Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 18 Abs. 2 UmwStG schließt die Erfassung von Übernahmeverlusten bei der Gewerbesteuer nicht aus
Leitsatz (amtlich)
Übernahmegewinn i.S. des § 18 Abs. 2 UmwStG 1995 in seiner bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung ist nur ein Gewinn und nicht auch ein Übernahmeverlust; die Vorschrift verbietet deshalb nicht die Berücksichtigung von AfA auf die gemäß § 4 Abs. 6 UmwStG aufgestockten Buchwerte bei der Gewerbesteuer.
Normenkette
UmwStG 1995 § 18 Abs. 1-2, § 4 Abs. 4-6
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 1999, 488; LEXinform-Nr. 0551058) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Sie ist durch Beschluss vom 26. August 1997 mit Wirkung ab 1. Januar 1997 durch eine formwechselnde Umwandlung aus der S-GmbH hervorgegangen. Die Umwandlung wurde am 2. Dezember 1997 im Handelsregister eingetragen.
Die Klägerin ermittelte einen Übernahmeverlust von 4 790 336,92 DM. Diesem Betrag trug sie durch Aufstockung von Wirtschaftsgütern gemäß § 4 Abs. 6 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (im Folgenden: UmwStG) in der steuerlichen Ergänzungsbilanz ihrer Kommanditistin Rechnung. Sie machte den Verlust in Höhe von 1 144 862,92 DM, der in der Ergänzungsbilanz infolge der Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die umwandlungsbedingten Aufstockungsbeträge entstand, gewinnmindernd geltend.
Während der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) diesen Verlust bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Klägerin für das Streitjahr 1997 in der erklärten Höhe berücksichtigte, lehnte er dies bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages ab. Zur Begründung verwies er auf Tz. 18.02 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 1998 (BStBl I 1998, 268, 312). Darin wird ausgeführt, dass ein Übernahmeverlust i.S. des § 4 Abs. 5 UmwStG bei der Gewerbesteuer ebenso wie ein Übernahmegewinn nicht zu berücksichtigen sei (§ 18 Abs. 2 UmwStG); eine Aufstockung der Buchwerte nach § 4 Abs. 6 UmwStG finde für die Gewerbesteuer nicht statt. Für Zwecke der Gewerbesteuer sei eine eigene Gewinnermittlung vorzunehmen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags statt. Es entschied, § 18 Abs. 2 UmwStG schließe bereits nach seinem Wortlaut die Erfassung eines Übernahmeverlustes nicht aus. Der Gesetzgeber habe in § 4 Abs. 4 bis 6 UmwStG zwischen einem Übernahmegewinn und einem Übernahmeverlust differenziert, was auch auf § 18 UmwStG durchschlage. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 488 veröffentlicht.
Das FA rügt mit seiner Revision eine rechtsfehlerhafte Auslegung des § 18 Abs. 2 UmwStG.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die AfA auf die umwandlungsbedingt aufgestockten Beträge in der Ergänzungsbilanz der Kommanditistin der Klägerin bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes ―GewStG―) des Streitjahres 1997 gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 14 und 4 Abs. 4 bis 6 UmwStG ertragsmindernd zu berücksichtigen sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 18 Abs. 2 UmwStG in seiner bis zum 31. Dezember 1998 gültigen und für das Streitjahr 1997 maßgeblichen Fassung; denn "Übernahmegewinn" im Sinne dieser Vorschrift ist nur ein positiver Gewinn und nicht ein Übernahmeverlust.
1. § 18 UmwStG regelt, wie sich ein Vermögensübergang auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person sowie der Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft ―wie ihn die Klägerin vollzogen hat― auf die
Gewerbesteuer auswirken. § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG bestimmt, dass die §§ 3 bis 9, 14, 16 und 17 UmwStG vorbehaltlich des Abs. 2 auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags gelten. Nach § 14 UmwStG sind im Falle des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft die §§ 3 bis 8 und 10 entsprechend anzuwenden; die Vorschrift enthält außerdem Sonderregelungen für die aufzustellenden Bilanzen.
Danach sind die §§ 4 und 14 UmwStG auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags anwendbar. Im Streitfall besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen darüber, und auch das FG ist davon ausgegangen, dass ein Übernahmeverlust i.S. des § 4 Abs. 5 UmwStG entstanden ist. Für diesen Fall bestimmt § 4 Abs. 6 UmwStG, dass die Wertansätze der übergegangenen Wirtschaftsgüter bis zu den Teilwerten aufzustocken sind und ein darüber hinausgehender Betrag des Übernahmeverlustes als Anschaffungskosten der übernommenen immateriellen Wirtschaftgüter einschließlich eines Geschäftswerts zu aktivieren ist. Für die Bemessung der AfA auf diese Beträge ordnet § 4 Abs. 6 Satz 3 UmwStG die entsprechende Anwendung des Abs. 3 an. Da das FA die AfA auf die gemäß § 4 Abs. 6 UmwStG aufgestockten Beträge bei der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung in der erklärten Höhe berücksichtigt hat, ist im Streitfall allein umstritten, ob § 4 Abs. 6 UmwStG auch für die Gewerbesteuer gilt. Diese Rechtsfrage ist entgegen der Auffassung des FA und des BMF (Tz. 18.02 des Schreibens in BStBl I 1998, 268, 312) zu bejahen.
2. § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG erklärt § 4 UmwStG insgesamt für anwendbar. Das bedeutet, dass auch § 4 Abs. 6 UmwStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen ist. Die gegenteilige Auffassung des BMF und des FA findet im Gesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber die Gewinnermittlung für gewerbesteuerliche Zwecke von derjenigen für die Einkommensteuer abkoppeln wollen, so hätte er entweder nur eine eingeschränkte Verweisung auf diejenigen Vorschriften vornehmen dürfen, die für die Einkommensteuer gelten, oder er hätte bei pauschaler Verweisung die gewollten Ausnahmen ausdrücklich regeln müssen. Bedenkt man, dass bei einer Abkoppelung der Ermittlung des Gewerbeertrags von der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung die außergewöhnliche Situation einträte, dass schon im Vorfeld zu den in § 7 GewStG angeführten Hinzurechnungen gemäß § 8 GewStG und Kürzungen gemäß § 9 GewStG eine eigenständige Gewinnermittlung für gewerbesteuerliche Zwecke vorzunehmen wäre (vgl. Tz. 18.02 des BMF-Schreibens in BStBl I 1998, 268, 312), dann wäre es Sache des Gesetzgebers gewesen, dies auch im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck zu bringen.
Dass § 4 Abs. 6 UmwStG entsprechend dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags gilt, entspricht auch der nahezu einhelligen Meinung im Schrifttum (vgl. statt vieler Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Band 4, UmwStG 1995/Kurzkommentierung Rdnr. S 284 und S 339; Benkert/Menner in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz 1995, § 18 Rdnr. 9; Dehmer, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 18 UmwStG Rdnr. 33; Dehmer, Umwandlungssteuererlass 1998, S. 311 f., Erläuterung 18.02).
3. Der Vorinstanz ist auch ―in Übereinstimmung mit der nahezu einhelligen Auffassung in der Literatur― darin zu folgen, dass der in § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG aufgestellte Vorbehalt zugunsten des Abs. 2 zu keinem anderen Ergebnis führt. Der vollständige Text des § 18 Abs. 2 UmwStG in seiner für das Streitjahr 1997 gültigen Fassung lautet: "Ein Übernahmegewinn ist nicht zu erfassen." Entgegen der Auffassung des FA ist "Übernahmegewinn" im Sinne dieser Vorschrift kein "Übernahmeverlust".
a) Indem der Gesetzgeber in § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG die Geltung des § 4 UmwStG auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags angeordnet hat, hat er mangels abweichender eigener Definitionen in § 18 UmwStG auch die in § 4 UmwStG verwendeten Begriffe für den Anwendungsbereich des § 18 UmwStG übernommen. In § 4 UmwStG wird durchgehend zwischen den Begriffen "Übernahmegewinn" und "Übernahmeverlust" differenziert. Dieses Begriffsverständnis der Spezialnorm verdrängt ein davon abweichendes Verständnis in anderen ertragsteuerlichen Gesetzen. Das bedeutet, dass unabhängig davon, wie der Begriff "Gewinn" in anderen Steuergesetzen (vgl. z.B. § 7 GewStG, §§ 4, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) zu verstehen ist, für § 18 UmwStG die in § 4 Abs. 4 bis 6 UmwStG vorgenommene sprachliche Differenzierung zwischen "Übernahmegewinn" und "Übernahmeverlust" maßgebend ist (a.A. van Lishaut, Umwandlungssteuerrecht, 2. Aufl., S. 45). Danach ist es nicht möglich, als Übernahmegewinn i.S. des § 18 Abs. 2 UmwStG auch einen Übernahmeverlust zu verstehen.
b) Auch der Zweck des § 18 UmwStG fordert unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte keine den Wortlaut korrigierende Auslegung oder rechtsfortbildende Lückenfüllung des § 18 Abs. 2 UmwStG 1995.
Die Entstehungsgeschichte liefert keine Anhaltspunkte dafür, dass lediglich ein redaktionelles Versehen vorliegt, soweit der Übernahmeverlust in § 18 Abs. 2 UmwStG nicht genannt und die Aufstockung der Buchwerte nach § 4 Abs. 6 UmwStG für die Gewerbesteuer nicht ausgeschlossen worden ist. In der Gesetzesbegründung wird lediglich festgestellt, dass in der Vorschrift die gewerbesteuerlichen Auswirkungen des Vermögensübergangs auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person geregelt sind (vgl. BTDrucks 12/6885, S. 24; BRDrucks 132/94, S. 71). Irgendwelche weiteren Erläuterungen enthalten die Gesetzesmaterialien zu § 18 UmwStG nicht.
