweislich vor dem 19.Februar 1973 bestellt worden sind oder mit deren Herstellung vor diesem Zeitpunkt begonnen worden ist. Mit den von der Klägerin errichteten Gebäuden ist 1971 begonnen worden. Die Übergangsregelung des § 8 Abs.2 Nr.1 InvZulG 1975 (so auch schon § 8 Abs.2 Nr.1 InvZulG 1973) trägt dem Gesichtspunkt Rechnung, daß sich ein Investitionsvorhaben über mehrere Jahre erstrecken kann. Ihr liegt aber unausgesprochen die Voraussetzung zugrunde, daß der Investitionsort auch schon vor dem 19.Februar 1973 als förderungswürdig anerkannt war. Denn die Übergangsregelung ist Ausdruck des Vertrauensschutzes. So beläuft sich z.B. die Investitionszulage nach § 1 Abs.4 InvZulG 1973 und 1975 nur auf 7,5 v.H. der Bemessungsgrundlage, während sie nach § 1 Abs.1 InvZulG 1969 noch 10 v.H. betrug. Durch die Übergangsregelung des § 8 Abs.2 Nr.1 InvZulG 1973 und 1975 soll das Vertrauen von Investoren in den höheren Zulagesatz für Investitionen geschützt werden, mit denen vor dem 19.Februar 1973 begonnen worden ist. Ein solcher Vertrauensschutz kommt jedoch zwangsläufig nur für Investitionen in Betracht, die vor dem 19.Februar 1973 überhaupt begünstigt waren. Das waren die Investitionen der Klägerin jedoch nicht. Denn als die Klägerin 1971 mit ihrem Investitionsvorhaben begann, konnte sie mit einer Investitionszulage überhaupt nicht rechnen, weil seinerzeit A noch nicht als förderungswürdig anerkannt war.
Fundstellen
Haufe-Index 61538 |
BStBl II 1987, 506 |
BFHE 149, 371 |
BFHE 1987, 371 |
BB 1987, 1589 |
BB 1987, 1589-1590 (ST) |
DB 1987, 1667-1668 (ST) |
DStR 1987, 519-519 (ST) |
HFR 1987, 465-466 (ST) |