Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen der sachlichen Gewerbesteuerpflicht einer Personengesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Eine KG ist nach Einstellung ihrer werbenden Tätigkeit nicht gewerbesteuerpflichtig.
2. Stellt eine KG ihre werbende Tätigkeit zum 31. 12. eines Jahres ein, endet die sachliche Gewerbesteuerpflicht auch dann zu diesem Zeitpunkt, wenn handelsrechtlich die Auflösung und Auseinandersetzung mit Wirkung ab 2. 1. des Folgejahres beschlossen wird.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betrieb eine KFZ-Werksvertretung der X-AG. Ihre Gesellschafter sind A als Komplementär mit einer Beteiligung von 35/36 und seine Tochter B mit 1/36. Die X-AG äußerte in den 70er Jahren gegenüber der Klägerin den Wunsch, daß das Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH geführt werden solle und daß ferner die Baulichkeiten zu modernisieren und repräsentativer zu gestalten seien. Zu diesem Zweck wurde Ende 1978 die A Verwaltungs GmbH und die A Kraftfahrzeug GmbH gegründet.
Am 31. Dezember 1979 fand eine Gesellschafterversammlung der Klägerin statt, in der die Auflösung der Klägerin zum 2. Januar 1980 beschlossen und A zum Liquidator bestellt wurde. Das gesamte bewegliche Vermögen wurde mit Wirkung vom 2. Januar 1980 an die A Kraftfahrzeug GmbH laut Rechnung vom 12. September 1980 für . . . DM veräußert. Dabei wurde das bewegliche Anlagevermögen (Maschinen und maschinelle Einrichtungen, Inventar) zum Teilwert, das Vorratsvermögen zum Buchwert an die GmbH verkauft. Alle sonstigen Bilanzposten wurden von der GmbH mit den Buchwerten übernommen. Gleichzeitig mit der Übertragung des beweglichen Betriebsvermögens wurden die bisherigen Betriebsgrundstücke ins Privatvermögen der Gesellschafter überführt. In der Schlußbilanz der Klägerin zum 2. Januar 1980 wies diese einen Veräußerungsgewinn von . . . DM aus, den sie gemäß §§ 16, 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für begünstigt hielt.
Anläßlich einer im Jahre 1982 für die Jahre 1974 bis 1980 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß eine begünstigte Betriebsveräußerung nicht vorliege, weil der bisherige Betrieb lediglich unter Änderung der Rechtsform fortgeführt werde.
Gegen den entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1980 und den Gewerbesteuermeßbescheid 1980 (Bescheid vom 15. März 1983) legte die Klägerin Einspruch ein.
Im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Gewerbesteuermeßbescheid wandte sich die Klägerin gegen die sachliche Gewerbesteuerpflicht im Streitjahr.
In bezug auf den Gewinnfeststellungsbescheid 1980 einigten sich die Beteiligten am 17. November 1983 dahin, daß der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Erhöhung des Entnahmewerts für das Grundstück H. nicht mehr aufrechthielt und die Klägerin ihre Auffassung aufgab, es liege eine begünstigte Betriebsaufgabe vor. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb betrug danach . . . DM.
Das FA erließ am 14. Dezember 1983 einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1980. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Das FA änderte außerdem den Gewerbesteuermeßbescheid 1980 vom 15. März 1983 durch Bescheid vom 6. Februar 1984. Darin ging das FA entsprechend der Einigung in Sachen Gewinnfeststellung 1980 beim Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von . . . DM aus. Diesen Bescheid änderte das FA mit Gewerbesteuermeßbescheid 1980 vom 5. Oktober 1984. In diesem Bescheid minderte das FA den Gewinn aus Gewerbebetrieb um eine Gewerbesteuerrückstellung auf . . . DM. Der Auffassung der Klägerin, es habe im Jahre 1980 keine sachliche Gewerbesteuerpflicht bestanden, zumindest liege ein begünstigter Veräußerungsgewinn in Höhe von . . . DM vor, der nicht zum steuerpflichtigen Gewerbeertrag gehöre, folgte das FA nicht. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin habe im Streitjahr einen gewerbesteuerpflichtigen Gewerbebetrieb unterhalten. Im übrigen komme es nicht darauf an, ob im Streitfall ein begünstigter Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn i. S. des § 16 EStG vorliege, da der für das Streitjahr ermittelte Gewinn in jedem Fall zum steuerpflichtigen Gewerbeertrag gehöre.
