Leitsatz (amtlich)
Der Senat bleibt bei seiner Auffassung (vgl. Urteil vom 7. Juni 1973 III R 77/72, BFHE 109, 538, BStBl II 1973, 712), daß private Träger von Altersheimen von der Grundsteuer nicht befreit sind.
Normenkette
GrStG 1951 § 4 Nr. 8; GrStDV 1952 § 16 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt auf einem ihm gehörenden Grundstück ein Altersheim. Nach den Feststellungen einer Betriebsprüfung dient das Altersheim in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung. Der Kläger ist deshalb von der Umsatzsteuer (§ 4 Nr. 16 b, UStG 1967) und von der Gewerbesteuer (§ 35 c Nr. 2 b GewStG, § 11 Abs. 2 und 4 GewStDV) befreit. Seinen Antrag, ihn gemäß § 4 Nr. 8 GrStG 1951 auch von der Grundsteuer für das Jahr 1971 freizustellen, hat der Beklagte und Revisionskläger (FA) mit Bescheid vom 14. April 1972 abgelehnt. Das FA vertrat die Auffassung, daß Grundbesitz, der für Zwecke eines Altersheimes genutzt werde, gemäß § 16 Abs. 2 GrStDV nur dann von der Grundsteuer befreit sei, wenn Träger des Altersheimes eine Gebietskörperschaft, eine öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft, eine jüdische Kultusgemeinde, oder eine den anerkannten Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege angeschlossene Körperschaft, Anstalt oder Einrichtung sei. Eine Steuerbefreiung scheide aber aus, wenn Träger des Altersheimes eine Privatperson sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage machte der Kläger geltend:
§ 16 Abs. 2 GrStDV mit seiner einschränkenden Aufzählung der begünstigten Einrichtungen könne nur historisch gesehen werden. Im Jahre 1952, als die Grundsteuer-Durchführungsverordnung in Kraft getreten sei, seien Altersheime solcher Art ausschließlich von den aufgezählten Einrichtungen unterhalten worden. Private Altersheime habe es seinerzeit so gut wie nicht gegeben. Mittlerweile hätten sich die Verhältnisse jedoch geändert. Die öffentliche Hand sei infolge der Übernachfrage nicht mehr in der Lage, ausreichende Bettenplätze in Altersheimen zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grunde hätten sich im Laufe der Zeit Privatunternehmer bereit gefunden, die zu den gleichen Bedingungen wie die öffentliche Hand Bettenplätze zur Verfügung stellten. Unter Berücksichtigung dieser veränderten Verhältnisse müßte die Grundsteuerbefreiung auch privaten Trägern von Altersheimen gewährt werden.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung, die in EFG 1973, 608, abgedruckt ist, im wesentlichen damit, daß § 16 Abs. 2 GrStDV die Ermächtigungsgrundlage fehle und daß die Aufnahme der Bewahrungsanstalten in § 4 Nr. 8 GrStG praktisch bedeutungslos sei, wenn man ihre Trägerschaft auf die in § 16 Abs. 2 GrStDV aufgezählten Organisationen und Einrichtungen beschränke, weil diese bereits nach § 4 Nrn. 1 und 3 GrStG steuerbefreit seien.
Gegen das Urteil hat das FA Revision eingelegt. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 8 GrStG und § 16 Abs. 2 GrStDV). Außerdem weist es auf das in der Zwischenzeit ergangene Urteil des BFH vom 7. Juni 1973 III R 77/72 (BFHE 109, 538, BStBl II 1973, 712) hin, in dem der Senat entschieden hat, daß die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 GrStG für private Träger von Altersheimen nicht gilt.
Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er trägt noch vor: Bei ihm gälten die gleichen Aufnahmebedingungen wie bei den vom Staat, den Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden betriebenen Altersheimen. Eine einseitige Begünstigung dieser Einrichtungen gegenüber den privaten Altersheimen schaffe bei sonst gleichen Bedingungen einen Wettbewerbsvorteil, der mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. In dem Urteil III R 77/72 hat der Senat in der Zwischenzeit entschieden, daß § 4 Nr. 8 GrStG auf private Träger von Altersheimen nicht anwendbar ist. Er nimmt auf seine dortigen Ausführungen, an denen er festhält, Bezug. Danach ist § 16 Abs. 2 GrStDV rechtsgültig. Der Verordnungsgeber hat in dieser Bestimmung den vom Gesetz nicht näher definierten Begriff der Bewahrungsanstalt lediglich spezieller ausgestaltet. Er hat dabei einmal an die geschichtliche Entwicklung dieses Begriffes angeknüpft und zum anderen auch den Willen des Gesetzgebers berücksichtigt, wie er in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes vom 10. August 1951 - GrStÄndG 1951 - (Bundestagsdrucksache Nr. 1787) zum Ausdruck gekommen ist.
2. § 16 Abs. 2 GrStDV ist auch durch die Ermächtigungsnorm des Art. II Nr. 1 c GrStÄndG 1951 (BGBl I 1951, 515) gedeckt. Danach wurde die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung des Grundsteuergesetzes Durchführungsverordnungen zu erlassen, soweit dies im Zusammenhang mit der Anwendung von Steuerbefreiungsvorschriften zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erforderlich war.
