Leitsatz (amtlich)
Hat ein Unternehmer den einen Teil der in einem Gebäude befindlichen Räume längerfristig, den anderen jedoch nur kurzfristig vermietet, so ist die Vermietung --nur-- insoweit steuerfrei, als er die Räume eindeutig und in leicht nachprüfbarer Weise zur nicht nur vorübergehenden Beherbergung von Fremden bereitgehalten hat. Bietet der Unternehmer dieselben Räume wahlweise zur lang- oder kurzfristigen Vermietung an, so sind sämtliche Umsätze steuerpflichtig.
Orientierungssatz
1. Nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1967 kommt es nicht auf die tatsächliche Dauer der Vermietung an. Entscheidend ist vielmehr die (aus äußeren Umständen ableitbare) Absicht des Unternehmers, die in Frage stehenden Räumlichkeiten nur zur vorübergehenden Beherbergung bereitzuhalten (vgl. BFH-Urteil vom 30.7.1986 V R 99/76). Maßgebend sind die Verhältnisse im Erstjahr der Ingebrauchnahme.
2. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1967 erfordert nicht, daß der Vertragspartner selbst die Räume nutzt. Deshalb können die Voraussetzungen der Vorschrift auch dann vorliegen, wenn der Unternehmer die Räume längerfristig an einen anderen Unternehmer vermietet hat, der wiederum in den Räumen seine Geschäftsfreunde nur vorübergehend beherbergt.
3. Für die Auslegung einer Vorschrift ist eine verborgen gebliebene subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten nicht maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1982 III R 107/79).
Normenkette
UStG 1967 § 4 Nr. 12 S. 2, Nrn. 12a, 12 S. 1 Buchst. a
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 28.10.1981; Aktenzeichen V 5183/78 U) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde im Jahre 1970 als Publikums-Kommanditgesellschaft zu dem Zweck gegründet, ein Hotel und ein Appartement-Hotel zu errichten. Ersteres wurde im Jahre 1972 eröffnet. Das versetzt zum Hotel-Hochhaus stehende Appartement-Hotel (sog. "A-Trakt") wurde Ende 1972 fertiggestellt und in Betrieb genommen. In den Obergeschossen des A-Trakts liegen 293 in sich abgeschlossene Wohneinheiten mit Voll- bzw. Teilmöblierung. Für die Vermietung der Räumlichkeiten im A-Trakt, die die Hotelleitung vornimmt, gelten u.a. die "Geschäftsbedingungen im Hotelgewerbe".
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, die Vermietung im A-Trakt sei gemäß § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG) steuerfrei. Er ließ deshalb im endgültigen Umsatzsteuerbescheid 1970 die der Klägerin für 1970 in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus den Gebäudeherstellungskosten nicht als Vorsteuer zum Abzug zu. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 322 abgedruckten Gründen stattgegeben.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Nr.12 UStG.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Klägerin hat nur insoweit einen Anspruch auf Abzug der von ihr geltend gemachten Vorsteuerbeträge, als diese nicht auf Lieferungen entfallen, welche die Klägerin zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet hat. In welchem Umfang dies zutrifft, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
1. a) Gemäß § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst.a UStG ist die Vermietung von Grundstücken grundsätzlich steuerfrei. Diese Steuerfreiheit erstreckt sich auch auf Umsätze aus der Vermietung einzelner Teile des Grundstücks, wie beispielsweise von Wohn- und Schlafräumen. Die Beherbergung in Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur vorübergehenden Beherbergung von Fremden bereithält, ist jedoch kraft ausdrücklicher Regelung in § 4 Nr.12 Satz 2 UStG nicht befreit. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kommt es nicht auf die tatsächliche Dauer der Vermietung an. Entscheidend ist vielmehr die (aus äußeren Umständen ableitbare) Absicht des Unternehmers, die in Frage stehenden Räumlichkeiten nur zur vorübergehenden Beherbergung bereitzuhalten (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Juli 1986 V R 99/76, BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877, m.w.N.). Maßgebend sind die Verhältnisse im Erstjahr der Ingebrauchnahme.
b) Der BFH hat noch nicht entschieden, welche Grundsätze maßgebend sind, wenn der Unternehmer Räume sowohl für Dauermieter als auch zur nur vorübergehenden Beherbergung bereithält. Die Auffassungen im Schrifttum sind nicht einheitlich. Plückebaum/Malitzky (Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 10.Aufl., Rdnote 403 zu § 4) vertreten ohne eine Einschränkung die Ansicht, in einem solchen Fall seien auch die an Dauermieter erbrachten Umsätze steuerpflichtig. Eckhardt/Weiß (Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Rdnoten 12, 25 zu § 4 Nr.12) kommen zu demselben Ergebnis, vorausgesetzt der Unternehmer habe die Absicht, die Räume für beliebige Dauer zu vermieten (ebenso Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 2.Aufl., Anm.10 zu § 4 Nr.12). List in Sölch/Ringleb/List (Umsatzsteuergesetz, Rdnote 61 zu § 4 Nr.12) hält eine unterschiedliche steuerliche Behandlung allgemein für möglich. Hartmann/Metzenmacher (Umsatzsteuergesetz -Mehrwertsteuer -, Kommentar, Rdnoten 12, 104 zu § 4 Nr.12) stellen dagegen entscheidend darauf ab, ob sich die Tätigkeit des Unternehmers sachlich in zwei Betriebsformen (Wohnungsvermietung und Beherbergung) aufteilen läßt; sofern dies nicht möglich sei, seien sämtliche Umsätze steuerpflichtig.