Das FG hat die Revision zugelassen, weil sein Urteil vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Dezember 1975 I R 29/74 (BFHE 117, 483, BStBl II 1976, 224) abweicht, wenn im Streitfall von einem begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn auszugehen ist.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§§ 2 Abs. 1, 7 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -). Die Klägerin meint, sie habe im Streitjahr keinen lebenden Gewerbebetrieb mehr unterhalten. Am 1. Januar 1980 habe die Klägerin keine Tätigkeit ausgeübt. Am 2. Januar 1980 habe sie ihr Vermögen auf die A Kraftfahrzeug GmbH übertragen bzw. in das Privatvermögen überführt. Dies sei keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Eine Gewerbesteuerpflicht könne deshalb für das Streitjahr nicht bestehen. Die Klägerin ist außerdem unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 25. Mai 1962 I 78/61 S, BFHE 75, 467, BStBl III 1962, 438; BFHE 117, 483, BStBl II 1976, 224; vom 29. Oktober 1987 IV R 93/85, BFHE 151, 181, BStBl II 1988, 374) der Ansicht, daß zumindest der Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn nicht zum steuerpflichtigen Gewerbeertrag im Streitjahr gehöre.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Entgegen der Ansicht des FG war die Klägerin im Streitjahr nicht gewerbesteuerpflichtig.
a) Nach § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 GewStG unterliegt eine KG der Gewerbesteuer, wenn und solange sie einen Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuerrechts (§ 1 Abs. 1 der GewerbesteuerDurchführungsverordnung - GewStDV -) unterhält. Nach allgemeiner Meinung endet die Gewerbesteuerpflicht bei Personengesellschaften mit der tatsächlichen Einstellung des Betriebs. Das ist der Fall, wenn jede werbende Tätigkeit aufgegeben wird (BFH-Urteile vom 24. April 1980 IV R 68/77, BFHE 131, 70, BStBl II 1980, 658; vom 11. März 1982 IV R 25/79, BFHE 136, 204, BStBl II 1982, 707; vom 17. April 1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527). Der Zeitpunkt der Einstellung der werbenden Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 19. August 1977 IV R 107/74, BFHE 123, 352, BStBl II 1978, 23). Wann ein Betrieb in diesem Sinne seine Tätigkeit einstellt, kann für verschiedene Betriebsarten unterschiedlich beurteilt werden. Indizien für eine Betriebseinstellung können nach außen in Erscheinung tretende Umstände sein (vgl. Blümich / Obermeier, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Kommentar, 13. Aufl., § 2 GewStG Rdz. 792; Glanegger / Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 2 Rdz. 217).
Ebenso wie der Beginn der Gewerbesteuerpflicht voraussetzt, daß alle Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs (§ 1 Abs. 1 GewStDV) vorliegen (Urteil in BFHE 123, 352, BStBl II 1978, 23), so endet die Gewerbesteuerpflicht, wenn nur eine dieser Voraussetzungen erlischt (vgl. Urteil in BFHE 131, 70, BStBl II 1980, 658).
b) Im Streitfall war die Klägerin nach dem 31. Dezember 1979 nicht mehr werbend tätig. Die tatsächliche Einstellung des Betriebs der Klägerin erfolgte unter den gegebenen Umständen zum 31. Dezember 1979. Dies hat das Erlöschen der sachlichen Steuerpflicht der Klägerin zur Folge.
Eine werbende Tätigkeit liegt nur vor bei Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (Lenski / Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 6. Aufl., § 2 Rdz. 21). Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, daß eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 15 Rdz. 7, m. w. N.).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG wurde in der Gesellschafterversammlung am 31. Dezember 1979 die Auflösung und die Auseinandersetzung der Klägerin mit Wirkung ab 2. Januar 1980 beschlossen. Aus diesem im Jahre 1979 gefaßten Beschluß war erkennbar, daß die Tätigkeit der Klägerin im Jahre 1980 nur noch auf die Veräußerung ihres Betriebsvermögens an die A Kraftfahrzeug GmbH und an die Übernahme der Grundstücke in das Privatvermögen der Gesellschafter gerichtet war. Diese Tätigkeit (Liquidation) stellt keinen aktiven Betrieb mehr dar (vgl. Glanegger / Güroff, a. a. O., § 2 Rdz. 217; Lenski /Steinberg, a. a. O., § 2 Rdz. 21). Dabei ist es für den Streitfall ohne Bedeutung, daß die Auflösung handelsrechtlich mit Wirkung ab 2. Januar 1980 beschlossen wurde. Entscheidend ist, daß zum 31. Dezember 1979 die tatsächliche Einstellung des Betriebs der Klägerin mit der völligen Aufgabe jeder werbenden Tätigkeit in ihrem Geschäftsbereich erfolgte. Damit endete die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin zum 31. Dezember 1979 (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 29. Juni 1938 VI 395/38, RStBl 1938, 910).
2. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Gewerbesteuermeßbescheid 1980 war danach ersatzlos aufzuheben, da bei der Klägerin die sachlichen Voraussetzungen der Gewerbesteuerpflicht für das Streitjahr nicht vorlagen.
Fundstellen
Haufe-Index 417038 |
BFH/NV 1990, 799 |