Mit der Regelung in § 16 Abs. 2 GrStDV hat der Verordnungsgeber die Verhältnisse berücksichtigt, wie sie im Jahre 1952 bestanden haben. Damals wurden Altersheime außer von den Gebietskörperschaften noch von den Kirchen und den Wohlfahrtsorganisationen betrieben. Der Verordnungsgeber handelte also i. S. des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und der ihm in Art. II Nr. 1 c GrStÄndG 1951 erteilten Ermächtigung, wenn er alle diese Träger in § 16 Abs. 2 GrStDV gleichmäßig von der Grundsteuer freistellte. Die privaten Träger von Altersheimen konnte und brauchte der Verordnungsgeber nicht zu berücksichtigen, weil es solche damals nach dem eigenen Vortrag des Klägers so gut wie noch nicht gab.
3. In dieser differenzierenden Behandlung ist aber auch später, als zu den bisherigen Trägern von Altersheimen noch die Privatpersonen hinzukamen, eine Verletzung des Gleichheitssatzes nicht eingetreten. Der Senat ist zwar der Meinung, daß es konsequenter gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber auch die privaten Träger von Altersheimen grundsteuerfrei belassen hätte, nachdem er sie bereits von der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer freigestellt hatte, und nachdem auch die privaten Träger von Krankenanstalten grundsteuerfrei sind. Es ist aber nicht Aufgabe der Rechtsprechung, darüber zu wachen, daß der Gesetzgeber in allen Einzelheiten einer gesetzlichen Regelung die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung findet. Die Prüfung der Gerichte, ob ein Gesetz gegen den Gleichheitssatz verstößt, beschränkt sich darauf, ob die in ihm enthaltene differenzierende Regelung willkürlich ist, oder ob ein sachgerechter Grund dafür besteht (vgl. Urteile des BVerfG vom 23. Oktober 1951 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 [52], und vom 20. Dezember 1966 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12 [26]).
Bei der Frage der Grundsteuerbefreiung für Altersheime hat der Gesetzgeber auf eine geschichtlich entstandene Aufgabenstellung Rücksicht genommen. Er hat den traditionsgemäß mit dieser Aufgabe befaßten Einrichtungen von Staat, Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen die Grundsteuerbefreiung belassen und die privaten Träger davon ausgeschlossen. Der Senat ist der Meinung, daß dieser verhältnismäßig geringe finanzielle Vorsprung, der in der Grundsteuerfreiheit liegt und der nur den in § 16 Abs. 2 GrStDV aufgeführten Organisationen und Einrichtungen zugute kommt, noch nicht als willkürlich bezeichnet werden kann, so daß die getroffene Regelung auch unter den heutigen veränderten Verhältnissen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt.
4. Der Senat kann auch darin der Vorinstanz nicht folgen, daß bei der Beschränkung der Steuerbegünstigung auf die in § 16 Abs. 2 GrStDV aufgezählten Einrichtungen die Verweisung in § 4 Nr. 8 letzter Satz GrStG auf § 4 Nr. 7 Schlußsatz GrStG (und dementsprechend die Regelung in § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrStDV) sinnlos wäre. Abgesehen davon, daß diese Verweisung ihre Bedeutung für die Krankenanstalten behält, hat sie auch für die Bewahrungsanstalten insofern einen Sinn, als eine Bewahrungsanstalt steuerbegünstigt nicht nur von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auch von einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft, einer jüdischen Kultusgemeinde, oder einer Organisation der freien Wohlfahrtsverbände betrieben werden kann. Ist letzteres der Fall, sind aber Eigentümer des Grundstücks und Träger der Bewahrungsanstalt nicht identisch, dann soll die Steuerbefreiung für das Grundstück nach § 4 Nr. 8 letzter Satz i. V. m. § 4 Nr. 7 Schlußsatz GrStG (und § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrStDV) nur gelten, wenn es einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gehört. Die Vorinstanz hat das Problem so dargestellt, als könne eine Bewahrungsanstalt nur von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben werden. Der Kreis ist in § 16 Abs. 2 GrStDV jedoch weiter gezogen.
Richtig ist allerdings die Auffassung der Vorinstanz, daß die ausdrückliche Aufnahme der Bewahrungsanstalten in § 4 Nr. 8 GrStG 1951 unter gleichzeitiger Beschränkung auf die in § 16 Abs. 2 GrStDV genannten Träger praktisch bedeutungslos war. Denn die Steuerfreiheit ergab sich insoweit bereits aus § 4 Nrn. 1 und 3 GrStG. Aus diesem Grund sind dann die Bewahrungsanstalten in das Grundsteuergesetz vom 7. August 1973 auch nicht mehr aufgenommen worden (vgl. dazu die amtliche Begründung zum Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes in Bundestagsdrucksache VI/3418). Aus diesem Grunde allein kann aber eine Steuerbefreiung der privaten Träger von Altersheimen nicht hergeleitet werden.
In der Richtigkeit seiner Ansicht wird der Senat noch bestärkt durch das Grundsteuergesetz 1973. Auch danach ist eine Begünstigung privater Altersheime nicht vorgesehen. Wegen der Gründe wird ebenfalls auf die Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes hingewiesen. Der Senat ist der Auffassung, daß darin keine Abkehr von der bisherigen gesetzlichen Regelung, sondern deren konsequente Fortsetzung liegt.
Die Vorentscheidung, die von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist, war aufzuheben. Da die Sache spruchreif ist, war die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71547 |
BStBl II 1975, 838 |
BFHE 1976, 394 |