Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrten eines Krankenhausarztes während des Bereitschaftsdienstes
Leitsatz (NV)
Fahrten, die ein angestellter Krankenhausarzt während seines Bereitschaftsdienstes zusätzlich zwischen seiner Wohnung und dem Krankenhaus durchführt, sind als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur mit den gesetzlichen Kilometerpauschbeträgen zu berechnen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Arzt bei einem Krankenhaus angestellt. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1987 machte er für die während seines Bereitschaftsdienstes durchgeführten zusätzlichen Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem 8 km entfernt gelegenen Krankenhaus Aufwendungen in Höhe von 1264 DM zum Werbungskostenabzug geltend (188 Fahrten x 8 km x 0,84 DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte demgegenüber die zusätzlichen Fahrten nur mit dem Kilometersatz von 0,36 DM je Entfernungskilometer (188 Fahrten x 8 km x 0,36 DM = 541,44 DM).
Die Klage, mit der der Kläger den Ansatz von 0,42 DM je gefahrenen Kilometer begehrt, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging bei seiner Entscheidung davon aus, daß nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur eingeschränkt mit den dort aufgeführten Pauschbeträgen abgesetzt werden könnten. Dies gelte nach der zutreffenden Entscheidung des FG Berlin vom 11. April 1985 IV 359/83 (Entscheidungen der Finanzgerichte EFG - 1985, 490) auch für Fahrten außerhalb der normalen Arbeitszeit.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Dazu führt er im wesentlichen aus: Während der Rufbereitschaft sei seine Wohnung als zweite Arbeitsstätte i. S. des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen; hier werde die geschuldete Arbeit durch die telefonische Erreichbarkeit erbracht. Die Fahrten während des Bereitschaftsdienstes zum Krankenhaus seien daher als Fahrten zwischen zwei Arbeitsstätten zu beurteilen, bei denen die Fahrtkostenbegrenzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nicht gelte. - Folge man dieser Auffassung nicht, so lasse aber Abschn. 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1987 den Abzug der tatsächlichen Kosten für derartige Fahrten zu; davon gehe auch die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Köln vom 9. Februar 1987 (Finanz-Rundschau - FR - 1987, 256) aus. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe durch Urteil vom 29. November 1968 VI R 279/67 (BFHE 94, 336, BStBl II 1969, 173) entschieden, daß Fahrtkosten in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abziehbar seien, wenn im Einzelfall ungewöhnliche Arbeitsbedingungen vorlägen, die den typischen Arbeits- und Dienstverhältnissen nicht zuzuordnen seien und der Arbeitnehmer deshalb an ein und demselben Arbeitstag mehrfach Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchführen müsse. Auch im vorliegenden Streitfall seien die Fahrten während der Rufbereitschaft untypisch für einen normalen Arbeitszeitablauf.
Das FA tritt der Revision entgegen. Nach seiner Auffassung liegt ein Ausnahmefall, der die Berücksichtigung der tatsächlichen Fahrtkosten rechtfertige, deshalb nicht vor, weil die Wahrnehmung des Bereitschaftsdienstes zu den regelmäßigen Dienstobliegenheiten eines Krankenhausarztes gehöre und damit der Kläger das Krankenhaus nicht zusätzlich außerhalb der normalen Arbeitszeit aufgesucht habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß sämtliche Fahrten des Klägers während seines Bereitschaftsdienstes bzw. seiner Rufbereitschaft zwischen Wohnung und Krankenhaus als steuerlich berücksichtigungsfähige Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen sind und daß sich die Aufwendungen für diese Fahrten mit den gesetzlichen Kilometerpauschbeträgen berechnen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil VI R 10/91 vom heutigen Tage (BStBl II 1992, 835).
Fundstellen
Haufe-Index 418351 |
BFH/NV 1992, 727 |