c) Hat ein Unternehmer den einen Teil der in einem Gebäude befindlichen Räume längerfristig vermietet, den anderen jedoch nur kurzfristig, so ist die Vermietung --nur-- insoweit steuerfrei, als er die Räume eindeutig und in leicht nachprüfbarer Weise zur nicht nur vorübergehenden Beherbergung von Fremden bereitgehalten hat. Es ist dabei allerdings nicht zusätzlich noch erforderlich, daß zwei voneinander unabhängige Betriebsteile vorliegen. Bietet der Unternehmer demgegenüber dieselben Räume wahlweise zur lang- oder kurzfristigen Vermietung an, so besteht Steuerpflicht hinsichtlich sämtlicher Umsätze; denn in einem solchen Fall werden sämtliche Räume zur vorübergehenden Beherbergung bereitgehalten (ebenso Bunjes/Geist, a.a.O.).
Diese Auslegung entspricht dem objektivierten Willen des Gesetzgebers. Der Wortlaut des § 4 Nr.12 UStG erlaubt eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Vermietung von Wohnungen, die sämtlich in einem Gebäude liegen, und zwar je nachdem, ob sie auf Dauer geschieht oder ob sie einer nur vorübergehenden Beherbergung dient. Der Unterschied zur entsprechenden Vorschrift des § 38 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB 1951) besteht darin, daß nach dieser Vorschrift Steuerpflicht bereits dann besteht, "wenn ein Unternehmer Wohn- oder Schlafräume ... bereithält" (vgl. BFH-Urteil vom 27.April 1972 V R 50/69, BFHE 105, 305, BStBl II 1972, 557). Hartmann/Metzenmacher (a.a.O.) sind zwar unter Hinweis auf den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Umsatzsteuergesetz 1967 (zu Drucks. V/1581 S.12) der Ansicht, es sei erklärter Wille des Gesetzgebers gewesen, die Vorschrift des § 4 Nr.10 Buchst.a UStG 1951 --und damit verbunden des § 38 UStDB 1951-- inhaltlich unverändert aus dem UStG zu übernehmen. In der Begründung des Finanzausschusses (a.a.O.) ist jedoch lediglich ausgeführt, daß § 12 UStG den § 4 Nr.10 UStG 1951, § 38 UStDB 1951 "entspricht". Jedenfalls stimmt die Auffassung von Hartmann/Metzenmacher nicht mit dem überein, was der Gesetzgeber tatsächlich mit dem gewählten Wortlaut angeordnet hat; eine verborgen gebliebene subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten ist nicht maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 23.Juli 1982 III R 107/79, BFHE 136, 424, BStBl II 1983, 57). Überdies ist es Sinn und Zweck der Regelung des § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst.a UStG, Entgelte aus längerfristigen Mietverhältnissen steuerfrei zu belassen. Dieser Zielsetzung des Gesetzgebers trägt die Auslegung des Senats Rechnung.
d) Entgegen der Auffassung des FG können die Voraussetzungen des § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst.a UStG auch dann vorliegen, wenn der Unternehmer die Räume längerfristig an einen anderen Unternehmer vermietet hat, der wiederum in den Räumen seine Geschäftsfreunde nur vorübergehend beherbergt. Entscheidend ist, ob der Unternehmer die Räume zur längerfristigen Vermietung bestimmt und er diese Absicht durch den Abschluß eines langfristigen Mietvertrages verwirklicht hat. § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst.a UStG erfordert nicht, daß der Vertragspartner selbst die Räume nutzt. Da es entscheidend auf die Vereinbarungen mit diesem Mieter ankommt, ist es unerheblich, wie lange dessen Geschäftsfreunde in den Räumen untergebracht werden. Da das FG insoweit von einer anderen Auffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat hält zwar die Würdigung des FG, die Klägerin habe die Wohn- und Schlafräume --mit Ausnahme der an andere Unternehmer längerfristig vermieteten Räume-- sowohl für eine vorübergehende Beherbergung als auch für eine längerfristige Vermietung bereitgehalten, für möglich. Als entscheidend sieht es der Senat dabei insbesondere an, daß die Klägerin nach den Feststellungen des FG der Finanzierungsbank bereits im Mai 1970 mitgeteilt hatte, es sei nach Prüfung der Marktsituation vorteilhafter, das Appartementhaus teilweise auch an Interessenten mit kurzfristiger Aufenthaltsdauer zu vermieten. Zudem waren nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin die ersten drei Obergeschosse des A-Trakts ausschließlich für Hotelgäste reserviert.
Das FG hat jedoch --von seiner Rechtsauffassung ausgehend zutreffend-- keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Klägerin von vornherein die Absicht hatte, die zur Beherbergung von Geschäftsfreunden an andere Unternehmer überlassenen Räume ausschließlich längerfristig zu vermieten, und ob diese Zweckbestimmung eindeutig und in leicht nachprüfbarer Weise nach außen kundgetan war. Bei seiner anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) wird das FG die noch erforderlichen Feststellungen nachholen.
Fundstellen
Haufe-Index 62149 |
BFH/NV 1988, 2 |
BStBl II 1988, 795 |
BFHE 153, 451 |
BFHE 1989, 451 |
BB 1988, 1808-1809 (LT1) |
DB 1988, 2034-2035 (LT) |
DStR 1988, 614 (ST1) |
HFR 1988, 574 (LT) |