Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Ausbildungsdienstverhältnis bei Arbeit an einer Dissertation
Leitsatz (NV)
Aufwendungen für die Promotion sind bei einem als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität Beschäftigten nur dann Werbungskosten, wenn die Erstellung der Dissertation ausschließlicher oder wesentlicher Vertragsgegenstand des Dienstverhältnisses ist.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1988 an einem Seminar der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universtität X als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden sollte er Aufgaben und Tätigkeiten zum Zwecke der Fort- und Weiterbildung mit dem Ziel der Promotion wahrnehmen. Daher war das Arbeitsverhältnis befristet. Im Arbeitsvertrag vom 8. April 1988 ist auf die Aufgabenbeschreibung des Seminardirektors vom 19. Februar 1988 Bezug genommen. In dieser Beschreibung heißt es u.a.: Seine Aufgaben umfassen zum einen die intensive Unterstützung des Seminars bei der Erfüllung der Lehraufgaben in den Bereichen allgemeine Betriebswirtschaftslehre und der Industriebetriebslehre. Zum anderen wird es zu seinen Aufgaben gehören, an der Durchführung von Forschungsaktivitäten des Seminars - insbesondere der Bereich der Industriebetriebslehre - mitzuwirken. Als Bestandteil seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen hat sich Herr Y dazu in gegenseitiger Abstimmung insbesondere im Rahmen seiner Promotion wissenschaftlich zu betätigen.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1988 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 6670 DM zum Werbungskostenabzug geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ letzlich unter Anerkennung von 900 DM als Sonderausgaben nur die Hälfte der genannten Kosten zum Werbungskostenabzug zu, da die andere Hälfte der Kosten mit der Promotion im Zusammenhang gestanden habe, welche nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit im wesentlichen folgender Begründung statt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Kosten der als Abschluß der akademischen Ausbildung anzusehenden Promotion grundsätzlich nicht als Werbungskosten, sondern nur im Rahmen der Sonderausgaben als beschränkt abzugsfähige Berufsausbildungskosten zu qualifizieren. Etwas anderes gelte nur, wenn das Promotionsstudium als solches Gegenstand eines Dienstverhältnisses sei oder sich die Dienstverpflichtung auf die Erlangung der Doktorwürde beziehe. Dieser Ausnahmefall sei vorliegend gegeben. Denn die Auslegung des Arbeitsvertrags und der ergänzenden Aufgabenbeschreibung ergebe, daß die Arbeit des Klägers an der Promotion - neben anderen Dienstverpflichtungen - Gegenstand des Dienstvertrags gewesen sei. Die Dienstpflichten des Klägers hätten zunächst die Unterstützung des Seminars bei der Erfüllung der Lehraufgaben und der Durchführung der Forschungsaktivitäten umfaßt. Zur Erfüllung dieser Aufgaben - also zur Schaffung allgemeiner und besonderer Wissensgrundlagen - sei der Kläger verpflichtet gewesen, sich gerade im Rahmen seiner Promotion wissenschaftlich zu betätigen. Diese Vertragsklausel könne nicht anders gedeutet werden, als daß die vorbereitende wissenschaftliche Betätigung, die die Dienstleistungen des Klägers in Forschung und Lehre überhaupt erst ermöglicht hätten, im wesentlichen im Rahmen seines Promotionsstudiums hätten stattfinden sollen. Die Vertragsklausel beziehe weiterhin die gesamte Arbeit des Klägers an seiner Promotion ein, da diese ausschließlich wissenschaftliche Tätigkeit beinhalte.
Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Das FA ist der Auffassung, die Vorentscheidung weiche von den neueren Urteilen des BFH vom 9. Oktober 1992 VI R 176/88 (BFHE 169, 193, BStBl II 1993, 115) und vom 18. Juni 1993 VI R 84/91 (BFH/NV 1993, 724) ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Senat hat die Grundsätze zur Abziehbarkeit von Promotionskosten als Werbungskosten durch die vom FA genannten Urteile, die das FG bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte, weiter konkretisiert. Danach können Promotionskosten dann als Werbungskosten anzuerkennen sein, wenn das Promotionsvorhaben selbst Gegenstand eines Dienstverhältnisses ist, wobei die Anfertigung der Dissertation aber ausschließlicher oder wesentlicher Vertragsgegenstand sein muß. Als wesentlicher Vertragsgegenstand in diesem Sinne kann eine dahingehende Verpflichtung nur gelten, wenn sie das Dienstverhältnis inhaltlich und zeitlich nahezu ausfüllt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die weiteren Ausführungen in den genannten Urteilen.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Promotionskosten als Werbungskosten liegen im Streitfall nicht vor. Aus den Bestimmungen des Arbeitsvertrags ergibt sich eindeutig, daß die Verpflichtung des Klägers zur Erarbeitung einer Dissertation neben seinen Verpflichtungen zur Erbringung sonstiger Dienstleistungen in Lehre und Forschung weder ausschließlicher noch wesentlicher Vertragsgegenstand war.
Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage war daher abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 419976 |
BFH/NV 1994, 856 |