Die Berücksichtigung eines Übernahmeverlustes führt auch nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen. Diejenigen Gründe, die den Gesetzgeber veranlassen, einen bestimmten Gewinn steuerlich nicht zu erfassen, sprechen nicht notwendigerweise dafür, auch einen Verlust unberücksichtigt zu lassen. Das FA hat ―auch in der mündlichen Verhandlung― eingeräumt, dass die Nichtberücksichtigung von Übernahmeverlusten bei bestimmten Sachverhalten zu einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung eines umwandlungsbedingten Ertrags führen würde. Der Senat vermag ein Auslegungsergebnis, bei dem eine solche Doppelerfassung vermieden wird, bei dem außerdem die in § 7 GewStG getroffene Regelung unberührt bleibt und das deshalb keine eigenständige Gewinnermittlung für gewerbesteuerliche Zwecke erfordert, nicht als sinnwidrig anzusehen.
c) Eine andere Beurteilung ist schließlich entgegen der Auffassung des FA auch nicht deshalb geboten, weil § 18 Abs. 2 UmwStG durch Art. 6 Nr. 5 des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, 486, BStBl I 1999, 304, 388) nunmehr wie folgt gefasst worden ist: "Ein Übernahmegewinn oder -verlust ist nicht zu erfassen. Eine Aufstockung der Buchwerte nach § 4 Abs. 6 findet für die Gewerbesteuer nicht statt." Denn diese Fassung ist gemäß Art. 18 StEntlG 1999/2000/2002 erst mit Wirkung vom 1. Januar 1999 in Kraft getreten und gilt damit nicht für das Streitjahr 1997.
Entgegen der Auffassung des FA folgt aus § 27 Abs. 1 UmwStG nicht, dass § 18 Abs. 2 UmwStG in seiner geänderten Fassung rückwirkend auf Zeiträume vor dem In-Kraft-Treten des StEntlG 1999/2000/2002 anzuwenden ist. § 27 Abs. 1 UmwStG bestimmt, dass dieses Gesetz, also das UmwStG 1995, erstmals auf den Übergang von Vermögen anzuwenden ist, der auf Rechtsakten beruht, die nach dem 31. Dezember 1994 wirksam werden. Die Abs. 1 und 2 des § 27 UmwStG sind seit dem In-Kraft-Treten des UmwStG 1995 am 1. Januar 1995 (vgl. Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts vom 28. Oktober 1994, BGBl I 1994, 3267, BStBl I 1994, 839) unverändert geblieben. Der Gesetzgeber wollte darin lediglich regeln, "wann das neue Umwandlungssteuergesetz erstmals und das bisherige Umwandlungssteuergesetz letztmals anzuwenden sind" (vgl. BTDrucks 12/6885, S. 26). In der Regelung der erstmaligen und letztmaligen Anwendung des jeweiligen Gesetzes erschöpft sich der Zweck dieser Vorschriften. Der Wortlaut des § 27 Abs. 1 UmwStG kann daher nicht dahin verstanden werden, dass damit für alle künftigen Gesetzesänderungen eine rückwirkende Anwendung auf die Zeit nach dem 31. Dezember 1994 angeordnet werden sollte, soweit etwas anderes nicht ausdrücklich bestimmt würde. Im Übrigen wäre bei belastenden Gesetzesänderungen eine solche echte Rückwirkung, d.h. ein nachträgliches änderndes Eingreifen in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände, auch verfassungswidrig (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 15. Oktober 1996 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64, 86 f.). Dem vom FA für richtig gehaltenen Gesetzesverständnis steht daher auch das Gebot zur verfassungskonformen Auslegung (vgl. BVerfG in BVerfGE 95, 64, 93) entgegen.
Die Änderung des § 18 Abs. 2 UmwStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 ist eine belastende Gesetzesänderung. Soweit in den Gesetzesmaterialien die Auffassung vertreten wird, die Neuregelung diene (lediglich) der Klarstellung (vgl. BTDrucks 14/23, S. 195), vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Rein deklaratorisch und nicht konstitutiv ist eine gesetzliche Regelung nur dann, wenn sich das nunmehr ausdrücklich Geregelte auch schon bisher unter Anwendung der herkömmlichen Auslegungsregeln aus dem Gesetz hat ableiten lassen. Dieses Erfordernis ist aus den dargelegten Gründen hier nicht erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 426225 |
BFH/NV 2000, 1421 |
BStBl II 2001, 35 |
BFHE 191, 571 |
BFHE 2001, 571 |
BB 2000, 1877 |
BB 2000, 2085 |
DB 2000, 1795 |
DStR 2000, 1510 |
DStRE 2000, 1037 |
HFR 2000, 821 |
StE 2000, 561 |